Sun Microsystems lanciert neues «Thin Client»-Konzept

"So einfach wie ein Telefon"

Artikel erschienen in IT Reseller 1999/16

   

Ed Zander, Präsident und COO von Sun, liebt den Vergleich mit dem Telefon. Auf dem Sun Enterprise Computing Forum in New York verkündete er: «Die IT-Strukturen der Zukunft werden dem heutigen Telkom-Netz gleichen und die Geräte so einfach zu benutzen sein, wie wir es vom Telefon gewohnt sind: Anschliessen, einwählen, fertig. Keine Kosten für die Administration, keine Updates und eine Lebensdauer von fünf bis zehn Jahren.»
Damit umschrieb er das neue Thin Client-System von Sun. Es setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Der Sun Ray1 Enterprise Appliance, dem Sun Ray Enterprise Server und der Hot Desk-Technologie. «Das Desktopgerät Sun Ray 1 Enterprice Appliance ist nicht etwa einfach ein dünner Client, es ist der dünnste, der überhaupt denkbar ist. Und ausserdem das beste Desktop-Gerät, weil es keinen eigenen Desktop hat», rief Zander euphorisch in den Saal.
In der Tat enthält die Sun Ray 1 Enterprise Appliance, ein Notebook-grosses Kästchen, nicht mehr als einen nicht sehr schnellen Prozessor und wenig Speicher als Buffer. Dazu verfügt das Desktopgerät über USB-Maus und -Tastatur sowie einen beliebigen Bildschirm mit einer Auflösung von 1280x1024 Pixel. Keine Festplatte, kein System und schon gar keine Anwendungen. Sun hat alle Operationen, die normalerweise auf dem Client ablaufen, in den Server zurück verlegt. Das Desktop-Gerät ist nur noch ein Terminal mit einer absoluten Minimalausstattung zum Anzeigen einer grafischen Oberfläche. Was immer mit Dokumenten und Anwendungen passiert, geschieht auf dem Server.

Smart Card

Ausserdem verfügt die Sun Ray 1 Enterprise Appliance über einen Leser für Smart Cards. Zu Beginn der Session steckt der Benutzer seine Karte in das Desktopgerät. Auf dem Server wird die Karte vom Authentication Manager identifiziert und über den Session Manager sofort die dem Anwender zustehenden Applikationen zur Verfügung gestellt.
Fortan werden Maus- und Tastaturbefehle des Benutzers zum Server übertragen, dort verarbeitet und nur die sich daraus ergebenden, grafischen Veränderungen an Sun Ray 1 zurück geschickt. Zieht der Anwender seine Smart Card aus dem Gerät – ohne die Anwendung zu schliessen oder zu sichern – wird zwar der Client ausgeloggt, doch die Session bleibt auf dem Server erhalten. Steckt er die Karte anschliessend in ein anderes Sun Ray1-Gerät innerhalb der Workgroup, findet er seinen Desktop innert Sekunden auf dem Bildschirm so, wie er ihn auf der letzen Maschine verlassen hat. Dieser Vorgang wurde in New York von Sun-Leuten mehrfach demonstriert und vom Publikum ausgiebig beklatscht.

Anwendungen aus der NT-, Unix-, Linux- und Mainframe-Welt

Als «dummes» Terminal ist die Enterprise Appliance ganz auf den Sun Ray Enterprise Server angewiesen. Dafür kann jeder Sparc Server unter Solaris ab Version 2.4 dienen.
Wichtig für die Netzwerkarchitektur ist, dass das LAN beim Sun Ray Enterprise Server endet. Die Sun Ray 1-Stationen hängen nicht am LAN. Sie sind über mindestens eine 10BaseT-Ethernet-Verbindung – für Fullscreen Video wird 100BaseT benötigt – direkt mit dem Server verbunden. Diese Architektur ermöglicht, wie Alex Zihlmann, Product Marketing Manager bei Sun Schweiz, versichert, eine relativ einfache Umstellung von einer herkömmlichen Client/Server-Architektur auf Sun Ray.
Für die Anwendungen setzt Sun natürlich auf das kürzlich erworbene Star Office. Über das Netzwerk lassen sich aber zusätzlich auch Anwendungen aus andern Umgebungen einbinden, etwa von NT-, Unix- und Linux-Servern oder vom Mainframe. In dieser Beziehung scheint Sun aus dem Misserfolg der Java-Station gelernt zu haben, die nicht zuletzt an den fehlenden Anwendungen und der zu langsamen Verarbeitung der Programme scheiterte. Verschiedene an Betatests beteiligte Personen sagten in New York gegenüber dem ITR, dass die Windows-Programme unter Sun Ray nicht merkbar langsamer arbeiten als auf einer Pentium III-Maschine.

