Wer hat (keine) Angst vor EBPP?

Bisher erwiesen sich die meisten Systeme für die elektronische Rechnungsstellung und Zahlung als zu komplex, um akzeptiert zu werden. Die von der Zürcher Ergon entwickelte E-Faktura könnte Abhilfe schaffen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/19

     

Electronic Bill Presentment and Payment (EBPP)-Lösungen konnten bisher die gedruckte Rechnung und den Einzahlungsschein kaum in Bedrängnis bringen. Zum einen lag es an den Kosten, zum anderen daran, dass sich die Teilnehmer nicht mit einer neuen Zahlungsumgebung anfreunden mochten.
Daher übertragen die meisten der rund 900’000 Schweizer Internet-Banking-Anwender ihre Einzahlungsscheine immer noch, wenn auch ohne grosse Begeisterung, von Hand in den Computer.
Der Ärger mit den Zahlungen war auch Thema in einer Freitagnachmittagsrunde im Zürcher Software-Unternehmen Ergon, wo sich die Mitarbeitenden zwanglos über alles Mögliche unterhalten.
Da E-Banking jedoch zu den Kernkompetenzen des Unternehmens gehört – Ergon hatte die Internet-Banklösung für Credit Suisse und später den Börsenservice Youtrade entwickelt – blieb es nicht beim sich Ärgern. Stattdessen suchte man nach einer Möglichkeit, Rechnungsstellung und Zahlung in eine elektronische Form zu überführen, ohne dass sich die Anwender allzu weit von den gewohnten Abläufen entfernen müssen. Die Lösung liegt seit einigen Wochen vor. Sie heisst «E-Faktura».

PDF und XML

E-Faktura basiert im Wesentlichen auf dem PDF-Format und XML. Der Rechnungssteller übermittelt dem Empfänger die E-Faktura per E-Mail als PDF-Datei oder gibt ihm über ein Portal Zugriff auf seine Rechnung. Am Bildschirm präsentiert sich die E-Faktura wie die schriftliche Rechnung und kann so ausdruckt werden. Da sich im PDF-Format aber zusätzliche Informationen einbetten lassen, enthält die E-Faktura unsichtbar die XML-Beschreibung der Zahlung samt der elektronischen Signatur des Rechnungsstellers.
Um die Zahlung zu tätigen, importiert sie der Kunde in seine Zahlungserfassungs-Software, etwa den HTML oder Java Client seiner Internet-Banking-Anwendung. Dabei erfolgt auch gleich die Authentifizierung zwischen Rechnungssteller und Bank, um die Identität des Rechnungsstellers und die Unversehrtheit der Rechnungsdaten zu prüfen.
Anschliessend überträgt die Anwendung die Daten aus der Zahlungsbeschreibung in die Zahlungsmaske. Der Kunde muss nur noch das Belastungskonto wählen und die Zahlung freigeben. Für die Erfassung der Zahlungen können auch Offline Tools wie Paymaker oder eine Buchhaltungssoftware eingesetzt werden.
Die Lösung basiert durchgehend auf offenen Standards. Wie es sich für Open Source gehört, stellt Ergon die Software ohne Lizenzzahlungen zur Verfügung. Alois Sauter, Leiter Verkauf und Marketing bei Ergon: «Wir möchten zeigen, dass eine einfache Lösung durchaus eine Alternative zu grossen EBPP-Systemen abgeben kann.
E-Faktura lässt sich einfach implementieren. Für den Rechnungssteller dürfte sich der Aufwand im fünfstelligen Bereich bewegen, bei den Finanzinstituten richtet er sich nach der Einbettung und dem verwendeten Client. Für eine HTML-Lösung ist er etwas grösser als mit einem Java-Client. Der Kunde benötigt keine zusätzliche Software.»
Ergon hat bereits mit einigen ihrer Kunden Kontakt aufgenommen, darunter den Grossbanken Credit Suisse und UBS. Laut Sauter war das Echo positiv, auch wenn bisher noch keine konkrete Implementation geplant ist.
Von Rechnungsstellerseite hat Swisscom Interesse signalisiert. Hans Brüschweiler, Projektleiter im Bereich Billing Solutions bei Swisscom IT Services: «E-Faktura wäre meines Erachtens grundsätzlich realisierbar. Ein wichtiger Vorteil liegt darin, dass es eine klare Abgrenzung zwischen Biller und Bank gibt und kein mitverdienender Dienstleister involviert ist. Das könnte entscheidend sein, denn kein Rechnungssteller, und schon gar nicht der Kunde, ist bereit, Mehrkosten auf sich zu nehmen. Aber natürlich, wir sind IT-Leute. Entscheiden müssen die Business-Verantwortlichen.»
Genau dort könnte der Haken liegen. 1998 kostete ein Rechnungsstellungsvorgang gemäss Marktforschern durchschnittlich 14.30 Franken. Der Betrag dürfte seither nicht kleiner geworden sein. Doch den Beweis, dass E-Faktura wirklich einem Kundenbedürfnis entspricht und die Einsparungen bringt, die Ergon verspricht, könnte erst eine Implementierung erbringen.
Hier ortet Brüschweiler Schwierigkeiten: «Auch wenn die Kosten relativ gering sind, die Investitionsbereitschaft ist heute nirgends sehr gross. Zudem bedeutet E-Faktura einen Eingriff in bestehende Strukturen und damit ein gewisses Risiko. Es ist wie mit dem Huhn und dem Ei, jeder wartet auf den anderen. Dabei», fügt er hinzu, «wäre es die Sache durchaus wert, dass sich zwei Mutige fänden, die bereit sind, einen Versuch zu wagen.» (fis)


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