Mehrkern-Rechnerhilfe per Grafikchip

Paralleles Rechnen gilt als eine der grössten Herausforderungen der Software-Entwicklung, um Mehrkern-Systeme auszunutzen. Grafikchips bieten sich an, um Rechenaufgaben zu erledigen. Eine Chance für Reseller?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/20

     

Der Grafikmarkt steht am Anfang einer neuen Entwicklung. «Die Grafikkarte ist kein reiner Pixelbeschleuniger mehr, von dessen Leistungsfähigkeit nur Spieler profitieren», sagt Jens Neuschäfer, Produkt-PR-Manager bei Nvidia. Der Grafikchip hat sich tatsächlich zu einem weiteren Prozessor im Rechner entwickelt, der Software zusammen mit dem Prozessor beschleunigt. Dies vorallem im Multimediabereich wie Bildverarbeitungs-, Videoschnitt- und Videotranskodierungs-Programme. Doch die Grenzen sind noch lange nicht erreicht.

«Bis jetzt ist der Multimedia-Bereich am besten abgedeckt. Viel Potential besteht aber noch in all den Bereichen, die den PC langsam machen und so die Produktivität des Nutzers behindern», so Neuschäfer. Das fange beim Betriebssystem an, das wie Windows 7 mehr und mehr die GPU-Leistung nutzen könne, und höre beim Viren scannen auf, das mit den gegenwärtig gängigen Programmen ein langwieriger Prozess sei. «Überall dort, wo Wartezeiten entstehen, kann die GPU helfen», sagt Neuschäfer. Neben Virenscannern könnte zum Beispiel auch Business-Intelligence genutzt werden.


GPUs bieten einen Weg, um paralelle Berechnungen (mehrere Aufgaben gleichzeitig) auszunutzen, die mit Mehrkern-Prozessoren von Intel wie dem 6-Kern-Dunnington, von AMDs 4-Kern-Shanghai oder von IBMs 8-Kern-Cell propagiert werden. Diese Server-Prozessoren sind allerdings viel teurer als Grafikkarten und werden in anderen Gebieten eingesetzt, als dass eine solche Variante als Alternative dienen könnte. Trotzdem: Wer nur Kundendaten auswerten möchte und dabei trotz grossen Datenmengen so kurze Wartezeiten wie möglich wünscht, wäre mit einer Rechnerkarte Marke Nvidia oder ATI gut bedient. Es mangelt nur noch an den Anwendungen. «Interessiert uns nicht», sagt Yann Neuhaus von Trivadis, dem marktführenden Schweizer Business-Intelligence-Softwarehaus. Eine Chance für klei­nere Entwickler in gängiger Programmiersprache (C/C++) bietet sich mit der Gratis-Entwicklungssoftware von Nvidia (Cuda SDK) oder der kos­tenpflichtigen Mehrkern-Entwicklungsplattform von Rapidmind. Sie sind verschieden aufgebaut: Cuda unterstützt Nvidia-GPUs, kann aber ohne grossen Aufwand auf diese und nächs­te Hardware-Generationen übergestülpt werden. Rapidmind unterstützt die meisten Mehrkern-Hardware-Plattformen ohne grossen Sonderaufwand, darunter ATI- und Nvidia-GPUs, aber auch CPUs wie Intel- und AMD-x86 und IBM Cell BE.

Doch wie können VARs dies unterstützen? «Dies ist noch keineswegs ins breite Bewusstsein getreten. Das bedeutet Aufklärungsarbeit für den Value Added Reseller, die neuen Möglichkeiten der GPUs aufzuzeigen. Dadurch erschliessen sich ihm aber neue und zusätzliche Umsatzpotentiale, da er mit qualitativ hochwertigen GPU-Lösungen auch Marktsegmente jenseits der Gamer-Community adressieren kann», sagt Neuschäfer. Die typischen Anwendungs­gebiete von Nvidia Cuda sieht er primär im wissenschaftlichen Umfeld und im Consumer-Bereich. «Bei allen Anwendungen, bei denen komplexe Berechnungen schnell durchgeführt werden müssen», so Neuschäfer.

Einsatz der Cuda-SDK für hochleistungs-Rechner

800 Stream-Prozessoren arbeiten in Grafikchips von ATI und 240 in jenen von Nvidia. Diejenigen von Nvidia (mit Einbussen auch von ATI) arbeiten schon in doppelter Genauigkeit, was für wissenschaftliche Berechnungen verlangt wird. Dies erlaubt massive parallele Berechnungen im Vergleich zu den schnellsten Server-Prozessoren im Markt. Heute sind laut Nvidia bereits über 100 Millionen Cuda-fähige Grafikprozessoren im Einsatz (die grosse Mehrheit davon jedoch als kaum nutzbare Onboard-Grafikchips). Tausende Software-Programmierer benutzen die kostenlosen Cuda-Softwaretools zur Beschleunigung unterschiedlichster Anwendungen. Beispiele sind im Consumer-Bereich Multimedia-Anwendungen wie Bildbearbeitung, Videoschnitt, Umformatierung von Audio-Dateien aber auch Virensoftware oder E-Mail-Verschlüsselungsprogramme. Im wissenschaftlichen Bereich werden Grafikprozessoren bei Simulationen und Messungen in der biomedizinischen und seismischen Forschung, in der Öl- und Gasförderung, bei der Computertomographie und bei der Wettervorhersage eingesetzt. Weitere Einsatzgebiete sind Produktdesign, etwa in der Autoindustrie, im Modedesign oder in der Risiko-Analyse im Finanzbereich.
(Marco Rohner)


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