Leistung

Die Verarbeitungsgeschwindigkeit hängt allein von der Serverausstattung ab. Mit einem schnellen Prozessor auf dem Server lassen sich auf der Sun Ray 1 Enterprise Appliance ansprechende Leistungen erreichen. Sun spricht von Workstation-Geschwindigkeit. Eine Server-CPU (+ 32 bis 64 MB RAM) soll im Normalfall etwa 20 Anwender bedienen können. Extrem prozessorhungrige Applikationen wie Simulationen können das Verhältnis Server-CPU zu Ray Appliance auf bis zu 1 zu 10 drücken.
Dass das Sun Ray-Modell die Prozessorleistung sehr viel effizienter nutzt, als herkömmliche Systeme. Das war die eine Botschaft in New York. Die andere hiess: Sun Ray senkt die Total Cost of Ownership, denn es fallen beim Client keinerlei Kosten für Administration und Upgrades an. Die Administration findet zentralisiert auf dem Server statt und es ist nur noch eine Lizenz pro Programm notwendig. Und Star Office ist sowieso gratis, wie die Sun-Leute zu betonen nicht müde werden.
Die Sun Ray Enterprise Appliances sind relativ günstig: In der Schweiz werden sie voraussichtlich Fr. 895.– kosten. Ausserdem bietet Sun einen Leasing-Vertrag über fünf Jahre für $ 9.99 pro Monat. Wer 30 Dollar pro Monat investiert, bekommt zusätzlich eine passende Servermaschine samt Software, Star Office, sowie Service- und Supportleistungen. Ob es die Leasing-Varianten auch in der Schweiz geben wird, ist allerdings noch offen.

Anzeichen für eine Chance

Die wichtigsten Märkte sieht Sun bei E-Commerce-Businesskunden, in Schulen und Universitäten und natürlich in den Unternehmen. Die Vision zielt aber weiter: Einst sollen verschiedenste Geräte vom Telefon bis zum Kühlschrank nach Sun Ray-Manier arbeiten. Zander: «Heute will der private Anwender doch nur noch eins: Problemlos ins Netz, um Informationen zu sammeln und zu shoppen. Dazu braucht er keinen teuren PC.»
An solchen Aussagen mögen Zweifel erlaubt sein. Doch ganz falsch kann Sun mit dem erneuten Anlauf für ein Thin-Client-Konzept nicht liegen. Das Marktforschungsunternehmen IDC hat soeben eine Untersuchung veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass sich der Markt für Thin Clients anfängt zu vergrössern. Im ersten Halbjahr 1999 wurden insgesamt 305’000 Thin Clients verkauft. Das bedeutet ein Wachstum von 83 Prozent gegenüber der Vergleichsperiode im Vorjahr. Die Zahl ist zwar gemessen an den in der gleichen Zeit verkauften 50,1 Mio. PCs immer noch verschwindend klein, zeigt aber doch, dass das Konzept langsam Fuss fasst.
Die Fachwelt hat in New York mehrheitlich positiv auf Suns Sonnenstrahlen reagiert. Im Gegensatz zur Java Station, bei der sich Scott McNealys Schlachtruf «Der PC ist tot!» bald als heisse Luft erwiesen hat, geben viele Sun Ray eine Chance.

Hot Desk Technologie

Die Hot Desk Technologie ermöglicht, alle Berechnungen auf dem Server zu erledigen und die Sessions sofort auf jeden Sun Ray Desktopgerät innerhalb der Workgroup zur Verfügung zu stellen. Mit der Hot Desk Technologie müssen bestehende Unternehmensapplikationen weder umgeschrieben noch portiert werden.

Sun Ray 1 Enterprise Appliance

Die Sun Ray 1 Enterprise Appliance ist ein einfaches und günstiges Desktopgerät. Sie benötigt keine Administration, wird zentral verwaltet und bezieht alle Ressourcen vom Sun Ray Enterprise Server. Dank der Hot Desk Technologie ermöglicht sie schnellen Zugriff auf das Unternehmensnetzwerk, auf zentrale Applikationen und Informationen samt Video- und anderen Multimedia-Anwendungen.

Sun Ray Enterprise Server Software

Der Sun Ray Server läuft auf Sparc Servern unter Solaris. Der Authentication Manager identifiziert die Anwender. Der Session Manager verwaltet die Anwendungen für die einzelnen Benutzer. Die Virtual Device Drivers vermitteln zwischen höheren APIs und dem Desktop Protokoll. Als Übertragungsprotokolle dienen Citrix Metaframe, Microsoft TSE, X11 (für HP Unix und IBM AIX) sowie Sunlink 3270 und 5250.
Peripheral Device Support erlaubt den Zugriff auf die Netzwerk-Peripherie einerseits und anderseits auf lokale Peripheriegeräte über den USB-Bus der Enterprise Appliances. Mit den Administration Tools schliesslich können Indentifizierungskriterien und Privilegien festgelegt und das System überwacht werden. (fis)


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