'Ich will mit einigen ausgewählten Partnern planen'
Quelle: Sunrise

"Ich will mit einigen ausgewählten Partnern planen"

Sunrise baut sein B2B-Portfolio im ICT-Bereich über Tech-Partnerschaften weiter aus, will mit ­Unternehmenskunden deutlich wachsen. Davon profitieren sollen aber vor allem ausgewählte Partner, "IT-Big-Player", wie Chief Business Officer Robert Redeleanu im Interview erklärt.
18. April 2024

     

"Swiss IT Reseller": Herr Redeleanu, können Sie kurz zusammenfassen, wie sich das B2B-Geschäft von Sunrise in den letzten Jahren entwickelt hat?

Robert Redeleanu: Wir sind in den letzten Jahren im B2B-Bereich konstant gewachsen und sehen weiterhin ein grosses Wachstumspotenzial. Seitdem ich an Bord bin, arbeite ich daran, das B2B-Wachstum zu beschleunigen, weil unser Marktanteil im klassischen Connectivity-Geschäft noch nicht dort ist, wo er eigentlich sein sollte. Ich glaube, wir haben hier viel mehr Potenzial, insbesondere durch die Erweiterung unseres Produkt- und Services-Portfolios. Wir haben uns bisher aber vor allem in den klassischen Telco-­Segmenten Mobile und Connectivity bewegt, mit einem geringeren Fokus auf dem ICT-Markt. Dabei ist dieser zirka zehnmal so gross wie der Telco-Markt.

Bietet der klassische Telco-Bereich also kein Wachstums­potenzial?



Es gibt mehrere Herausforderungen im Telco-Bereich. Die Preise sind gesunken, während der Service-Umfang gewachsen ist, beispielsweise mit unlimitiertem Datenvolumen im Mobile-Bereich und höheren Bandbreiten im Festnetz-Internet. Der Preiskampf im Telco-Bereich ist zudem sehr ausgeprägt. Doch obwohl der klassische Telco-Markt stagniert, haben wir als Herausforderin auch hier noch gute Wachstumsmöglichkeiten. Im viel grösseren ICT-Markt sehen wir jedoch eine stärkere Entwicklung und deutlich mehr Potenzial. Noch ist unser Umsatzanteil in diesem Bereich sehr klein, aber wir sind auf dem Weg vom Telco zum Techco. Es ist eine Transformation, die auch für andere Telcos sehr schwierig ist.

In welchen Produktsegmenten sehen Sie denn das grösste Potenzial für Sunrise? Im Zuge der kürzlich angekündigten Partnerschaften mit AWS und Accenture sind Sie unter anderem weiter in die Bereiche Cloud-Services und Managed Security Services vorgestossen.

Wir sind diese Entwicklung strategisch angegangen, haben uns potenzielle Marktsegmente angeschaut und entschieden, dass wir uns auf den Mittelstand konzentrieren. Zum Teil, weil hier der Kern unserer DNA liegt. Zum Teil, weil wir hier eine entscheidende Chance sehen, Unternehmen bei ihrer Digitalisierung zu unterstützen. Denn nur ein kleiner Teil befindet sich heute bereits in der Cloud. Und nur ein kleiner Teil nutzt professionelle Cybersecurity-Services. Gleichzeitig muss ein Grossteil des Marktes in den nächsten drei bis fünf Jahren diese Schritte gehen, vor allem hin zu SaaS-Angeboten. Wir haben also im ersten Schritt das Marktsegment definiert, in dem wir aktiv sein wollen. Anschliessend haben wir die Arten an Services bestimmt, die wir anbieten wollen. Und unterdessen sind wir bereits sehr fleissig gewesen, zusammen mit Partnern verschiedene Services auf den Markt zu bringen. Unter anderem einen MDR-Service mit Accenture, eine Connectivity-plus-Cloud-Partnerschaft mit AWS. Weitere Angebote mit Partnern wie unter anderem Microsoft werden folgen. Unsere Strategie zum Erbringen von ICT-Angeboten ist klar kundenzentriert, während die Entwicklung der Produkte partnerzentriert erfolgt. Das unterscheidet uns von vielen Wettbewerbern. Wir wollen nicht alle Bausteine der Produkte und Services intern entwickeln, sondern jeweils mit den relevantesten Playern des Marktes zusammenarbeiten. Mit Accenture im Security-, AWS im Cloud-, Microsoft im Unified-Communication-Bereich, aber auch mit Cisco und weiteren.

Warum diese Partnerschaften? Warum wollen Sie die Services nicht selbst hosten beziehungsweise bereitstellen?

Ich denke, weil es effektiver ist, auf die starke Stellung und die Fähigkeiten der Partner zu setzen. Hinzu kommt, dass wir andere Telcos gesehen haben, die versucht haben, diese Services inhouse aufzubauen und damit nicht besonders erfolgreich waren. Es ist schwieriger also Telco, die Ressourcen aufzubringen, um diese Lösungen kontinuierlich zu entwickeln, upzudaten und sie upzugraden, als sich auf einen Partner zu verlassen, der das bereits als Kerngeschäft betreibt.
Sehen Sie denn bereits die Nachfrage nach diesen Services seitens Ihrer KMU-Kunden? Oder müssen Sie das Angebot noch aktiv pushen?

