«PC-Händler müssen mehr Add-Ons verkaufen!»

Interview mit Robert Weiss, Autor des Weissbuch 99

Artikel erschienen in IT Reseller 1999/04

   

Noch scheint für die Wiederverkäufer alles in Butter, gemäss des aktuellen Weissbuch 99 (siehe ITR 3/99) wurden im letzten Jahr 80% der PCs über den Handelskanal abgesetzt. Robert Weiss warnt jedoch, dass derzeit ein drastisch verstärkter Trend zum Direktverkauf feststellbar sei. «Der PC-Handel muss sich auf das Mehrwert-Geschäft konzentrieren», sagt der Marktforscher. ITR hat ihn um seine Prognose zur Entwicklung des Handelskanals und des Direktverkaufs in diesem Jahr gebeten. (st)
ITR: Sie sprechen von einem starken Trend zu mehr Direktverkäufen. Wie begründen Sie diese Behauptung?
Weiss: Der aktuelle Hauptgrund liegt im bekannten Erfolg der Firma Dell mit dem PC-Verkauf über das Internet. Pro Tag setzt dieser Hersteller weltweit 14 Mio. US-Dollar um. Da können die anderen grossen Anbieter nicht so tun, als würde nichts geschehen.

ITR: Wer wird Ihrer Meinung nach in 1999 den Direktverkauf ankurbeln?

Weiss: Compaq (mit Start im März), Apple und IBM. Praktisch sind sie dazu gezwungen. Man wahrte zwar bisher eine gewisse Handelskanal-Treue. Grosse Stückzahlen wurden jedoch auch schon bisher im Projektgeschäft umgesetzt, und dies ist bereits Direktverkauf, auch wenn vielleicht noch ein Händler miteingeschaltet wird. Letzteres ist ja doch meist eine Alibiübung.
Vergessen wir dabei anderseits auch nicht, dass die meisten Händler bei grösseren Rahmenbestellungen mit Ablieferungen über einen gewissen Zeitraum Probleme (Lagerung bzw. Finanzierung) hätten, beispielsweise wenn eine Bedingung des Kunden lautet, dass sämtliche Maschinen mit den genau gleichen Bauteilen ausgerüstet sein müssen.
ITR: Wie gross schätzen Sie die Verschiebung zugunsten des Direktverkaufs im laufenden Jahr?
Weiss: Es ist keine rasche und dramatische Verschiebung zu erwarten. Der Schweizer geht nicht so schnell zum Kauf per Internet und Kreditkarte über wie z.B. die Leute in den USA. Er stellt sich seine Bestellung lieber am Bildschirm zusammen, druckt die gewünschte Konfiguration aus, geht zum Fachhändler und hält diesem den Zettel hin. Nach konservativer Schätzung dürfte deshalb die Veränderung in diesem Jahr 10 bis 12% betragen. Das wären aber immerhin schon 100'000 Maschinen im Wert von 35 bis 40 Millionen Franken, die nicht mehr über den Handelskanal gingen.
ITR: Wie kann der Handel diesen Umsatzverlust wettmachen? Zu was raten Sie den Fachhändlern?
Weiss: Er soll sich auf das fokussieren, was ihm Zusatznutzen bringt (Standardkonfigurationen laufen ohnehin immer stärker über den Direktverkauf). Gewisse Zielgruppenwechsel werden sich möglicherweise aufdrängen, der VAR muss auf KMUs «losgehen», Beratung, Support und Ausbildung bieten, Lösungen verkaufen, kleine Netzwerke installieren, sich um Kommunikation, Modems, Providerwahl usw. kümmern, kurz: stärker auf wirkliche Kundenbedürfnisse eingehen.

ITR: Wie sieht das Softwaregeschäft für den PC-Händler aus?

Weiss: Sprechen wir von den Tools. Die holt der Anwender immer häufiger direkt aus dem Netz. Die eigentlichen Renner im Handel sind jedoch nach wie vor die Games.

ITR: Welche Prognose geben Sie zur CH-Marktentwicklung 1999 ganz allgemein ab?


Weiss: Hier ist sie:
- Stückzahlen abgesetzte PCs: 1'012'000 = 7,7% Wachstum
- Mobile Systeme: Neue Clients, kleinere Formfaktoren, anhaltend hohes Wachstum wie Desktops, längere Batterielebensdauer
- Assemblierer: Geringeres Wachstum
- Built to Order: Hoher Stückzahlenanstieg, Einstieg der Grossen
- Top-10-Anbieter: Stückzahlengewinne, da hoher Ersatzbedarf infolge Jahr-2000-Problem, heikler Herbst (nach dem September geht nichts mehr)
- Home-Markt: Hohe Preissensibilisierung, geringes Wachstum
- Angebot: Uniformes Innenleben, reduzierte Herstellerinnovationen; Qualität, Support, Design und Marketing werden immer wichtiger
- Innovationen: Firewire, Bluetooth, digitale Flatscreens.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Aus welcher Stadt stammten die Bremer Stadtmusikanten?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER