Schleudersitz statt Lehnstuhl

Zu Beginn der neuen Artikelserie beschäftigt sich Markus Schefer mit Partner-Betreuern. Weil oft klar definierte Erfolgsziele fehlen, glauben diese, sie könnten sich zurücklehnen. Dass sich aber Partner Account Manager nur der Beziehungspflege widmen, ist ein Mythos, der der Vergangenheit angehört.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/01

     

Manchmal treffe ich auf ausgebrannte Verkäufer, die der harten Akquise überdrüssig sind. Sie sehnen sich nach einer Tätigkeit, in der sie fürs gleiche Zielgehalt alle Annehmlichkeiten haben, die sie sich als Vertriebsmitarbeiter gewohnt sind. Traumjob für viele dieser Traumtänzer ist eine Stelle als Partner Account Manager. Ihre Überzeugung: In einer solchen Funktion steht weniger die anstrengende Neukundengewinnung, sondern die Pflege von Kundenbeziehungen im Vordergrund. Dass dieses idealisierte Rollenverständnis auch mit dem Direktvertrieb zu Spannungen führt, kann man sich unschwer vorstellen. Manche Verkäufer spotten nicht zu Unrecht, dass man vom Channel-Betreuer nur am Ende eines Verkaufsprojektes etwas hört. Dann nämlich, wenn es darum geht, welcher Partner die Hard- oder Software liefern darf.


Dafür dem Partner-Betreuer allein die Schuld zu geben, wäre aber falsch. Oft genug ist seine Rolle innerhalb einer Firma nicht klar festgelegt. Wird er an der Partnerzufriedenheit gemessen oder daran, wie viele neue Accounts er innerhalb eines Jahres akquirieren konnte? Ist er Verkäufer, Betreuer, Stratege oder von allem ein wenig? Und auf Grund der teilweise brüsken Strategiewechsel, die Hersteller im Channel-Bereich vollziehen, muss davon ausgegangen werden, dass sich die Firmen selbst mit diesen Fragen schwertun. Leidtragende sind die Partner und natürlich auch die Partner-Account-Betreuer.

Umsatzvorgaben pro Channel Sales

Fragt man Channel Sales nach ihrer Umsatzquote, erhält man vielfach irreführende Angaben. Da werden schon mal Jahresziele von 100 Millionen Dollar und mehr genannt. Bei genauerem Nachfragen stellt man dann fest, dass die Gesamtumsatzquote eines ganzen Geschäftsbereiches gemeint ist. Wie gross die Eigenleistung des Partner Account Managers an der Umsatzerreichung ist, lässt sich so aber kaum feststellen. Motivierte Mitarbeiter wird man damit auf die Dauer frustrieren, wollen diese doch sehen, was ihr Mehrwert innerhalb einer Organisation ist.


Die anderen können sich hinter einer grossen und intransparenten Zahl wie die Made im Speck verstecken. Kurz vor dem Jahresabschluss tauchen sie dann aus der Versenkung auf, um vollmundig mit ihren Top-Kontakten zu prahlen, dank denen sie ihren substantiell wichtigen Beitrag zur Quoten-Erreichung beigetragen haben wollen. Solche Auswüchse lassen sich vermeiden, wenn man wie im Direktvertrieb die Jahresquote des Channel Sales an einige wenige Accounts, für die er verantwortlich ist, koppelt.

Verkauf gegen innen und aussen

Immer wieder kommt es vor, dass es in der Partnerlandschaft brodelt. Häufige Ursache: Partner müssen teure Zertifizierungsprogramme der Hersteller durchlaufen. Geködert mit dem Versprechen, danach Kundenleads zu erhalten, sind viele frustriert, wenn sich nach erfolgter Zertifizierung keiner mehr an dieses Versprechen erinnern mag. Dass dem so ist, liegt nicht selten auch am Partner-Betreuer selbst: Als Bindeglied zwischen Channel und Hersteller müsste er dafür sorgen, dass die eigene Verkaufsabteilung mit den von ihm betreuten Partnern in Kontakt kommt und Informationen über aktuelle und potentielle Projekte fliessen. Das setzt viel Vertrauen auf beiden Seiten voraus und kann nicht von heute auf morgen erreicht werden. Ein guter Channel Account Manager verkauft darum nicht nur gegen aussen, sondern vor allem auch gegen innen. Dafür muss er es zunächst einmal schaffen, seinen Verkaufskollegen den Mehrwert seiner Arbeit vermitteln zu können. Gelingt ihm dies, so wird er damit in einem ersten Schritt die Akzeptanz seiner Vertriebskollegen und in einem zweiten Schritt jene der von ihm betreuten Partner erhalten.

