«CHS war kein Fehleinkauf»

Nach langen Fusionswirren engagiert sich Actebis Bigboss Michael Urban nun persönlich in der Schweiz.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/21

     

IT Reseller traf sich mit Michael Urban (Bild), Gesamtleiter des Actebis-Konzerns und Jan Schulz, Leiter Actebis Schweiz.

IT Reseller: Haben Sie die Geduld mit Actebis Schweiz verloren?

Michael Urban: Nein, das kann man so nicht sagen. Wir sind in den meisten Ländern Europas erfolgreich, aber mit Actebis Schweiz waren wir besonders in einem Produktebereich nicht zufrieden. Wir haben mit der «alten» Actebis in Dietikon fast 100 Mio. Franken mit Komponenten umgesetzt. Dieses Geschäft haben wir praktisch verloren.
Im Gegensatz dazu haben wir in der französischen Schweiz eine sehr starke Position – dort sind wir klar die Nummer 1. Eine solche Position, zumindest Rang 2, wollen wir uns auch in der Deutschschweiz erobern. Im Bereich der A-Brands stehen wir bereits heute gut da.

ITR: Was werden Sie konkret verändern?

MU: Wir wollen in der deutschen Schweiz ähnlich gut werden wie in der Romandie. Dazu haben wir im A-Brand-Bereich die Produktepalette auf 12 Marken reduziert. Auch bei den Komponenten wollen wir auf die Top-Players wie Intel oder IBM-Festplattenfokussieren. Ausserdem werden wir uns stark auf die lokalen Assemblierer konzentrieren.
Wir fahren europaweit das sogenannte «A2O»-Programm. Damit unterstützen wir die Assemblierer mit für sie wichtigen Informationen. Ausserdem planen wir gemeinsame Kampagnen zusammen mit den Herstellern.
Zweitens wollen wir stärker auf den SMB (Small and Medium Business)-Bereich fokussieren. Für meinen Geschmack sind wir heute zu stark vom Corporate-Segment abhängig. Die Überlegung dahinter ist, dass bei den KMU die Kundenbindung viel stärker ist. In anderen Ländern haben wir Programme für
die SMB-Kundschaft, die wollen wir nun auch in der Schweiz aufsetzen.

ITR: Gibt es Personalabbau? Veränderungen beim Management?

MU: Wir haben ein gutes Management-Team unter der Geschäftsführung von Jan Patrick Schulz. Armin Müller leitet Actebis in der Deutschschweiz, Christophe Castaing in der Romandie. Auch Harald Niemand und Lukas Hofer bleiben an Bord und sind im Managementteam vertreten. Stellenabbau ist nicht vorgesehen.
ITR: Actebis hat dieses Jahr aber genau gegenteilig von sich reden gemacht. Man hat Kleinkunden nicht mehr bedient.

MU: Wir haben in dieser Frage sicher nicht optimal kommunziert.

Jan Schulz: In der Schweiz gibt es eigentlich nur etwa 1000 Reseller, wenn man die Filialen nicht mitrechnet. Davon machen 400 Reseller etwa 90 Prozent der Umsätze, die restlichen 600 etwa noch sieben Prozent. Als Disti bedienen wir aber 3000 Kunden.

MU: Der Trick ist, die richtigen Kunden zu finden.

ITR: Viele haben aber kritisiert, dass sie wegen schlechter Verfügbarkeit eben gar nicht mehr bei Actebis einkaufen können.
MU: Klar ist, dass wir besser werden müssen. In manchen Bereichen waren die Produkte tatsächlich nicht gut verfügbar. Deshalb haben wir auch die Zahl der Lieferanten reduziert. Im Bereich Komponenten und Storage (Harddisks) wird das Lager nun von Deutschland aus gemanaged. Physisch bleibt es aber in Dietikon und in Nyon.
ITR: Actebis hat im «Distri-Award» von IT Reseller gar nicht gut abgeschnitten. Was unternehmen Sie?
MU: Die Bedürfnisse der Reseller sind überall ähnlich: Es braucht gute Verfügbarkeit und einen guten Service. Es gibt zwei Arten, auf schlechte Werte bei Qualitätsmessungen zu reagieren. Man kann entweder sagen: «Die Dinge stehen nicht so schlimm.» Oder man entscheidet sich, etwas zu verändern. Tut man das erstere, so setzt ein schleichender Zerfall ein. Wir wollen in diesem Punkt wesentlich besser werden und qualitätsmässig in der Schweiz mindestens die Nr. 2 werden. Wir nehmen alle Studien, die uns zur Verfügung stehen, sehr ernst und sind offen, daraus Veränderungen einzuleiten.

