10 Jahre Jet Computer

Zum Anlass des 10-jährigen Jubiläums der Jet Computer AG führten wir mit Daniel Waldvogel ein Gespräch über die Zukunft des Assemblierens.

Artikel erschienen in IT Reseller 1999/15

   

Zum zehnjährigen Geburtstag seiner Jet Computer AG hat sich Geschäftsleiter und Gründer Daniel Waldvogel gleich selbst ein Geschenk gemacht. Er führt die Liste der zehn grössten Assemblierer im jährlichen Umsatzwettbewerb der «Computerworld» an mit 33,5 Millionen Franken Umsatz im Bereich Assemblierung von PCs und Notebooks. Seit der Gründung ist der Assemblierer kontinuierlich gewachsen. Unterdessen beschäftigt Jet in Ramsen, Schaffhausen, über 70 Leute, darunter 24 Lehrlinge und Praktikanten. Dazu kommt ein Verkaufsbetrieb in Deutschland auf der anderen Seite der Grenze und die Kooperation mit einem tschechischen Gehäusehersteller.
Vom reinen «Schräubler» hat sich der Betrieb zum Hersteller/Distributor gewandelt. Vertrieben werden PCs und Laptops an Fachhändler und OEM-Kunden, die Monitore von LG Electronics und PC-Komponenten wie Motherboards, Gehäuse, Laufwerke, Prozessoren, Grafik- und Soundkarten, Speichermodule und Peripherie. Dazu kommt eine grosse Service- und Reparaturabteilung.
ITR: Die Assemblierer verlieren insgesamt Marktanteile und die Differenzierung über den Preis wird angesichts der Preiskämpfe immer schwieriger. Hat das Assemblieren und damit Ihre Firma überhaupt noch eine Zukunft?
Daniel Waldvogel: Nur schon die Tatsache, dass wir erfolgreich nach Deutschland exportieren, zeigt doch, dass wir richtig im Markt liegen. Die Kunden haben sich emanzipiert, man schaut mehr auf das Preis/Leistungsverhältnis als auf den klingenden Namen. Die Leute kommen heute einfach besser draus. Wir haben heute weniger einen Preisvorteil als einen Leistungsvorteil.
ITR: Es drängeln sich immer mehr Anbieter in Ihrem Segment. COS bietet die PCs eines deutschen Assemblierers in der Schweiz an und alle grossen Distributoren wälzen Pläne, mit eigenen Marken oder Nonames auf den Markt zu kommen. Was ist Ihre Strategie gegen die grossen, v.a. deutschen Konkurrenten?
DW: Wir haben mindestens zwei Vorteile. Erstens können wir hier unter dem Strich günstiger produzieren als in Deutschland. Die Löhne sind zwar nicht tiefer als in Deutschland, aber die Nebenkosten. Und zum anderen sind wir näher an unseren Kunden. Die Fachhändler brauchen unseren Service und kurze bis kürzeste Lieferfristen. Gerade bei den teureren Notebooks ist ein zuverlässiger, schneller und funktionierender Reparatur- und Ersatzservice gefragt. Den können wir bieten. Und dann müssen Sie sich die Frachtkosten anschauen. Wenn Sie nicht grade lastwagenweise PCs ordern, haben Sie schnell mal Frachtkosten, die im Stückpreis ins Gewicht fallen. Wir könnten auch bei unseren Partnern in Tschechien produzieren. Aber es lohnt sich nicht. Die Lohnkosten sind lange nicht der einzige Faktor; Qualität, Geschwindigkeit und Service zählen insgesamt deutlich mehr.

ITR: Trotzdem, auch Sie werden mit fallenden Margen zu kämpfen haben.

