Integration als Muss auch für die Kleinen

Für die Schweizer Systemintegratoren sind EAI-Projekte ein gutes Geschäft. Die Anforderungen an sie sind allerdings deutlich gestiegen, weil immer mehr Prozess-Know-how verlangt wird.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/13

     

Die Integration von Anwendungen durch verschiedene Geschäftseinheiten und über die Betriebsgrenzen hinweg ist auch für Schweizer Systemintegratoren ein zentrales Thema: «Neben der technologischen Innovation werden heute viel weitreichendere Anforderungen an den Integrator gestellt», sagt Pavel Stacho (Bild), Projektmanager und Senior Consultant beim Berner Integrator Sybor. Früher sei es lediglich um die Umsetzung von Schnittstellen gegangen, heute heisse das Schlagwort Geschäftsprozessintegration. Diese Entwicklung bedingt, dass Integratoren neben technischem Know-how auch vertiefte Kenntnisse von Geschäftsvorfällen und –abläufen mitbringen müssen. «Weil die Applikations-Schnittstellen zunehmend standardisiert werden, ist Know-how auf der Ebene der Geschäftsprozesse gefragt», bestätigt auch Marcel Richard, Geschäftsleitungsmitglied von Cirrus Consulting in Zürich.

Integration brauchen alle Unternehmen

EAI-Projekte sind aufwendig – und einiges kann dabei auch schiefgehen: «Oft ist die Schnittstellenproblematik einer der Gründe für ein EAI-Projekt. Man muss dann aber aufpassen, nicht die gleichen Fehler wie bei einer Punkt-zu-Punkt-Integration zu machen. Die aus den Geschäftsprozessen abzuleitende Systemarchitektur ist entscheidend für den Erfolg. Doch wenn wir in laufende EAI-Projekte hineinschauen, finden wir oft IT-getriebene Prozesse vor», erklärt Frank Hüther, Consulting Manager beim Münchner Ableger des St. Galler Beratungsunternehmens IMG.
Die Gründe, die zu einem EAI-Projekt führen, sind verschieden: «Gewisse Kräfte müssen wirken, damit EAI-Projekte zustande kommen. Das kann beispielsweise die Auflage eines Grossunternehmens an seine Zulieferer sein, den Datenverkehr zu standardisieren», sagt Roberto Ceriani, Solution Program Manger bei HP Services Schweiz. Eine typische Grösse für Unternehmen, die sich EAI leisten, gibt es nicht: «EAI ist keine Frage der Grösse eines Unternehmens, sondern eine Frage der Komplexität von Prozessen und der Heterogenität der IT-Landschaft», bemerkt Heinz Jucker, Associate Partner für EAI bei IBM Business Consulting Services. Oder – wie es Frank Hüther von IMG auf den Punkt bringt: «EAI ist ein Muss für alle grösseren Firmen, die auf Dauer am Markt bestehen und ihre Umsätze steigern möchten.»

Grosse Anbieter sind stark im Kommen

Genauso wie EAI selber hat sich auch die Herstellerlandschaft in den letzten Jahren verändert: «Rund 80 Prozent der notwendigen Integrations-Services werden heute von den Anbietern von Applikationsservern und Portalprodukten out-of-the-box angeboten», sagt Andy Feitknecht, Geschäftsleiter Technology Solutions bei Accenture Schweiz. Die ehemals dominanten, reinen EAI-Player wie Tibco, Webmethods oder Seebeyond werden deshalb vermehrt zu Lieferanten einzelner EAI-Dienstkomponenten. Die Zukunft gehört den grossen Anbietern von Infrastruktur-Software:
«Nischenanbieter wird es immer geben, aber eine Konsolidierung ist unumgänglich», sagt Hüther von IMG.
Das hat seine Gründe nicht zuletzt in der veränderten Nachfrage auf der Kundenseite: Neben der Einführung von einzelnen, taktischen Integrationskomponenten (wie etwa Portalen) steigt nämlich das Interesse an Projekten mit einer höheren Integrationstiefe: «Seit Anfang 2004 hat das Interesse der Kunden an der Umsetzung strategischer Integrations-Infrastruktur-Plattformen stark zugenommen. Dagegen hat sich aus unserer Sicht die Nachfrage nach taktischer EAI anhand einzelner Dienstkomponenten eher verringert», sagt Stacho von Sybor. Auf dem Schweizer Markt seien als Komplettanbieter vor allem IBM mit Websphere, Bea Systems, Oracle und je länger je mehr auch SAP mit Netweaver präsent, so Stacho weiter.

Schwierige Wahl der «EAI-Nabe»

Der Entscheid für ein Produkt oder einen Hersteller falle vielen Unternehmen alles andere als leicht: «Wählt man ein Produkt, welches nur dem Zweck der Integration dient aber sonst nicht im Unternehmen eingesetzt wird, stösst man zwar kaum auf interne Opposition, doch bildet sich ein zusätzlicher Layer an Komplexität. Setzt man dagegen auf einen Hersteller, der grosse Teile der Unternehmens-IT abdeckt, so kann man mit im Unternehmen bereits etablierter Technologie sowie vorhandenem Know-how operieren. Allerdings besteht dann eine Art Klumpenrisiko, weil ein einziger Hersteller eine zu bedeutende Rolle übernehmen könnte», erklärt Stacho.
In diesem Punkt liegt denn auch zugleich die grösste Chance und das grösste Risko der Infrastruktur-Anbieter wie Microsoft und SAP: Mit technologisch hochstehenden Integrations-Lösungen wie dem Biztalk Server und Netweaver sowie einer grossen Verbreitung ihrer Software-Produkte können diese Firmen den EAI-Markt gehörig aufmischen. Doch bei allen Out-of-the-Box-Versprechen darf die hohe Komplexität von Integrationsprojekten nicht vergessen gehen: «SAP Exchange Infrastructure ist sicher kompetent für jemanden, der schon SAP im Haus hat. Doch EAI als Datendrehscheibe besteht immer aus einer geschlossenen Welt und einer offenen Welt – und genau im Zugang zu letzterer liegen dann die grossen Schwierigkeiten», erklärt Ceriani von HP Services.

Hoher Nutzen bei gelungenen Projekten

st ein Projekt aber einmal geglückt, dann lassen sich die Erfolgsmeldungen durchaus sehen: Ganze 200 Schnittstellen zu Drittsystemen will der Hilti-Zulieferer SFS Services aus Heerbrugg mit SAP XI standardisiert oder abgelöst haben. Die Berner Sybor arbeitet laut Stacho daran, bei einem Grosskunden eine selbst entwickelte Schnittstellen-Managementlösung durch eine strategische EAI-Plattform zu ersetzen. Und HP Services hat Projekte bei Kunden wie ABB, Also ABC, Derendinger und Coca Cola gemeistert. Häufige Folgeanwendungen geglückter EAI-Projekte sind Business Intelligence oder ein tiefgreifendes Business Process Management. Manchmal dient der Integrationsaufwand aber letztlich auch nur dazu, eine Anwendung oder einen Prozess so schnell wie möglich wieder loszuwerden: «Nur wer zuerst sauber integriert hat, ist dadurch bereit, auch einfach desintegrieren – sprich outsourcen – zu können», bemerkt Feitknecht von Accenture. (bor)


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