Die Transformation ist nicht einfach. Es ist eine Sache, die Services zu lancieren, eine andere, sie zu skalieren. Es ist ein gewaltiger Aufwand, nicht nur aus IT-Perspektive. Man muss das Angebot verstehen, die Bereitstellung, die Integration und so weiter. Es ist in vielen Belangen ein anderes Geschäft als das klassische Telco-Business und erfordert eine Vielzahl an Partnern. Unsere Markterhebungen zeigen aber klar, dass Sunrise mit ihren ICT-Dienstleistungen ein willkommener One-Stop-Shop für KMU ist. Wenn wir beispielsweise über das Cloud-Angebot mit AWS sprechen, werden wir mit einigen starken lokalen Distributoren und Systemintegratoren zusammenarbeiten. Wir sind mit den Marktaktivitäten erst gestartet und haben einen vielversprechenden Verkaufsprozess etabliert.


Haben Sie diese Partner bereits oder suchen Sie für diese Aufgabe nach neuen Partnern?

Wir haben heute mehr als 80 ICT-Partner und es ist unser Ziel, diese an Bord zu holen.

Wird Ihr Partnerkanal wachsen?

Der Partnerkanal ist für uns von grösster Bedeutung, um unsere Strategie in den nächsten Jahren umzusetzen. Wir sprechen von Partnerschaften mit Technologieanbietern wie AWS, Accenture, Google, Microsoft und so weiter. Im indirekten Vertriebskanal gibt es wiederum IT-Anbieter mit einer bestehenden signifikanten Kundenbasis, mit denen wir zusammenarbeiten möchten, um unsere Lösungen in den Markt zu bringen. Dann gibt es aber auch viele ICT-Partner, die sich um Bereitstellung, Integration und den Support kümmern. Hier wollen wir uns stärker fokussieren, um strategische Partner zu finden, mit denen wir eine tiefere Integration erzielen können als es heute der Fall ist.

Was sind das genau für Partner?

Vor allem grössere IT-Player, welche die Fähigkeiten haben, diese Lösungen bei Endkunden zu integrieren.

Was bedeutet das also für Ihren Partnerkanal?

Bisher haben wir mit unseren Partnern auf eine sehr opportunistische Art und Weise zusammengearbeitet. Wir gehen das heute stärker mit einer strategischeren Perspektive an und werden unsere Strategie bald vorstellen. Sicher, es gibt Partner, die unsere Services als Reseller vertreiben. Sie spielen eine wichtige Rolle und wir werden versuchen, diese Partnerschaften auszubauen. Es gibt zudem Partner, die unsere Services beziehen, um sie um eigene Dienste zu erweitern. Auch dafür sind wir offen und werden es ihnen so einfach wie möglich gestalten, Geschäfte mit uns zu machen. Aber zusätzlich liegt der Fokus künftig auf strategischen Partnerschaften mit zentralen ICT-Anbietern im Markt. Ich kann noch nicht sagen, wie viele es sein werden. Fünf, zehn, zwanzig – das hängt davon ab, wie viel Potenzial wir künftig sehen werden. Für diese Partner geht es nicht nur darum, ein Vertriebskanal im Markt zu sein, sondern darum, Geld mit ihrem Mehrwert zu verdienen, den sie in den Prozess mit Integration, Bereitstellung, Design, Customer Management und Support einbringen. Wir werden keinen Partner zurückweisen, aber wir müssen sie künftig anders adressieren und managen, je nachdem, welche Rolle sie für uns spielen. Man kann keine gemeinsame Geschäftsplanung mit 300 und mehr Partnern erstellen. Ich will stattdessen mit einigen ausgewählten Partnern planen, mit denen wir Ziele, Vision und Strategie sowie eine langfristige Partnerschaftsperspektive teilen.

Um präzise zu sein: Wird die Zahl der Partner also künftig reduziert?

Nein, das habe ich nicht gesagt. Was ich meine ist, dass die genaue Zahl keine Rolle spielt. Ich bin offen für jeden Partner, der bei uns Produkte beziehen möchte. Aber unser strategischer Fokus wird darauf liegen, die Zusammenarbeit mit einigen wenigen ausgewählten Partnern auszubauen. Gleichzeitig wollen wir es für die vielen anderen Partner einfacher gestalten, Geschäft mit uns zu machen.

Wird das B2B-Geschäft in Zukunft also ausschliesslich indirekt gemacht?

Nein, nicht ausschliesslich. Wir haben auch unseren Direktvertrieb, der sehr erfolgreich damit ist, unsere Mobile- und Festnetz-Angebote in alle Segmente zu verkaufen. Diesen Hebel wollen wir nutzen. Der indirekte Vertriebskanal wird aber künftig eine viel grössere Rolle spielen.
Gib es eine klare Trennung zwischen indirekt und direkt adressierten Kunden?

