Der Servermarkt wird durchgerüttelt

Im Servermarkt bleibt kein Stein auf dem anderen. Cisco Systems will bald Server verkaufen und aus der Gerüchteküche hört man, IBM wolle sich Sun Microsystems einverleiben. Beide Unternehmen dementieren das nicht.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/06

     

Gleich mehrere Bekanntgaben von Serverherstellern haben in den letzten Wochen in der IT-Branche Staub aufgewirbelt. Noch ist die Sicht zu unklar, um klare Prognosen stellen zu können. Aber einiges deutet darauf hin, dass es die Serverwelt von heute so morgen nicht mehr geben wird.
Einerseits will das «Wall Street Journal» wissen, dass sich IBM ernsthaft die Übernahme von Sun Microsystems überlegt. Weder IBM noch Sun wollten sich gegenüber dem zu diesem Gerücht äussern. Sun soll in den vergangenen Monaten aber eine Reihe von Unternehmen angefragt haben, ob sie an einer Übernahme interessiert wären.


Die erstaunlichste Mitteilung kam aber von einem Hersteller, der bisher nicht direkt im Servermarkt tätig ist, also bisher selber keine Server herstellte. Vor einigen Wochen ging das Gerücht um, Cisco Systems wolle «in den Servermarkt einsteigen». Nun ist es offiziell: Cisco hat unter dem Namen Unified Computing System (UCS) eine Kombination von Data-Center-Architektur, Serverhardware, Management-Software und Services angekündigt. Das Ziel: Die bisherigen «Silo»-Installationen im Rechenzentrum sollen im Rahmen von Ciscos «Data Center 3.0»-Strategie durch eine einheitliche Architektur auf Basis von Standardtechnologien abgelöst werden.

Die Cloud aus einer Hand

Laut Cisco-Verkaufschef Rob Lloyd soll so der Zugriff auf Rechenleistung und Speicher vereinfacht werden. Letzten Endes, so Lloyd, handle es sich dabei um eine Netzwerkangelegenheit. Storage kommt von EMC und Netapp, die Management-Software für Provisioning und Konfiguration liefert BMC. Das Ganze wird durch eine Virtualisierungsschicht abgelöst, die je nach Kundenwunsch von VMware oder Microsoft stammt. Dazu Tod Nielsen, Chief Operating Officer von Vmware: «Das neue Unified-Computing-System wird in Kombination mit unserer Virtualisierungstechnologie ermöglichen, diese Technologien zu einem skalierbaren Hochleistungsansatz mit cloudbasierter Architektur auszuweiten.»

Zahlreiche neue Partnerschaften

Für die individuelle Anpassung auf den jeweiligen Kunden ist Accenture zuständig. Die ersten UCS-Systeme werden im Verlauf des zweiten Quartals 2009 verfügbar sein. Im Zentrum der Lösung steht die Blade-Server-Plattform UCS-B Series, die mit Intels neuen Xeon-Prozessoren auf Nehalem-Basis arbeitet.

Wie Cisco-CTO Padmasree Warrior gegenüber dem «Wall Street Journal» sagte, will man nun mit HP konkurrieren. Cisco-CEO Chambers distanzierte sich jedoch von dieser Aussage. Bislang vermarkteten Cisco und HP gegenseitig Produkte, die die Unternehmen jeweils nicht selber im Angebot hatten. Bereits im August 2006 übernahm Cisco einen Mehrheitsanteil an Nuova Systems. Cisco-CEO Chambers gab vor fünf Jahren die Entwicklung von Blade-Servern in Auftrag. Laut dem «Wall Street Journal» wurden 2007 erste solche Blades bei Kunden getestet. HP wurde darüber allerdings nicht informiert, die strategische Allianz lief weiter. Erst im Januar 2009 informierte Cisco erstmals öffentlich über seine Serverpläne unter dem Codenamen «California».

Der Channel wartet ab

Eine Umfrage von IT Reseller bei Schweizer IT-Händlern zu ihrer Meinung diesbezüglich führte zu keinen konkreten Antworten. Man will offenbar erst mal abwarten, wie die Angebote konkret aussehen, sowohl preislich als auch vertrieblich liegt noch einiges im Dunkeln. Man hoffe, Ende Juni konkrete Informationen sowie ein Testsystem hierzulande vorführen zu können, sagte Beat Schaufelberger, Director System Engineers bei Cisco Schweiz, gegenüber IT Reseller.


Erst dann dürfte auch klarer werden, ob sich Cisco mit der neuen Strategie in einen Channel-Konflikt manövriert. Will man, wie CEO Chambers ankündigte, tatsächlich alles - auch Wartung und Beratung - aus einer Hand bieten, könnten einige lukrative Geschäftsbereiche streitig gemacht werden.

Dezente Äusserungen der Konkurrenz

Etwas gesprächiger als der zurückhaltende Channel zeigen sich die Hersteller, wenn auch nicht alle. Dell zum Beispiel ging auf die Anfrage von IT Reseller schon gar nicht ein. IBM wollte nicht mehr sagen, als dass Cisco ein Partner im Netzwerkbereich sei. Etwas ausführlicher, wenn auch immer noch zurückhaltend, äussert sich HP mit einem von ganz oben abgesegneten Standard-Statement auf Englisch. Es lässt sich aber in etwa so zusammenfassen: Man habe mit Cisco eine lange Vergangenheit der Zusammenarbeit und plane, diese auch weiterzuführen. Die Produkte der Business Technology Optimization-(BTO-)Sparte sollen Ciscos Unified-Computing-System unterstützen, so wie man auch «andere drittparteiliche standardbasierte Server-Hersteller» unterstütze. Auch habe man eine Support-Vereinbarung für HPs Business Service Automation-Lösungen. Da Cisco zudem weiterhin HPs Netzwerk-­Automatisierungs-Produkte verkaufe, bleibe auch die Verpflichtung unverändert.

Man gibt sich in der Kritik also zurückhaltend und unterstreicht die gegenseitigen Abhängigkeiten und bestehenden Zusammenarbeiten. Ganz anders Sun Microsystems. Der Schweizer Managing Director Andreas Knöpfli zeigt sich gegenüber IT Reseller überrascht, dass sich Cisco «antizyklisch» verhalte: «Cisco will selbst entwickelte Chips einsetzen, welche mit dem proprietären VN-TAG-Protokoll arbeiten. Das bringt Kunden in eine Abhängigkeit.»


Das sei eigenartig und für Endkunden riskant. Zudem würden heute offene Standards die proprietären Sys­teme zunehmend aus dem Markt verdrängen. (Claudio De Boni)


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