Der ewige Kampf um den Preis

Als Assemblierer zu überleben, ist nicht einfacher geworden. Der Druck der grossen PC-Hersteller hat weiter zugenommen. Die Assemblierer geben sich nicht geschlagen, ihre Erfolgsrezepte sind vielfältiger geworden.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/13

     

Wir schreiben das Jahr 2005 nach Christus, der ganze PC-Markt wird von multinationalen Herstellern beherrscht. Der ganze PC-Markt? Nein! Ein unbeugsamer Trupp lokaler Assemblierer hört nicht auf, Dell & Co. die Stirn zu bieten. Sie schrauben die Systeme selber zusammen und verdienen damit genug Geld, um mehr oder weniger erfolgreich über die Runden zu kommen. Wer heute in der PC-Assemblierung tätig ist, lässt sich tatsächlich auf ein Abenteuer ein, das dem Vergleich mit den Abenteuern von Asterix und Obelix in Sachen Spannung und Herausforderungen spielend standhält.
Nicht nur die brutale Konkurrenzsituation setzt die Assemblierer unter Druck. Hinzu kommt, dass der PC-Markt seine besten Zeiten hinter sich hat. Zwar geht es seit dem geschichtsträchtigen Einbruch im Jahr 2001 wieder aufwärts. Nach einem Stückzahlenwachstum im weltweiten Markt von 12 Prozent im Jahr 2003 und 15,2 Prozent 2004 sollen heuer 11,4 Prozent erreicht werden und im nächsten Jahr 9 Prozent, wie die Marktforschungsfirma IDC voraussagt. Aufgrund des anhaltenden Preiszerfalls und des bis anhin schwachen Dollars ist es jedoch um die Umsätze nicht gut bestellt. Wenigstens beim Dollar hat sich die Lage etwas entspannt. «Wer zum richtigen Zeitpunkt eingekauft hat, kann jetzt profitieren», sagt Theo Zulauf, Geschäftsführer von Wyscha Computer.
Die schwierigen Voraussetzungen in diesem Geschäft spiegeln sich auch in der Umfrage wider, die IT Reseller unter Schweizer Assemblierern durchgeführt hat. 40 Prozent der Teilnehmer rechnen mit einem moderaten Umsatzwachstum zwischen 1 bis 5 Prozent. Mit einem Umsatzrückgang rechnen 25 Prozent der Teilnehmer.
Wie die weitere Zukunft aussehen wird, bleibt abzuwarten. Gartner ist der Meinung, dass sich der Ersatzzyklus in den Firmen, der sich über die letzten zwei Jahre erstreckt hat, dem Ende entgegenneigt. Dafür werden im Consumer-Umfeld mehr Ersatzkäufe erwartet, die im nächsten Jahr aber ebenfalls wieder abflauen werden.

Keine Chance beim Preis

Unter all diesen Voraussetzungen nimmt der Druck auf die Assemblierer durch die grossen Hersteller, die A-Brands wie Dell, Fujitsu Siemens oder HP, weiter zu. «Wir stellen fest, dass Dell und HP mit extremen Offerten in die Projekte gehen. Als Assemblierer hat man kaum Möglichkeiten, ein gleichwertiges Angebot zu unterbreiten», sagt Thomas Maurer, der bei Rotronic für den Verkauf zuständig ist. Ähnlich äussert sich Marketing-Mann Reto Polla von Cositron: «HP will Dell Paroli bieten. Darunter leiden die lokalen Assemblierer. Denn die grossen drängen immer mehr auch in mittelgrosse Projekte.» Die Situation verschärfe sich zusätzlich, weil im PC-Markt die Verschiebung von Desktops hin zu mobilen Systemen unvermittelt stattfinde. In diesem Bereich sei es für die Assemblierer noch schwieriger, gegen die grossen Namen anzutreten, da hier beim Kunden das Markenbewusstsein mehr spiele als bei Desktop-PCs, so Polla. Er glaubt deshalb, dass die Assemblierer weiter Marktanteile an die grossen Hersteller verlieren werden. Im Consumer-Bereich kommen noch andere Faktoren hinzu: «Die IT-Fachhändler kämpfen oft gegen beinahe unglaubliche Angebote von Retailern und klassischen UE-Anbietern, da viele Hersteller diese zurzeit noch mit besseren Konditionen vor den tiefmargigen Online-Anbietern schützen wollen oder müssen», sagt Theo Zulauf von Wyscha.