Die richtige Einstellung

Oft sagen mir Partner Account Manager, dass sie in ihrem Job nicht so verkaufsorientiert vorgehen dürfen wie gewöhnliche Vertriebler. Ansonsten würden sie Partner vergraulen und riskieren, dass sie wieder abspringen. Solche Aussagen sind aus meiner Sicht schlicht Schutzbehauptungen und sollen von den eigenen Schwächen ablenken. Denn Akquisitions- und Abschlussstärke sind Charakter-Eigenschaften, die sowohl auf einen Mitarbeiter im Direktvertrieb wie auch auf einen Channel Sales zutreffen müssen. Firmen tun darum beim Rekrutierungsprozess neuer Angestellter gut daran, ihre künftigen Channel-Mitarbeiter genau auf diese Qualifikationen hin eingehend zu prüfen, und zwar in erhöhtem Masse, als dies heute teilweise der Fall ist. Gerade in einer Zeit, in der Umsätze stagnieren oder rückläufig sind, kann ein Partner Account Manager, der Bestehendes bewahren aber nicht Neues dazugewinnen will, langfristig nicht überleben.

Schon jetzt stellt man fest, dass IT-Firmen nervös auf die angespannte Wirtschaftslage reagieren. Viele Unternehmen warten aktuell mit rigiden Kostensparmassnahmen auf. Sind diese ausgeschöpft, ist es eine Frage der Zeit bis Mitarbeiter entlassen werden. Erfahrungsgemäss stehen dann all jene Positionen auf dem Prüfstand, deren unternehmerischer Mehrwert nicht in Franken bezifferbar ist. Wer sich heute als Kandidat mit dem Gedanken trägt, eine Stelle als Partner Account Manager anzutreten oder aktuell eine solche Funktion inne hat, dem rate ich, sich folgende Frage zu stellen: Lässt sich meine Performance wirklich auf Franken und Rappen messen oder sind meine Zielvorgaben schwammig und ungenau?
Ist Letzteres der Fall, so ist davon auszugehen, dass dies über kurz oder lang auch einem findigen Erbsenzähler nicht verborgen bleiben wird. Das Tragische: Gerade jene, die sich wegen ihrer guten Kontakte unantastbar glauben, wähnen sich oft in einer trügerischen Sicherheit, wie Entlassungen von langjährigen Channel- Mitarbeitern mit hohen Zielgehältern eindrücklich gezeigt haben.


Es gilt darum in nächster Zeit die Ohren offen zu halten, vor der Realität nicht die Augen zu verschliessen und wenn nötig frühzeitig nach einer neuen Stelle Ausschau zu halten. Das mag unbequem sein. Doch ist dies immer noch besser, als plötzlich ohne Job dazustehen!

Darauf müssen Firmen und Mitarbeiter achten

  • Partner Account Manager an Umsatzvorgaben messen, die die Leistung jedes Channel Sales sichtbar machen. Das motiviert gute Mitarbeiter und entlarvt alle, die sich hinter Gemeinschaftsquoten verstecken wollen.

  • Aquisitions- und Abschlussstärke sind Qualifikationen, die nicht nur für Mitarbeiter im Direktvertrieb, sondern auch für Mitarbeiter im indirekten Vertrieb gelten müssen. Die Pflege von Kundenbeziehungen allein genügt heute nicht mehr.

  • Positionen, deren Mehrwert nicht in Franken und Rappen beziffert werden können, stehen aktuell auf dem Prüfstand. Partner Account-Manager, die keine klaren und individuell messbaren Zielgrössen vorgesetzt bekommen, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, ihre Stelle mittelfristig zu verlieren.

  • Das Nächste Mal

    Veränderungen machen Angst. Dies führt dazu, dass Mitarbeiter in der ­aktuellen Wirtschaftslage mit einem Job-Wechsel zuwarten, selbst wenn die eigene Position nicht gesichert ist. Erfahren Sie in der nächsten Ausgabe, wie man sich in der jetzigen unsiche­ren Arbeitsmarktlage als Arbeitnehmer verhalten soll.

    Der Author

    Markus Schefer (41) ist selbständiger Personal- und Unternehmensberater. Daneben ist der ausgebildete Primarlehrer Dozent für das Fach «Verkauf» an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Er verfügt über langjährige Vertriebs­erfahrung im In- und Ausland, unter anderem bei IBM und Reuters.
    www.scheferpersonal.ch
    markus@scheferpersonal.ch


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