«Basel II» wird Investitionslawine auslösen

Während «Basel II» in unseren Nachbarländern von viel Medienecho begleitet wird, bleibt es hierzulande merkwürdig still. Dabei werden die neuen Eigenkapitalvorschriften für Banken auch in der Schweiz einiges bewegen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/19

     

Die Umsetzung der neuen Basler Eigenkapitalvereinbarung, kurz «Basel II», könnte bis 2006 weltweit Investitionen von über 150 Milliarden Dollar alleine in der Finanzindustrie auslösen. Dies schätzen Harry Stordel und Andrew Cross, die innerhalb der Credit Suisse Group die Arbeiten bezüglich «Basel II» koordinieren und leiten.
Ein Teil dieser Investitionen wird im IT-Bereich anfallen – auch in der Schweiz als einem der weltweit stärksten Standorte der Finanzindustrie. Für einzelne Finanzinstitute werden gemäss Stordel und Cross Investitionen zwischen einer Million Dollar für kleinere Banken, die nur standardisierte Methoden verwenden wollen, bis hin zu 150 Mio. Dollar fällig. Letztere Kosten gelten für internationale Banken, die ein fortgeschrittenes, internes Rating-System für Risiken einführen.

«Basel II» in Kürze

In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist das internationale Bankensystem durch einige schwere Krisen gegangen, die die Weltwirtschaft insgesamt bedrohten. Man denke nur an die «Asienkrise», an die Dauerkrise des japanischen Finanzsystems, das seinen Ursprung im Platzen einer Immobilienblase hatte, oder an die Nervosität, die der Crash des riesigen New Yorker Hedge Funds LTCM 1999 auslöste.
Solche Krisen will der «Basler Ausschuss» (siehe Kasten) durch genauere Vorschriften über die Messung von Risiken bei Banken in Zukunft verhindern. Vor allem, aber nicht nur, international tätige Banken sollen ihre Kreditrisiken besser kennen und die Bonität ihrer Kunden genauer einschätzen. Ausserdem sollen die Banken auch ihre operationellen Risiken messen und nach vorgegebenen Sätzen mit Eigenkapital unterlegen.
Zurzeit werden die Vorschläge des Basler Ausschusses in der Finanzwelt diskutiert. Bis zum 4. Quartal 2003 sollen die Vorschläge definitiv bereinigt werden, so dass die Basler Vereinbarung bis Ende 2006 in den einzelnen Ländern in Gesetze und Vorschriften umgesetzt werden können. Bis dann sollten die einzelnen Banken ihre Prozesse und Strukturen angepasst haben, um die Regeln konkret anwenden zu können.

Offene Fragen

Noch wird also einiges Wasser den Rhein hinabfliessen, bis die Basler Vereinbarung konkret in die Praxis umgesetzt wird. Aus den Stellungnahmen der Credit Suisse Group zu den Arbeitspapieren lassen sich einige offene Fragen herausdestillieren.
Der Finanzkonzern begrüsst zwar grundsätzlich das Basler Regelungswerk, hofft aber auch darauf, dass der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen gehalten wird. Harry Stordel weist darauf hin, dass die Grossbanken in der Schweiz heute – anders als etwa in Deutschland – ihre Kreditrisiken bereits weitgehend nach «Basel II»-ähnlichen Kriterien bewerten.
Die Banken fokussieren heute bei den operationellen Risiken (Risiken aus Abwicklungs- und Verabeitungsprozessen, menschlichem Versagen, externen Ereignissen) weitgehend auf ein proaktives Management und weniger auf eine zum Teil fraglich erscheinende Quantifizierung. Hier könnten, so Stordel, «signifikante Kosten» entstehen, wenn verfügt würde, diese mit zweckentfremdeten Modellen (Markt- oder Kreditrisiko-Modelle) «bottom-up» zu quantifizieren. Er hofft deshalb, dass flexible und pragmatische Ansätze bei der Umsetzung in die Schweizer Gesetzgebung gefunden werden können.
Ausserdem warnt Stordel vor einer Benachteiligung der Banken gegenüber Banken-ähnlicher Institute, die durch die Basler Vorschriften nicht tangiert werden.