ITR: Was unternehmen Sie konkret?

JS: Man kann die Service-Qualität nur steigern, wenn man in den gesamten Ablauf eine höhere Qualität hineinbringt. Deshalb arbeiten wir an verschiedenen Punkten. Wir arbeiten an der Erreichbarkeit, der Verfügbarkeit des Lagers, besseren Kreditlinien, etc.
MU: Wir werden gewisse Konzepte aus Nyon übernehmen. Die nötigen Ressourcen und Kompetenzen sollen auch in Littau zur Verfügung stehen. Ausserdem haben wir eine Matrix-Struktur eingeführt. Wir arbeiten mit vier Business-Units: PC / Peripherie, Software/Netzwerk und Komponenten/Harddisks. Das Ziel ist ein besserer Zugang zum Kunden. Die Business-Units tragen direkt Verantwortung für die Kunden. SMB-Reseller werden vom Vertrieb, aber auch direkt aus den BU’s angesprochen.
ITR: Sie sprechen von einer Spitzenposition. Gilt dieses Ziel auch für den Marktanteil?
JS: Der Markt wächst 2002 sehr wahrscheinlich nicht. Also geht es darum, die Arbeit besser zu machen. Wir haben in der deutschen Schweiz Kunden verloren. Diese wollen wir nun zurückgewinnen und so Marktanteile gewinnen. Wir haben zum Beispiel in der Romandie gute Finanzierungslösungen für Grosskunden. Da gibt es interessante Möglichkeiten auch für die Deutschschweiz.

ITR: Wenn Sie zurückblicken: War CHS ein Fehleinkauf?

MU: Nein. Die Mannschaft der ehemaligen CHS ist gut und das A-Brand-Geschäft läuft gut. Wir werden das «CAP» (Channel Assembly Program) mit HP ausbauen. Ein gesunder Mix im HP-Geschäft wäre 60% der Umsätze mit «Top-Value»-Produkten, 30% mit CAP und 10% mit Standard-Geräten.
Der «Feind» des Channels ist heute Dell. Dell ist kein Partner, mit dem man mittelfristig arbeiten kann. Für Dell sind Deutschland und die Schweiz heute zentral. Ich schätze das Risiko für den Kanal sehr hoch ein. Doch der Channel hat einen Vorteil: Im Grosskunden-Business ist der Kunde immer nur «gemietet». Kein Grosskunde lässt sich langfristig binden. Im KMU-Segment ist das anders. Ein KMU setzt langfristig auf eine Marke.
Hardware-Verkäufe dienen dazu, Service zu verkaufen. Der Fachhändler ist die EDV-Abteilung eines KMU. Wenn Dell beim Kunden mit Hardware reinkommt, dann besteht die reelle Gefahr, dass der Händler diesen Kunden auch beim Service verliert.
ITR: Michael Kaack von Ingram sagte uns, er glaube nicht an das Überleben der mittelgrossen Broadliner. Teilen Sie diese Einschätzung?
MU: Die grossen Hersteller konsolidieren nun ihre Distributoren. Intel beispielsweise hatte vor zwei Jahren noch 250 Distis in Europa. Heute sind es noch neun! Man konzentriert sich auf die paneuropäisch oder weltweit operierenden Distis. Actebis macht in Europa neun Milliarden Mark Umsatz.
Ich denke, dass Herr Kaack mittelfristig Recht hat. Als kleinerer Disti kann man Achtungserfolge erzielen. Zum Beispiel mit geschicktem Brokering oder wie z.B. in Ländern wie Italien/Spanien mit Mehrwertsteuer-Betrug. Aber das funktioniert nur eine gewisse Zeit. Diese Distis haben eine Halbwertszeit von drei bis fünf Jahren. Wenn wir stärker werden, werden wir auch in der Schweiz Marktanteile zurückgewinnen. Und zwar direkt mit dem Händler. Subdistribution macht langfristig keinen Sinn.
(Interview: hc)


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