Unsere Herangehensweise ist, dass wir den Mehrwert unserer Services für die Kunden maximieren wollen. Gleichzeitig wollen wir unsere Partnerschaften respektieren in Hinblick auf die jeweilige Kundenbeziehung. Daher müssen wir ganz klar definieren, wo wir stehen. Was ich damit meine: Manchmal wird angenommen, dass der Kunde eines Partners nicht von Sunrise kontaktiert werden darf. Wir müssen aber etwas unkonventioneller vorgehen. Denn viele unserer Partner sind beispielsweise nicht an Mobile Services interessiert. Andere sind wiederum nicht an Festnetzdiensten interessiert, weil sie nur Mobile-Produkte vertreiben. Am Ende geht es aber darum, grössten Mehrwert für den Kunden zu erzielen.


In welchen Bereichen sehen Sie also den grössten Bedarf für Partnerschaften?

Vor allem im unteren Bereich des mittelständischen Marktes. Bei Unternehmen, die keine gut aufgestellte eigene IT haben und die IT daher in die Hände von Partnern legen.

Können Sie für den Business-Bereich Zahlen für Ihren aktuellen Marktanteil und Ihre Wachstumsziele nennen?

Sagen wir es so, wir haben noch keinen angemessenen Anteil im Vergleich zu unserem aktuellen Marktanteil im Consumer-Bereich. Im Business-Umfeld haben wir hier noch einen längeren Weg vor uns. Dabei spreche ich aber von Value-Marktanteil. Denn in einigen Segmenten machen wir bereits Geschäfte mit 50 Prozent der möglichen Kunden und mehr. Der Value-Anteil ist aber noch nicht da, wo er sein sollte – mein Ziel ist es, in den kommenden Jahren 30 bis 40 Prozent des gesamten B2B-Umsatzes mit den ICT-Services zu erzielen und ich bin überzeugt, dass wir unser Ziel erreichen werden. Alleine in diesem Jahr werden wir bereits eine Verdopplung der ICT-Umsätze im B2B-Bereich sehen.

Ist Sunrise schon heute ein Full-Service-ICT-Provider?

Ja, das ist unser Anspruch als Digitalpartner der mittelständischen Unternehmen und wir werden von über 75 Prozent der Unternehmen auch so wahrgenommen. Dabei bieten wir ihnen ein vollständiges Portfolio an Services von Connectivity und Mobile Services bis hin zu massgeschneiderten Services im Bereich IaaS, PaaS und SaaS und Cybersecurity.

Gibt es in diesem Spektrum Produkt­bereiche, die Sie noch nicht abdecken?

Wir stehen am Anfang der Reise. Beispielsweise ist IT-Security ein weites Feld und wir werden in Zukunft sicherlich weitere Services ergänzen. Das gleiche gilt für Cloud. Aktuell vertreiben wir grundlegende Cloudservices und ergänzen sie mit Speicher-, Backup- und Security-Lösungen sowie verschiedenen Applikationen. Wir haben auch AI im Blick. Die Frage ist hier, wie wir Unternehmen helfen können, AI einzusetzen. Hier braucht es Use Cases, es braucht praxiserprobte Mehrwerte in verschiedenen Industrien und dann kann man überlegen, wie man das Angebot mit Connectivity verknüpft. Denn Connectivity wird immer eine zentrale Rolle spielen.

Wird Konnektivität also auch künftig ein Schlüssel­element im B2B-Portfolio bleiben?

Absolut, das ist so und das wird auch so bleiben.

Sie haben bereits angesprochen, dass es sich auch für Sunrise in vielen Belangen um eine neue Art von Geschäft handelt. Ist Ihre Organisation darauf vorbereitet?

Es ist eine Herausforderung, ohne Frage. Daher sind Partnerschaften auch der richtige Weg, während wir uns gleichzeitig intern wandeln. Es ist eine weitreichende Transformation, die Kultur und das Mindset einschliesst, neue Fähigkeiten und Talente, eine neue Struktur und Ende-zu-Ende-Prozesse sowie einen neuen IT-Stack erfordert und gleichzeitig voraussetzt, dass man sich auf Partner verlässt. Aber ich habe keinen Zweifel, dass es die richtige Strategie ist. Es gibt keine Alternative dazu und man muss quasi beidhändig arbeiten. Auf der einen Seite das bestehende Geschäft ausbauen und sich behaupten, während man an anderer Stelle wie ein Start-up agiert, schnell und agil in einen neuen Markt vordringt.

Wie lange wird diese Transformation dauern?

(lacht) Sie wird niemals enden. Aber man muss natürlich einen bestimmten Punkt ansteuern, der auch den Erfolg der Transformation aufzeigt. Und das ist letztlich der Anteil des Umsatzes, den wir mit ICT-Services in der Zukunft generieren im Vergleich zu einem hohen einstelligen Anteil heute. Wenn also 30 bis 40 Prozent des Umsatzes in den kommenden fünf bis sieben Jahren von den neuen Lösungen kommen, können wir uns als erfolgreich bezeichnen. (sta)


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