Microsoft gerät immer wieder von neuem in die Schusslinie. Nicht nur zieht sich der Antimonopolprozess immer länger dahin und bringt mit jeder Zeugenaussage neue, unliebsame Schlagzeilen. Nun murren zusehends auch die Entwickler, weil die Auslieferung der dritten Betaversion des NT-Nachfolgers Windows 2000 ein weiteres Mal verzögert wurde und nach neuesten Ankündigungen frühestens Ende April erfolgen wird. Zwar versichern Firmenvertreter, das Endprodukt stehe im Herbst zur Verfügung, doch die Zweifel werden immer grösser. Laut einer Umfrage der Giga Information Group ist Microsoft mittlerweile das mit Abstand unglaubwürdigste Unternehmen in der Computerbranche. 59 Prozent der befragten Manager haben kein Vertrauen mehr in die Ankündigungen der Firma, während den Mitteilungen von SUN, Compaq,
HP und
Intel über 98 Prozent Glauben schenken.
Sollte sich die Auslieferung von Windows 2000 zu weit in die zweite Jahrehälfte hineinziehen, so befürchten manche Analysten, werden viele Unternehmen mit der Massenbestellung bis ins Jahr 2001 zuwarten, da die Budgets bereits von den Y2K-Anpassungen aufgefressen sein werden. Schon im letzten Jahr hatte die Gartner Group ihren Kunden geraten, bei der Implementation von Windows 2000 Vorsicht walten zu lassen. Nicht nur seien die neuen Funktionen sehr komplex und umfassten sehr viel zusätzlichen Code (rund 35 Mio Zeilen gegenüber 5 Mio bei NT 4.0), in diesem verflixten Jahr 1999 würden auch an vielen Orten zuviele Leute durch das Y2K-Problem absorbiert. Für die Implementation von Windows 2000 könnten daher, wie die Gartner Group befürchtet, die notwendigen Resourcen fehlen.
Und nun kommt auch noch die Consumer Federation of America – der amerikanische Konsumentenverband – und wirft Microsoft in einem Bericht vor, weltweit zehn Mrd. Dollar zuviel für ihre Software verlangt zu haben.
Mark Cooper, der Autor des Berichts und Forschungsdirektor des Verbands erklärt, in der Zeit von 1996 bis 1998 sei Microsofts Gewinn im Schnitt um 25 bis 35% pro Jahr gestiegen, während die Profite der Softwarebranche insgesamt um nur gerade 6% zulegten. In konkreten Zahlen heisse dies, dass Microsoft pro Computersystem für ihre Software 35 bis 45 Dollar «zuviel» verlange. Der Bericht bezieht sich dabei auf Zahlen aus dem Antimonopol-Prozess gegen
Microsoft.
Natürlich wies Microsoft die Vorwürfe umgehend zurück. Der typische Preis von Windows 98 von 88 Dollar sei gleich hoch oder sogar tiefer als derjenige vergleichbarer Software.
Das hindert den Verband jedoch, wie Cooper erklärte, nicht daran, rechtliche Schritte zu erwägen. Sollte das Gericht im Antimonopol-Prozess befinden, Microsoft habe ihre Monopolmacht missbraucht, sei eine Sammelklage auf Rückerstattung der zuviel bezahlten Preise durchaus denkbar. (dr/fis)