Mit der bevorstehenden Reorganisation seiner Firma nach Märkten will Bill Gates nach Meinung vieler Beobachter einer Zwangs-Zersplitterung durch die US-Justiz zuvorkommen oder sie zumindest erschweren. Andere erkennen darin in erster Linie eine Fokussierung auf die Microsoft-Erzfeinde: Online/Consumers = AOL, Developers = Java, Enterprise = Linux, Professional = Netscape.
Vor allem die Linux-Front macht im MS-Lager Eindruck, nachdem
Novell,
IBM,
HP und andere sich bei Red Hat eingekauft haben. Gleichzeitig verliert Microsofts Betriebssystem-Strategie nach Meinung von Analysten zunehmend an Fokus, bedingt durch die Verzögerungen von Windows 2000. Der wachsende Zeitdruck mache laufend neue Kompromisse bei der Rückwärtskompatibilität nötig, was laut Presseberichten auch MS-Manager nun eingestehen. Das Kernproblem ist aber, dass sich mit jeder Win2000-Verzögerungen auch die anderen Releases verspäten, darunter Exchange (Codename «Platinum»), die Office-Tools «Tahoe» und «Polar» oder das soeben angekündigte «BizTalk»-Framework für E-Commerce auf XML-Basis – ein wichtiges Produkt, denn die heutigen E-Commerce-Angebote um Site Server gelten nicht überall als erste Wahl.
Dazu kommt die Nachricht, dass der hoch angesehene Brad Silverberg
Microsoft definitiv verlässt. Der ehemalige Win95-Projektleiter und Chef der Internet-Gruppe hätte offenbar die neue Online/Consumer-Unit leiten sollen, deren Performance als unbefriedigend gilt. (mvb)
Sechs Wege, die Microsoft-Dominanz zu brechen
Was passiert, wenn
Microsoft den Streit mit den Antitrust-Behörden verliert? Folgende Szenarien gelten derzeit als möglich:
- Aufteilung in drei unabhängige Firmen für Betriebssysteme, Applikationen, Internet-Produkte/Content-Dienste. Wahrscheinlichkeit: Mittel, gilt als Radikallösung.
- ufspaltung in rivalisierende Firmen, entweder mit dem identischen Angebot (alle MS-Produkte) oder jeweils auf spezifische Märkte ausgerichtet, evtl. mit einer dritten Firma, die den Windows-Standard unterhält. Wahrscheinlichkeit: Mittel, gilt als Radikallösung, zudem könnten sich die Firmen später wieder zusammenschliessen.
- Lizenzierung von Windows an alle Interessenten, die dann Windows-«Clones» in Konkurrenz zu Microsofts «Classic» -Version entwickeln würden. Wahrscheinlichkeit: Tief, könnte zu Marktkonfusion und höheren Preisen führen.
- Offenlegung der Windows-Interna, womit Konkurrenten eigene Funktionen in das OS einbauen könnten. Wahrscheinlichkeit: Tief, könnte zu Marktkonfusion und höheren Preisen führen.
- Einschränkung der Lizenzpraktiken, z.B. Verbot von Exklusiv-Deals und Überwachung von MS durch ein unabhängiges Gremium. Wahrscheinlichkeit: Hoch, verbunden mit Sanktionen.
- Bündeln von konkurrenzierenden Browsern – MS müsste z.B. auch Navigator mit Windows ausliefern. Wahrscheinlichkeit: Sehr tief. Zwar tendierte die Justiz zuerst dahin, aber Experten sehen damit langfristige Fragen nicht beantwortet.