Nachdem Compaq im ersten Quartal sich noch mit sinkendem Gewinn abfinden musste, kam, was zu befürchten war: Im zweiten Quartal rechnet man mit einem Verlust von ca. 15 Cents pro Aktie oder circa einer Viertemilliarde Dollar. Benjamin Rosen, interimistischer CEO nach dem Rauswurf von Eckhard Pfeiffer, gab an der Telefonkonferenz vor 10 Tagen die Gründe an, die er für die Talfahrt von Compaq verantwortlich macht: Preisdruck im PC-Business, ein «inadäquates» Umsatzwachstum und eine «nicht konkurrenzfähige» Kostenstruktur. Zusammengefasst: Compaq verkauft zu billig und produziert zu teuer.
Compaq wird neu strukturiert
Der Supertanker Compaq soll neu in drei Produktgruppen aufgeteilt werden: Die Enterprise Solution Group, die Personal Computer Group und die Consumer Group. Gegenüber dem Kunden tritt aber eine horizontal gelagerte Verkaufsabteilung in Erscheinung. Rosen beteuert, dass die Kunden weiterhin durch ihre gewohnten Account Manger betreut würden.
Zudem sollen weitere organisatorische Veränderungen Ordnung und Struktur bringen: Eine hauseigene Organisation soll die E-Commerce-Aktivitäten regeln, den Channel will man von der Bestellung bis zur Auslieferung im Griff haben, und schliesslich bis im vierten Quartal 25 Prozent der Produkte direkt verkaufen. Weltweit sollen 17 Call Centers aufgebaut werden und für Kundenzufriedenheit und -Nähe sorgen. Unklar blieb trotz bohrender Fragen an die Adresse von Rosen, wie die einzelnen Bereiche von einander abgegrenzt werden sollen.
Verhalten etabliert sich bekanntlich schnell, verändert sich aber umso träger. Die Riesenorganisation Compaq soll offenbar jetzt – wo die Verluste bedrohliche Dimensionen annehmen – völlig neu strukturiert werden und die Integration der ehemaligen Digital radikal vorwärts getrieben werden. IDC-Marktforscher sind skeptisch und halten die bekanntgegebenen Veränderungen nur für «Ankündigungen und Kosmetik».
Die schlechten Nachrichten folgen Schlag auf Schlag: Mit 20 Prozent Marktanteil löst
Dell im KMU-Markt in den USA im ersten Quartal 99 Compaq ab, die mittlerweile noch 8,4 Prozent hält und damit hinter
IBM auf Platz drei verwiesen wurde.
Mit dem Kamm durchs Management
Rosen will mit der Neuorganisation insgesamt zwei Milliarden Dollar sparen. Wie er das genau bewerkstelligen will, liess er sich nicht entlocken. Sicher ist, dass es zu Entlassungen kommen wird, und dass diverse mittlere Management-Ebenen verschwinden sollen.
Auf der höchsten Ebene von Compaq rumort es immer noch. Als letzter verliess ein weiterer enger Vertrauter von Ex-CEO Pfeiffer, Hans Gutsch, Senior Vizepräsident und umstrittener Personalchef mit sofortiger Wirkung das Unternehmen. Und für die Region Europa, Middle East und Afrika hat man einen Nachfolger für den pensionierten Andreas Barth gefunden, dessen Titel ausnahmsweise nicht den bei Compaq weit verbreiteten Zusatz «Senior» trägt: Werner Koepf wird schlicht General Manager EMEA. Bei Compaq Schweiz will man noch keine näheren Angaben zur Reorganisation machen, mit dem Geschäftsverlauf im zweiten Quartal 99 ist man hierzulande aber zufrieden.
Kritische Grösse als Lösung für Siemens
Auch
Siemens verliert mit dem PC-Geschäft Geld, so wird kolportiert. Ein Joint-venture mit
Fujitsu soll den deutschen Energie- und Haushaltsgiganten nun vom Computer-Geschäft befreien. Siemens bringt 8000 Mitarbeiter und 8 Milliarden DM Umsatz, Fujitsu die Europa-Tochter «Fujitsu Computers Europe» mit 1600 Beschäftigten und etwa 4 Milliarden DM ein. Obwohl Fujitsu nur die Hälfte an Umsatz miteinbringt, halten beide Konzerne eine paritätische Kontrolle von je 50%. Fujitsu hat in Deutschland in Gegensatz zu Siemens sehr erfolgreich sein PC-Geschäft aufgebaut. Zusammen sind die beiden bei unseren nördlichen Nachbarn unbestrittene Marktführer.
Mit der nun erreichten Grösse will man möglichst schnell der weltweit drittgrösste Computerhersteller (hinter Compaq und IBM) werden und bereits im Geschäftsjahr 2000 einen Umsatz von 15 Milliarden DM erreichen. Das Angebot umfasst Notebooks, PCs, Intel- und Unix-Server sowie Grossrechner. Die Akquisition und Betreuung von global tätigen Kunden soll durch die Zusammenführung vereinfacht werden. Dabei verfolgt man bei Siemens/Fujitsu nicht das Ziel, möglichst günstige Produkte anzubieten. Die Vorteile des Zusammenschlusses liegen in der synergetischen Wirkung des gemeinsamen Marktauftritts, der Produkteentwicklung und einer effizienteren Produktionssteuerung.
Kahlschlag im europäischen Compaq-Channel?
Und was könnte man Compaq empfehlen? Gross genug ist man bereits, zu gross wohl. Die Lagerbewirtschaftung, die «Time-To-Market» und die Produktionskosten sollen gekürzt werden, um die Preise tief halten zu können. Die Anzahl der Distributoren wurde in den USA auf ganze vier gekürzt. Und in Europa soll das nicht anders werden: Die Anzahl der direkt belieferten Reseller und Distributoren soll von über hundert auf unter zehn gekürzt werden.
Reseller andererseits behaupten, Compaq wolle nicht die grossen Reseller umgehen, mit denen man schon über Jahre zusammengearbeitet hat. Die Rechnung muss schliesslich Compaq selber machen. Insider erwarten einen Machtkampf zwischen den Channel-orientierten Länderverantwortlichen und der US-Compaq-Führung. Benjamin Rosen behauptet auf die Frage nach der Channel-Inventory: «Wir haben nicht zuviel Ware im Channel. Abschreibungen auf Ware im Channel sind auch nicht Teil des Verlustes.»
Andererseits ist bei Compaq die Erkenntnis aufgekommen, dass im Business-Bereich alleine nicht mehr grosses Wachstum erwartet werden kann. Benjamin Rosen vermerkte an der Telefonkonferenz zum Q2-Debakel: «Wir müssen die Vorstellung eines PC neu denken. Die Leute kaufen PCs, um ins Internet zu gehen.» und «Der Formfaktor wird wichtiger». Will Compaq nun dem iMac Konkurrenz machen? Ausserdem setzt man auf die Zusatzfunktionen des PCs, die die Marge ermöglichen: Software, Netzwerkfähigkeit, Utilities, Differenzierung nach Gebrauch.
Übrigens ist immer noch die Stelle des CEO bei Compaq zu haben: Nachfolge-Kandidaten für den Job von Benjamin Rosen bewerben sich bitte unter www.compaq.com/jobs/. (mh)