Gewinner und Verlierer im Alpha-Deal

Im Zuge seiner Neuausrichtung zum Software- und Dienstleistungsanbieter verkauft Compaq seine Alpha-Prozessor Abteilung an Intel. Der Stein, den man da in den Teich geworfen hat, schlägt hohe Wellen.

Artikel erschienen in IT Reseller 2001/13

   

In guten Zeiten kann jeder Geld verdienen, in schlechten sind manchmal drastische Maßnahmen gefragt, um sich weiterzuentwickeln. Einen solchen Schritt hat Mike Capellas, CEO von Compaq, Ende letzten Monats getan. Innerhalb des nächsten halben Jahres sollen die Weichen für die Neuausrichtung von Compaq gestellt werden.
Bis 2005 soll das Ziel, je dreissig Prozent des Umsatzes mit Service, Beratung und Zugangshardware, sowie zehn Prozent mit Software zu erzielen, erreicht sein. Vorbild für den Wandel ist IBM. Dort hatte es Lou Gerstner geschafft, dem Anfang der Neunziger schwer angeschlagenen Konzern durch ein neues Konzept ordentliche Gewinne zu bescheren.
«Langfristige Perspektive»
Teil des Wandels ist der Verkauf der Alpha-Prozessorabteilung an Intel. Zukünftige High-End-Server von Compaq sollen den Itanium-Prozessor von Intel verwenden – die Alpha-CPU stirbt. Compaqs Zeitplan sieht vor, dass für die aktuelle Version des Alpha-Prozessors (EV6) noch die nächsten beiden Entwicklungsstufen auf den Markt gebracht werden und der Nachfolger EV7 dann die letzte eigene RISC-CPU (Reduced Instruction Set Computer) bildet.
Bis 2004/2005 sollen auch die eigenen Betriebssysteme OpenVMS, Tru64 Unix und Tandem NSC Unix auf die IA-64 Plattform portiert sein, so dass erste Systeme mit Intels McKinley oder dessen Nachfolger Madison auf den Markt kommen werden.
In der Europazentrale von Compaq sieht man zuversichtlich in die Zukunft. «Wir sind stets gefragt worden, wie lange wir die Alpha-Serie noch unterstützen und jetzt können wir unseren Kunden eine wirklich langfristige Perspektive bieten», erklärt Werner Köpf, Executive Chairman bei Compaq. «Die Resonanz auf unsere Ankündigung ist positiv. Es zeigt sich, dass das Betriebssystem für den Anwender wichtiger ist als die Hardware.»
Skepsis
Doch nicht alle Analysten teilen die optimistische Einschätzung von Compaq. Zunächst stellt sich die Frage, ob es gelingen wird, in Marktsegmenten, in denen man bisher eher schwach vertreten war, Fuss zu fassen. IBM benötigte für dieselbe Entwicklung gut das Doppelte der vier Jahre, die man sich bei Compaq zugestanden hat. Dabei hatte man die bessere Ausgangsposition und keinen übermächtigen Konkurrenten. Um erfolgreich zu sein, werden die Leute um Mike Capellas letztendlich bei IBM, Sun und HP wildern müssen.
Verlierer und Gewinner
Im Compaq/Intel-Deal wird HP zu den Verlierern gezählt. HP hat sich frühzeitig für Intel als Lieferant der 64-Bit-Prozessoren entschieden und eine behutsame Migration von den eigenen PA-RISC-CPUs zur IA-64-Familie eingeleitet. HPs Startvorteil kann man nach dem Alpha-Deal vergessen. Intels neuer Liebling heisst Compaq.
Mit der Übernahme der Alpha-Technologie und -Entwickler hat Intel nicht nur einen lästigen Konkurrenten aus dem Feld der 64-Bit-Architekturen ausgeschaltet, sondern zugleich das Vertrauen in die RISC-Architektur als Alternative zum eigenen VLIW-Design (Very Long Instruction Word) erschüttert. Als ernsthafte Mitbewerber hat Intel nur noch Sun mit der Ultrasparc Familie und IBM mit der Power-PC-Serie zu fürchten.
Dies obwohl «Chipzilla» («The Register») selbst noch gar keinen marktfähigen 64-Bit-Prozessor aufweisen kann. Nach jahrelangen Verzögerungen sind in diesem Sommer die ersten Testsamples des Itaniums an ausgewählte Kunden verteilt worden. Marktfähige Produkte wird es laut Intel erst mit dessen Nachfolger McKinley geben.
Machen die Ingenieure mit?
Doch auch auf dem PC- und Workstation-Markt wird man die Auswirkungen des Deals zu spüren bekommen. Eine der grössten Schwächen des Itanium war bisher seine unterdurchschnittliche Leistung bei 32-Bit Programmen. Hier machte AMD mit den Athlons und den auf der x86-Technologie basierenden Hammer-Prozessoren dem Marktführer das Leben schwer. In dem von Compaq erworbenen Bündel aus Technologie, Entwicklern, Patenten und Software, steckt auch einer der besten 32-Bit Compiler für 64-Bit Architekturen. Genau das, was dem Itanium fehlte.
Um die Vorteile des Alphas aber wirklich zu nutzen, muss Intel die Entwickler bei Compaq zu einem Firmenwechsel zu bewegen. Die Bedingungen hierfür sind jedoch nicht sehr gut. Der bis dato ausgetragene Wettstreit um die bessere Architektur lässt sich nicht so einfach vergessen und es häufen sich die Stimmen, die von einem Ausverkauf sprechen. Die Ingenieure fühlen sich verraten, was in so blumigen Absagen an Intel Ausdruck findet, wie: «Ich würde lieber in einer Burger-Bude arbeiten».
Und es mangelt nicht an Alternativangeboten. Sowohl IBM, als auch Sun haben ihre Headhunter losgeschickt, um die eigenen Entwicklungsabteilungen aufzustocken. Und auch AMD wird alles daran setzen, das Team, das leihweise bei der Entwicklung der Hammer-Serie geholfen hat, zum Bleiben zu bewegen.
Das alles zeichnet ein Bild mit sehr vielen Fragezeichen. Gewonnen hat mit Sicherheit Intel. Ob es Compaq gelingt, aus der nicht genannten Summe, die bei dem Deal geflossen ist, und der zu erwartenden Vorzugsbehandlung durch Intel Kapital zu schlagen, steht allerdings noch in den Sternen. (tm)
Compaq spricht
Es werde jetzt noch schwieriger oder sogar unmöglich, Compaqs Highend-Server zu verkaufen, meinte ein Alpha-Spezialist. Compaq-Sprecher Matthias Meier nimmt Stellung.