Auch KMUs vor Investitionsschub

In unserem nördlichen Nachbarland wird «Basel II» breit diskutiert, auch in der IT-Channel-Presse. Es wird befürchtet, dass es schwieriger und teurer sein wird, Kredite zu bekommen. In der Schweiz ist es merkwürdig still um «Basel II». Ein Grund dafür ist gemäss Stordel, dass in der Schweiz bereits heute weitgehend ein feineres System für die Bewertung von Risiken besteht.
Trotzdem glaubt der Risiko-Spezialist der CS-Gruppe, dass auch für Schweizer Firmen ein Mehraufwand entstehen könnte. Stordel: «Wahrscheinlich werden auch KMUs in Zukunft konsolidierte Bilanzen vorlegen müssen, was heute nicht immer der Fall ist.» Der administrative Aufwand für KMU wird also steigen.
Hingegen glaubt Stordel nicht, dass es zu einer generellen Verteuerung von Firmenkrediten in der Schweiz kommen wird. Stordel: «Wir glauben nicht, dass alle KMUs in der Schweiz hohe Risiken sind. Wenn ein Kreditnehmer ein hohes Verlustrisiko darstellt, werden die Eigenmittelunterlegungspflicht und die im Preis enthaltende Risikoprämie entsprechend höher sein. Wenn ein Risiko gering ist, wird ein Kreditnehmer in Zukunft voraussichtlich aber besser dastehen als heute.»

Schub für Software-Industrie – Konsolidierung in der Bankenwelt

«Basel II» wird Software-Entwicklern und Systemintegratoren im Finanzumfeld also einen gewissen Nachfrageschub bescheren. Auch Software-Entwickler und -Integratoren mit KMU-Kundschaft werden von «Basel II» profitieren, denn nicht wenige KMUs werden ihre Buchhaltungs-Praxis und -Software anpassen wollen.
Hingegen wird sich die Tendenz zu Zusammenschlüssen kleinerer Banken und zur gemeinsamen Auslagerung der IT-Infrastrukturen verstärken. Stordel erklärt: «Hohe Risiken werden eher von kleineren Banken aufgenommen, da diese ihre Risiken mit dem Standardansatz nicht so genau bewerten wie Banken, welche den risikosensitiveren «Internal-Rating-Based»-Ansatz fahren, und deshalb ihre Preise weniger risikogerecht gestalten können. Dies könnte tendenziell zu einer geringeren Profitabilität bei kleineren Banken führen, was den Trend zu Zusammenschlüssen fördert.» (hc)

Der «Basler Ausschuss»

Traditionellerweise ist in Basel das «Comitée» ein Kreis von Insidern, die den Ablauf der Basler Fasnacht bestimmen. Das «Basel Committee on Banking Supervision» (Ausschuss für Bankenaufsicht) ist ungleich wichtiger, wenn auch wesentlich weniger bekannt. Der Ausschuss setzt sich aus den Präsidenten der Zentralbanken oder aus den für Bankenregulation verantwortlichen Behörden aus 13 Industrieländern zusammen.
Er arbeitet im Rahmen der BIZ (Bank für internationalen Zahlungsausgleich – die «Bank der Zentralbanken») in Basel. Präsident ist zur Zeit mit William McDonough der CEO der Federal Reserve Bank New York.
Eines der wichtigen Ziele des Ausschusses ist es, die Überwachung der Banken international zu vereinheitlichen. So wurde 1988 ein allgemein als «Basler Übereinkunft» bekanntes Regelwerk erarbeitet, das Vorschriften über Eigenkapital und Risikomessung für Banken enthält. Zweck der Übereinkunft, die von praktisch allen Ländern, die internationale Banken beherbergen, übernommen worden ist, ist die Sicherung der Stabilität des Bankensystems.
Die Übereinkünfte des Basler Ausschusses haben keine Gesetzeskraft. Weil aber alle Länder an einem stabilen internationalen Bankensystem interessiert sind, werden die Empfehlungen des BIZ mit grosser Sicherheit von den einzelnen Ländern übernommen und in Gesetze und Vorschriften umgesetzt.

Info


Finance Forum, Management Seminar: Finanzplatz Schweiz – quo vadis. In der Vortragsreihe zum Bankenumfeld am Mittwoch, 6. 11., spricht Dr. Harry Stordel zum Thema «Basel II Implications from a Bank’s Perspective».


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