Compaq USA macht Ernst


Artikel erschienen in IT Reseller 1999/09

   

Nach dem Absturz der Aktienkurse und der Entlassung von CEO Eckhard Pfeiffer kommen nun die ersten Schritte, die den IT-Koloss wieder profitabler machen sollen. In den USA wird das Distributionsmodell völlig umgekrempelt und die Anzahl der direkt belieferten Distributoren für Standard-Produkte auf ganze vier reduziert. Bei den vier sogenannten «Alliance Partners» handelt es sich – wenig überraschend – um die Multis Ingram Micro, Tech Data, Merisel und Inacom. Vorläufig sind nur Business-PCs in Standard-Ausführungen und nur Reseller in den USA betroffen. Doch es ist erklärtes Ziel von Compaq, das Modell auch auf andere Produkte-Bereiche wie die Tandem-Server auszudehnen.
Compaq-Wiederverkäufer, auch lokale Distributoren, erhalten die betroffenen Maschinen nicht mehr direkt, sondern nur noch über die vier «Allianzpartner». Die nach diesem Modell vertriebenen Produkte machen heute den Grossteil des Umsatzes von Compaq aus und sollen strikte nach dem Built-to-Order-Prinzip hergestellt werden. Reseller erhalten nicht-standartisierte, speziell konfigurierte Maschinen, die erst auf Bestellung hin zusammengeschraubt werden, weiterhin direkt von Compaq. Die Anzahl der Compaq-Lagerhäuser in den USA soll von heute ca. 100 auf 30 reduziert werden.

Schnellerer Lagerumschlag – bessere Profitabilität

Das Ziel dieser Übung ist klar: Compaq will damit sein Inventar im Channel massiv verringern und grössenmässig in die Nähe des profitableren Konkurrenten Dell bringen. Heute sollen die Compaq-Computer im Schnitt zwischen Produktion und Ankunft beim Kunden 30 Tage im Channel unterwegs sein, während Dell seine Produkte in der halben Zeit zum Kunden bringt.
Der Schritt Compaqs birgt aber auch Gefahren in sich: So befürchten die verbleibenden Distis Lagerabverkäufe zu Spottpreisen durch die nun ausgeschiedenen Distributoren und Compaqs Logistik muss sich in Windeseile und möglichst ohne Reibungsverluste auf die neue Vertriebskette einstellen.

«Sonderfall Schweiz» am Ende?

Die Weisheit, dass heute nicht das Produkt, sondern die Kombination von Marketing und Logistik über das Schicksal eines IT-Herstellers entscheidet, bewahrheitet sich einmal mehr. Oder wie es einer der Compaq-Co-CEOs, Frank Doyle ausdrückte: «Wer Geschwindigkeit will, muss seine Strukturen einfach halten.» Compaq betont, dass die neue Strategie ausschliesslich in den USA durchgezogen wird, für die Schweiz sind also noch keine unmittelbaren Auswirkungen zu erwarten.
Trotzdem kann es nicht lange gehen, bis Compaq auch in Europa daran gehen wird, seine Lieferkette zu reorganisieren und den Umschlag des Channel-Inventars zu beschleunigen. Die Durchsetzungsfähigkeit des Schweizer Compaq Managements wird gefragt sein, soll der «Sonderfall Schweiz» im Distributionsmodell fortbestehen. (hc)


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