SAP Business One: Software im Larvenstadium

Wie weit ist die Entwicklung und Lokalisierung von SAPs «Business One» tatsächlich? Eine Pilot-Installation zeigt die Realität.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/04

     

Im Herbst 2002 warf SAP das KMU-Paket «Business One» auf den Markt. Bis 2005 wolle man jährlich etwa 460 Neukunden in der Schweiz gewinnen. Die Konkurrenz spottete und sprach angesichts der vielen fehlenden Features von «Mickey-Mouse-Software». Unterdessen hat SAP in rasender Eile ein Partnernetz aufgebaut. Neben der MTF-Gruppe und dem grossen Treuhänder und KMU-Berater OBT hat SAP inzwischen auch RedIT als Partner gewonnen, ausserdem sind einige kleinere Dienstleister vertreten.

Pilot-Installationen

Erste Pilot-Installationen sollen nun die Praxistauglichkeit beweisen. Eine solche Installation (von der Surseer Data Unit implementiert) läuft bei der Goldauer Firma Burbit. Mit vier Festangestellten und etwa sechs Freelancern berät die Software-Firma Burbit ihre Kundschaft in Handel, Industrie und im Finanzumfeld bei der Evaluation und Einführung von betriebswirtschaftlichen Lösungen.
«Ich bin seit zwei Jahren intensiv auf der Suche nach einer günstigen, vertikal integrierten Gesamtlösung für Kleinunternehmen», sagt der Burbit-Inhaber, Markus Burch (Bild). Burbit will die Software später auch seinen eigenen Kunden näherbringen. Das Handelsgeschäft mit IT-Infrastruktur ist bei Burbit überschaubar und die bestehende Datenmenge relativ klein und einfach strukturiert.

Einführung in vier Tagen

Nach nur gerade vier Tagen war Business One samt Alt-Daten bei Burbit eingeführt. Der geringe Aufwand hängt auch mit der sehr einfachen Struktur der Kleinfirma Burbit zusammen, die es ermöglicht hat, dass sämtliche Geschäftsprozesse im Standard von Business One abgebildet werden konnten.
Allerdings hielt sich Markus Burch ein Hintertürchen offen, er führt seine Daten noch drei Monate
parallel auf dem alten System. Ein weiterer Grund für die doppelte Datenhaltung: SAP Business One enthält derzeit noch keine Lohn-Verwaltung, diese muss weiterhin auf dem bisherigen System erfolgen.

Neu, neuer, noch nicht fertig

Es zeigte sich, dass Business One noch längst nicht komplett ist. Beispielsweise lassen sich Wechselkurse nicht automatisch aus dem Internet in das System laden. Obwohl das Feature auf der Schweizer SAP-Homepage aufgeführt ist, wird es in der lokalisierten Version der Lösung erst Ende 2003 implementiert.
Auch sind die Mehrwertsteuerkonten sind zwar im Standard-Kontenplan enthalten, werden aber bei der automatischen Firmeninitialisierung nicht auf die Parametertabelle übernommen. Der Datenimport funktioniert derzeit ausschliesslich über Excel-Tabellen.
Die gravierendsten Mängel sind aber die fehlende Mehrsprachigkeit und die noch nicht implementierten Zahlungsverkehrs-Funktionen. Auch über eine Kostenstellenrechnung verfügt Business One nicht. Lohn- oder Personalverwaltung fehlen ebenfalls. Vorerst verweist SAP auf Service-Anbieter, die das «grosse» SAP-HR-Modul (aus mySAP.com) über Internet anbieten. Etwa im zweiten Quartal dieses Jahres sollen aber kompatible HR-Module (Human Resources) von Drittanbietern wie der Zuger RedIT verfügbar sein.

Starke CRM-Funktionen

Dennoch fallen bereits auch Stärken des Software-Paketes auf. Es ist äusserst flexibel und einfach in der Handhabung – der Benutzer kann von jedem Punkt des Arbeitsflusses aus zu einem anderen Punkt springen, beispielsweise mitten in der Offertstellung ein neues Produkt definieren, ohne den Arbeitsfluss zu unterbrechen.
Stark scheint das Modul «Opportunity Management». Hier wird ein Verkaufsprozess sauber in Stufen abgebildet und bleibt sehr transparent. Raffinierte Auswertungstools («Opportunity Pipeline») sollen dafür sorgen, dass Geschäftschancen nie mehr aus den Augen verloren werden.

Fazit: Weiterentwicklung angesagt

SAP Business One befindet sich noch im Larvenstadium, SAP verspricht aber die laufende Verbesserung der Software. Module für den Schweizer Zahlungsverkehr sollen noch in dieser Jahreshälfte folgen, und durchgängige Mehrsprachigkeit wurde für dieses Jahr versprochen.
In nicht allzu ferner Zukunft wollen SAP-Partner branchenspezifische Pakete und Zusatzmodule entwickeln, die dann auch in komplexeren Umgebungen ihren Zweck erfüllen sollen. Dies allerdings ist Zukunftsmusik, solche «vertikalisierten» Versionen existieren noch nicht. (hc/ava)

Die wichtigsten Funktionen von SAP Business One

Administration (User-Management, Datenimport und -sicherung)
Finanzbuchhaltung (Kontenplan, Journale, Budgets)
Vertrieb (Offertwesen, Auftrag, Lieferung, Lager, Rechnungen und Mahnungen)
Einkauf
Stammdaten Kunden, Wiederverkäufer, Lieferanten
Banken (Zahlungsverkehr)
Lager
Endmontage (Stücklisten, Arbeitsaufträge, Verfügbarkeit)
Controlling (Profitcenter, Gewinn- und Verlustberichte)
Berichte (Ausstände, Cashflow, Lagerbestände)
Kosten pro Arbeitsplatz: 3750 Franken, zusätzliche Kosten für Datenbank (MS SQL-Server 7/2000) und Infrastruktur. Die Software funktioniert auf Clients ab Windows 95, serverseitig ab Windows NT. Als Minimal-Konfiguration wird ein Pentium-III-Server mit bescheidenen 600 MHz Taktrate und 256 MB Hauptspeicher angegeben.


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