IT Reseller: Warum sollte jetzt noch jemand Alpha-Server beschaffen?

Matthias Meier: Momentan haben Alpha-Prozessoren noch grosse Vorteile gegenüber den heutigen Itanium-Prozessoren im Bereich Performance und Verfügbarkeit von 64-Bit Applikationen.
Die nächste Generation von Alpha, der EV7-Chip, wird wie angekündigt Ende nächsten Jahres verfügbar. Damit steht ein Wachstumspfad für die nächsten Jahre zur Verfügung. Erst ab 2004 werden Itanium Prozessoren die notwendige Leistung erreichen, um Alpha abzulösen. Bestehende Applikationen für OpenVMS und Tru64 Unix benötigen bis zum Jahr 2004 weiterhin Alpha-Server.

ITR: Die Kunden werden sich trotzdem über die Sicherheit ihrer Investitionen Gedanken machen.
MM: Neu gekaufte Alpha-Server können problemlos über die nächsten vier bis fünf Jahre eingesetzt und auf die neuen EV7 Prozessoren aufgerüstet werden. Darüber hinaus werden sie von Compaq bis mindestens 2009 unterstützt. Die Investitionen sind somit über die normale technologische Einsatzdauer geschützt.
ITR: Wie schätzt Compaq die Kosten für die Software-Migration bei den Kunden ein?
MM: Da Software unter OpenVMS und Tru64 Unix bereits seit Jahren 64-Bit fähig ist, ist der Aufwand, sie auf Itanium zu portieren, relativ gering. Für Software von ISVs, wie beispielsweise Oracle oder SAP, entstehen den Kunden keinerlei Kosten, da lediglich die entsprechende Version installiert wird.
Eigenentwickelte Software können Kunden durch einfache Kompilierung auf die Itanium Plattform migrieren. Der Aufwand ist relativ gering, da die gesamte Umgebung mit Betriebssystem, Datenbanksystem und Speichersubsystem gleich bleibt. (Interview: tm)


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