Ein Milliardär auf Kundenfang

Im Kampf gegen IBM um die Marktherrschaft bei Java-Application-Servern reist der Software-Milliardär und BEA-CEO Bill Coleman derzeit durch Europa, um Konzernbosse von BEAs Plattform für E-Business-Applikationen zu überzeugen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/02

     

In der Woche vor dem World Economic Forum (WEF) in Davos nutzten einige CEOs, CFOs, COOs oder was auch immer für «C»s die Gelegenheit, sich der Schweizer Presse zu präsentieren und ihre E-Business-Mission kundzutun.
Doch Bill Coleman, der Mitbegründer und CEO der kalifornischen BEA Systems war nicht wegen des WEF in der Schweiz, es habe ihm in Davos zuviele Leute. Der Software-Milliardär zieht aus Effizienzgründen den direkten Kontakt mit Konzernbossen dem Networking am WEF vor.
Aus London kommend machten ihm das WEF und der Nebel im Mittelland aber noch einen kleinen Strich durch die Rechnung: Infolge des schlechten Wetters und der vielen Anflüge nach Zürich Kloten erhielt das Flugzeug, in dem Coleman sass, während Stunden keine Landeerlaubnis, so dass er den Besuch bei den Oberen der Credit Suisse Group verpasste.
Und obwohl keine zwei Stunden später ein Gespräch mit dem neuen CEO der Sair Group Eric Honegger anstand, erschien Coleman entspannt lächelnd in einem Zürcher Nobel-Hotel, um mit einer ausgewählten Presseschar zu Mittag zu essen.

56 Prozent Marktanteil

BEA Systems hat im Rennen um Java Application Server die Nase vorn. Eben erst konnte das Unternehmen verkünden, entgegen den Prophezeiungen der Marktforscher von Giga Information Group gegenüber Hauptkonkurrent IBM erneut Terrain gut gemacht zu haben. Sagten die Auguren von Giga noch vor einem Jahr voraus, dass IBM im Jahr 2000 BEA eingeholt haben werde, mussten dieselben nun ihre Voraussagen revidieren: BEA verfügt nun über einen Marktanteil von 56 Prozent.
IBMs Websphere wird lediglich von 33 Prozent der befragten Unternehmen genutzt.
Coleman kann also soweit zufrieden sein. Dennoch ist das Rennen noch nicht entschieden. IBM verfügt nämlich weltweit über 9000 Partner, die die Plattform für E-Business-Applikationen vertreiben können.
BEA startete denn auch im August letzten Jahres ein neues Partnerprogramm und verweist mittlerweile auch auf eine Liste von weltweit ca. 1200 Systemintegratoren, Softwareherstellern und ASPs, die auf BEA setzten. «Wir wollen nicht jeden als Partner,» betont Coleman, «aber ich versichere Ihnen, wir haben einige IBM-Reseller, die unsere Software verkaufen. Wir können jedes Quartal 50 Prozent mehr Softwareentwickler zu unseren Partnern zählen.»
«Entscheidung fällt dieses Jahr»
Genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Wer das Rennen machen wird, entscheiden nicht zuletzt die Applikationsentwickler. Denn ob sich ein Kunde für IBM oder BEA entscheidet, hängt massgeblich von den Zusatzprodukten ab, die auf der Plattform aufbauen. Kein Wunder, hält BEA die Anreize für Reseller hoch. Es gibt keine «BEA only»-Kunden, jeder Reseller, Systemintegrator und Softwarehersteller darf auch bei Direktkunden von BEA «ansaugen».
Coleman und sein Verkaufs-Chef Al Shipp (seines Zeichens übrigens ehemaliger Vice President West Region Sales bei IBM) werden nicht müde, unentwegt zu versichern, dass Projekte mit BEAs Weblogic sich viel schneller zu Ende bringen liessen als mit IBMs Websphere.
BEA habe, so Coleman, im vergangenen Jahr 80 Prozent mehr Umsatz gemacht als im Jahr 1999. Wenn auch die Unternehmenszahlen noch nicht publiziert sind, dürfte die «E-Commerce Transaction Company» doch zum ersten Mal die Grenze von einer Milliarde Dollar Umsatz überschritten haben.
Coleman rechnet damit, dass die Frage, wer das Rennen machen wird, noch dieses Jahr entschieden wird. Zuversichtlich witzelt er: «Jeder behauptet zwar, eine E-Business-Plattform anzubieten. Eine Plattform ist aber nur dann eine Plattform, wenn jemand auf sie steht.» (mh)


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