Jeder Online-Shopper kennt das Problem: immer wieder müssen die gleichen Formulare mit Kreditkartennummer und Ablaufdatum, Lieferadresse und Speditionsbedingungen ausgefüllt werden. Den meisten hängt das bald einmal zum Hals heraus. Eine Untersuchung der Marktforschungsgruppe Jupiter Comunications vom Februar zeigt denn auch, dass fast ein Drittel aller Online-Kunden, genervt von den immer gleichen Fragen, das Bestellformular nicht abschickt sondern wieder löscht und auf einen Kauf verzichten.
Um das Online-Shopping für Kunden und Händler zu erleichtern (und potentielle Kunden weniger zögerlich handeln zu lassen), haben führende Unternehmen wie America Online, American Express, CyberCash,
IBM, Mastercard,
Microsoft, Sun, Visa und andere ein Konsortium gebildet. Ziel der Vereinigung ist es, ein einheitliches Format für den Austausch der wichtigsten Daten zwischen Kunde und Web-Händler zu entwickeln. Das Ergebnis wurde vor wenigen Tagen vorgestellt. Es heisst ECML, Electronic Commerce Modelling Language, und ist ab sofort lizenzfrei erhältlich. (weitere Informationen bei www.ecml.org). Das Konsortium will ECML der Internet Engeneering Task force (IETF) und dem World Wide Web Consortion (W3C) vorlegen und zu einem neuen Internet-Standard erklären lassen.
Kein Ersatz für bisherige Standards
EMCL soll aber nicht etwa Sicherheits- und Funktionsstandards wie SSL, SET, XML oder IOTP ersetzen. Es kann im Gegenteil zusammen mit jedem dieser Standards eingesetzt werden. Hingegen soll es einen universellen Zugang zum Online-Shopping im gesamten Netz ermöglichen. Bisherige Wallet-Lösungen – sei es als Teil des Browsers, als eigene Applikation oder als Browser-PlugIn – sind zwar zum Teil gut eingeführt, blieben jedoch untereinander nicht kompatibel und konnten daher auch nicht unbesehen bei jedem Internet-Einkauf benutzt werden. Mit ECML soll das nun anders werden. Der neue Standard soll äusserst einfach zu installieren und anzuwenden sein. Er bringt keine zusätzliche Technologie ins Web. Der Händler braucht nur einige Felder in seinem HTML-Formular entsprechend den ECML-Vorgaben umzubenennen und schon hat er Zugriff auf die verschiedensten Wallets, ohne dass sich seine Site äusserlich verändert. EMCL ist als offener Standard konzipiert und steht Interessenten lizenzfrei zur Verfügung.
Vorteile für alle
ECML soll allen am Online-Shopping Beteiligten Vorteile bringen. Für die Kunden wird der Einkauf vereinfacht, da sie in Zukunft überall dasselbe Wallet verwenden können, um die Liefer- und Zahlungsbedingungen mit dem Händler auszutauschen. Die Händler ihrerseits müssen weniger befürchten, dass die Bestellformulare nur halbausgefüllt oder nicht abgeschickt werden. Darüber hinaus versprechen sich die Initianten von ECML grundsätzlich eine bessere Akzeptanz des Online-Handels. Die besseren Shopping-Bedingungen für den Kunden sollten zudem das Vertrauen zwischen Kunde und Händler fördern.
Das dürfte allerdings auch notwendig sein. In der Schweiz etwa schrecken nach wie vor viele potentielle Kunden vor Online-Zahlungen zurück, wie Jean-Marc Hentsch, Mediensprecher von American Express, ausführt. Die Schuld sieht er nicht zuletzt auch bei bestimmten Medien, die in sensationell aufgemachten, wenn auch nicht immer von sehr viel Fachkenntnis zeugenden Artikeln das Internet als unsicheres und gefährliches, modernes Räubernest darstellten. Solche Berichte hätten hierzulande viele Kunden und Händler abgeschreckt. Daher werde die Einführung von ECML in der Schweiz, entsprechend der zögerlichen Entwicklung des hiesigen E-Commerce, etwas länger dauern als in den USA. Hentsch: «Die Schweizer sind anspruchsvoll und eher zurückhaltend, was E-Commerce betrifft. Amexco hat zwar als Mitglied des Konsortiums eine gewisse Vorreiterrolle, aber Vorbedingung ist eine breitere Akzeptanz bei Händlern und Kunden.»
In den USA erklären bereits Online-Anbieter aus verschiedensten Brachen, ECML unterstützen zu wollen. Dazu gehören grosse Onlinehändler wie Beyond.com, fashionmall.com, healthshop.com, Nordstrom.com, Reel.com oder
Dell Computer. Janet Mountain, Vizepräsidentin Dell Home Systems meint: «Dell sucht immer neue und bessere Wege, um das Online-Angebot für die Kunden angenehmer zu machen. Die Implementation von ECML wird Dell-Kunden helfen, ihre Online-Transaktionen einfacher abzuwicklen.»
In den USA rechnet das Konsortium damit, dass sich ECML innerhalb etwa eines halben Jahres etablieren wird – eine angesicht der am Konsortium beteiligten Branchen-Big-Shots wohl nicht ganz unrealistische Einschätzung. In Europa und der Schweiz dürfte es etwas länger dauern, bis sich ECML durchsetzt und etwa bei Dell Europe eingesetzt wird, wie aus Äusserungen lokaler Dell-Sprecher zu schliessen ist. (fis)