Qualität als Nische

Stellt sich also die Frage, wo für die Assemblierer die Pfründe liegen. Fokussieren lautet das Mantra des Assemblierers. Er muss die lukrative Nische suchen und dort seine Vorteile gegenüber den A-Brands ausspielen. Die Vorteile liegen nicht im Preis – dafür sind die Stückzahlen, die der Assemblierer ausstösst, zu klein und die Fixkosten, die er zu tragen hat, zu hoch.
Die Vorteile des Assemblierers liegen in seiner Wendigkeit, in der Nähe zum Kunden und in der Qualität – bei den Produkten und den Komponenten selbst sowie bei den dazugehörigen Serviceleistungen. Die Qualität ist denn auch gemäss der IT Reseller-Umfrage das wichtigste Argument, um bei einem Kunden landen zu können (siehe Grafik). Die Qualität ist aber auch ein Grund, weshalb Parallelimporte oder der Graumarkt für die Assemblierer kein Thema sind. «Wir gehen nicht das Risiko ein, dass wir bei Garantiefällen am Schluss noch drauflegen müssen», sagt zum Beispiel Stephan Amsler, der beim Assemblierer Micro Control für Marketing und Verkauf zuständig ist. Die unkomplizierte Garantieleistung gegenüber dem Kunden ist letztlich auch ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber den A-Brands. Reto Polla von Cositron: «Viele Kunden haben die Nase voll von den grossen Herstellern, weil die bei Fehlern nicht so kulant und flexibel vorgehen wie wir.»

Ideenreichtum

Noch mehr als früher sind die Assemblierer daran, lukrative Nischen zu suchen. Ideen gibt es viele. Bei Rotronic heisst das Stichwort Blade-Server. Hier stelle man sehr viel Interesse seitens der Kunden fest, sagt Thomas Maurer. «Wir müssen noch mehr in die Nische hinein», lautet das Credo bei Rotronic. Zudem setzt die Firma auch auf Partnerschaften mit Anbietern von vertikalen Lösungen etwa für die Hotellerie oder die Baubranche, wobei die Vorinstallation der Software als Service ebenfalls angeboten wird.
Stephan Amsler von Micro Control spricht ebenfalls von vertikalen Märkten wie etwa lohnenswerten Projekten für Schulen. Hier habe sich Micro Control einen Namen machen können. Grundsätzlich stellt Amsler – wie die meisten der befragten Assemblierer übrigens auch – eine anziehende Nachfrage bei Serversystemen fest. «Man sucht nach Produkten neben den Desktop-PCs und Notebooks, bei denen man noch ein paar Prozente mehr Marge machen kann», so Amsler.
Cositron hat die höheren Margen bei geräuscharmen Systemen entdeckt. Man suche den besten Kompromiss zwischen Ergonomie und Leistung, erklärt Reto Polla. In diesen Bereich investiert Cositron gegenwärtig viel, um Komponenten zu testen und Systeme auszutüfteln, die dieser Strategie gerecht werden. Hier seien je nach Projekt und Vertriebskanal schliesslich Margen zwischen 19 und 30 Prozent möglich, sagt Polla. Cositron hat zudem durch die kürzlich vereinbarte Exklusiv-Distribution mit Tandberg die Server-Assemblierung mit Storage-Lösungen flankiert. Davon verspricht man sich Synergien.

Die gute Stube lockt

Das Stichwort Media Centers beflügelt zurzeit die Phantasie der Assemblierer am meisten. Von diesen Geräten, die in der guten Stube die Konvergenz zwischen Informatik und Unterhaltungselektronik verwirklichen, versprechen sich die Systembauer viel. Während die einen schon eingestiegen sind und eine Palette von Geräten anbieten (vgl. Artikel Seite 36), warten andere ab und verfolgen zuerst einmal, wie das Geschäft anläuft. Sowohl von Cositron wie auch von Micro Control und Rotronic ist zu hören, dass man dabei sei, solche Systeme zu entwickeln. Einzig Wyscha betätigt sich hier nicht als Assemblierer, sondern vertreibt die Geräte von Reycom.
Gerade bei den Media Centers können die Assemblierer ihre Vorteile ausspielen. Sie erleben, wie der Kunde auf die Produkte reagiert und können seine Bedürfnisse berücksichtigen. Zudem spielen hier Faktoren wie die Qualität der Komponenten und der Verarbeitung, aber auch das Design eine grosse Rolle. Allerdings wird auch diese Produktgattung mit der Zeit reifer und deshalb standardisierter werden, was den A-Brands die Möglichkeit eröffnet, einzusteigen und die Preisspirale in Bewegung zu setzen. Bis dann werden die Assemblierer aber sicher wieder eine neue Nische entdeckt haben. Die nächste Episode im grossen Abenteuer. (map)


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