DW: Ja, vor allem, wenn ich sehe, was gewisse Distributoren machen. Da werden heute doch unrealistische Deals gemacht, bei denen keiner mehr was verdient. Doch ich denke, das wird auch nicht ewig gut gehen. Ich glaube nicht an den 500-Franken-PC, weil gewisse Komponenten, zum Beispiel die Speichermodule, bereits wieder erheblich teurer sind. Es wird aber den «Gratis-PC» geben, der mit anderen Mitteln bezahlt wird. Die glorreichen Zeiten der PC-Assemblierer sind vorbei.
Deshalb fördern wir im Moment vor allem den Notebook-Bereich. Die Hersteller sind alle in Taiwan. Die brauchen in der Schweiz einen Partner. Bei den Notebooks ist der Preiskampf ausgereizt, da wird es in den nächsten Monaten keinen Preissturz geben. Die Asienkrise hat dazu geführt, dass manche asiatischen Hersteller unten durch mussten. Die wollen jetzt wieder Geld verdienen.
ITR: Sie setzen in den PCs mit Vorliebe AMD-Prozessoren ein und bündeln Windows nur auf Wunsch mit den PCs. Warum?
DW: Intel hat sich in meinen Augen von der Technologie-Firma in eine Marketingfirma verwandelt. Die haben sich einen technologischen Rückstand eingehandelt. Und ich fühle mich von AMD klar besser behandelt. Wir sind exklusiver AMD «Athlon Launch Partner» in der Schweiz und waren die ersten hierzulande, die Athlon-PCs Anfang August ’99 liefern konnten.
Ich verdiene an einem vorinstallierten Windows nichts. Microsoft verlangt 86 oder 87 Dollar für ein Windows. Grosse Hersteller bekommen es für vielleicht 60 Dollar, müssen dann aber gigantische Abnahmeverpflichtungen eingehen. Ein Disti verdient dann vielleicht noch zwei bis drei Dollar daran. Am meisten verdient Monopolist Bill Gates an einem Computer, und das für eine überholte und weitaus überteuerte Software, die grösstenteils noch 1994 entwickelt wurde.

ITR: Können Sie die PCs mit dem AMD Athlon-Chip liefern?

DW: Wir haben die Prozessoren, die wir brauchen. Es gab ein Problem mit den Motherboards, aber das brachte nur eine Verzögerung von einer Woche.
ITR: Wie finden Sie Ihre Leute? Sie bieten ja wohl nicht die gleichen Löhne wie – sagen wir – eine Compaq?
DW: Wir bilden sie aus! Wir haben heute 24 Lehrlinge und Praktikanten im kaufmännischen Bereich und als Geräteinformatiker. Ein Geräteinformatiker ist im dritten Lehrjahr schon recht produktiv. Natürlich werden einzelne nach der Lehre abgeworben, aber hier in der Gegend gibt es nicht so viele Alternativen und wegziehen wollen lange nicht alle.

ITR: Wohin gehen Sie mit Jet Computer? Was machen Sie im Jahr 2000?

DW: Wir werden noch mehr Notebooks bauen. Unser Ziel sind 10’000 portable Systeme im Jahr. Und wir werden unsere Service-Abteilung zu einem grossen Service- und Call-Center ausbauen. Warum sollen wir nicht den Service für Grosskunden und Partner übernehmen, die das nicht wollen oder können? Dann bauen wir auch unser Distributionsgeschäft aus.
Mit den LG-Monitoren gehen wir an die Orbit und wir bauen ein Lager für das Weihnachtsgeschäft auf. Wir sind AMD-Distributoren, haben die Motherboards von Gigabyte und die Gehäuse von Eurocase Technology. Viele Komponenten, wie CPUs, Speichermodule etc. brauchen wir sowieso an Lager. Die verkaufen wir halt auch weiter. Das Distributionsgeschäft ist für uns wichtig und wir werden es weiter ausbauen.
Im Oktober führen wir eine neue betriebswirtschaftliche Software von Navision ein, auf die Orbit hin die E-Commerce-Site mit Anbindung an unser System. Damit wollen wir mittelfristig 10% unseres Umsatzes generieren.



Standort Ramsen


Wie kann jemand ausgerechnet am Rand der Schweiz sein Unternehmen hochziehen? Die Antwort ergibt sich bei einem Besuch von selbst. Zum einen liegt der Betrieb in einer wahrhaft idyllischen Umgebung – ein starkes Argument in Zeiten des Personalmangels. Zum anderen rekrutiert Waldvogel auch Mitarbeiter als Grenzgänger in Deutschland, wo es in der Region nicht sehr viel Konkurrenz um die guten Leute gibt. Und dann ist das Preisniveau deutlich tiefer als in Zürich. Ein Menü im nahen Restaurant ist für ganze 10.50 Franken zu haben, eine Dreizimmerwohnung kostet etwa 700 Franken. Auch ein Argument für gute Leute zu bezahlbaren Löhnen. (hc)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Zwerge traf Schneewittchen im Wald?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER