HP, der heimliche Software-Riese

Hewlett Packard will definitiv nicht mehr «just a printer company» sein, wie einst Suns Scott McNealy den Konkurrenten verspottete. «We are a software company», tönt es aus Palo Alto und Urdorf.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/05

     

Immerhin zwei Milliarden Dollar setzte HPs Software-Abteilung letztes Jahr um. Ziemlich viel für einen Drucker-Hersteller, nicht? Doch der Markt scheint den heimlichen Software-Riesen noch nicht so richtig zur Kenntnis genommen zu haben, weshalb HP nun zur Software-Offensive bläst.
Speerspitzen der Offensive sind einerseits die «Openview»-Familie, andererseits der Middleware-Spezialist Bluestone, der von HP übernommen wurde. Bluestone bildet das Kernstück der neuen HP-SW-Abteilung, die nunmehr unter dem Namen «Netaction» segelt.

«E-Speak» unter dem «Netaction»-Dach

Um endlich auch als Software-Firma wahrgenommen zu werden, hat HP letztes Jahr auch organisatorisch die Software-Leute unter einem Dach zusammengefasst. In der Abteilung «Netaction» gruppiert HP alle Software-Produkte, die man unter dem Stichwort «Middleware» oder «Infrastruktur» zusammenfassen könnte.
Dazu gehören die Bluestone-Produkte wie der Applikationsserver, aber auch die Brokering-Software «E-Speak». Die Software war im Frühjahr 99 mit grossem Brimborium angekündigt worden. Offensichtlich hoffte HP damals, einen neuen Standard für Internet-Services der kommenden, 3. Generation setzen zu können.
Zu «E-Speak» liess sich Willi Wälti ein interessantes Statement entlocken. Es sei richtig, so Wälti, dass «E-Speak» bis heute noch nirgends eingesetzt werde. Der Grund liege darin, dass es noch keine Anwendungen gibt, wo automatisch zwischen verschiedenen Internet-Plattformen verhandelt wird. Wichtig für HP sei aber, die Technologie zu beherrschen und Standards zu unterstützen.
Deshalb sei HP auch Mitglied bei verschiedenen Standardisierungsgremien geworden. Schliesslich sei es wichtiger, dass es überhaupt einen Standard gebe, als die eigene Technologie als Standard durchzusetzen. Wälti: «Es ist relativ einfach, Software in einer neuen Sprache zu entwickeln, wenn man bereits die grundlegende Technologie versteht.»
Der ehemalige Bluestone-Chef und nunmehrige Leiter von HPs Middleware-Abteilung, Kevin Kilroy, ist gebührend optimistisch. Kilroy: «HP hat Bluestone sehr kreativ integriert. Damit können wir sofort die Vorteile eines Applikationsservers, der mit Hersteller-unabhängigen Standards wie J2EE und XML arbeitet, ausnützen.»

Erweiterungen zu «Openview»

Immerhin würden 70 Prozent der weltweit eingesetzten Internet-Geräte durch HP-Software gemanaged, behauptet Gerhard Haberstroh, HPs EMEA Marketing-Manager für Software. Wie er gezählt hat, entzieht sich unserer Kenntnis – sicher ist, dass die Openview-Familie laufend zu einer kompletten, modularen Management-Suite ausgebaut wird. Dieses Frühjahr sollen diverse Module neu oder in neuer Version erhältlich werden:
Network Node Manager Multicast 1.0: Tool zur Überwachung und Visualisierung von Traffic, Gerätebelastung und Systemperformance einer IP-Multicast-Umgebung. Für Solaris und HP-UX.
Internet Services 3.0: Tool zur Überwachung der Performance und Verfügbarkeit einer Website und aller dort angebotenen Services. Ab sofort erhätlich. Läuft serverseitig unter Windows NT / 2000. «Probes» für Linux, Solaris, Win NT und HP-UX.
Problem Diagnosis 1.0: Toolset für Problemdiagnose in einem Netzwerk. Ab März 2001 für Win NT / 2000, Solaris und HP-UX.
Storage Area Manager: Produkte-Suite für Überwachung und Management einer Storage-Umgebung. Enthält «storage node manager», «storage allocator», «storage optimizer» und «storage builder». Ab April 2001.
Omniback II for Solaris: Zentralisiertes Backup und Daten-Wiederherstellung. Unterstützt HP Surestore in Solaris-Umgebungen. Ab April 2001.
Smart Plug-In for HP Bluestone: Zentrale Verwaltung der Bluestone-Umgebungen (Applikationsserver) durch Openview.

Einen Software-Channel aufbauen

Für HP wird die Herausforderung sein, sich neue Channels für seine Software aufzubauen und Channel-Konflikte zwischen HP Consulting und den (zukünftigen) Partnern im Software-Bereich zu vermeiden. Willi Wälti bestätigt: «Der Aufbau der Software-Abteilung und von HP Consulting ist definitiv eine Herausforderung. Wir lösen das mit zwei getrennten Organisationen.»
Auch Wälti ist sich im Klaren, dass der «klassische» HP-Channel (Drucker, allenfalls PCs und Server) nicht oder eher selten für den Vertrieb der HP Bluestone-Middleware zu gewinnen sein wird. Doch auch die klassischen Reseller werden sich ihre Gedanken machen müssen, so der Chef von HP Schweiz. Wälti: «Die Reseller können im Prinzip drei Wege gehen.
Entweder organisieren sie ihre Prozesse so gut, dass sie von der geringer werdenden Marge leben können. Oder sie bieten zusätzliche Services an. Weitere werden wohl gewaltige Schritte in Richtung Lösungen machen müssen. Da muss sich der eine oder andere Reseller schon noch Gedanken machen.»
HPs Ankündigung eine oder mehrere Schweizer Consulting-Firmen zu übernehmen, scheint sich in nächster Zeit zu konkretisieren. Man habe zwei Projekte im Köcher und warte jetzt noch auf das OK aus USA, so Wälti. (hc)


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