Schweizer Hosting-Branche zwischen Freiheit und ­Verantwortung

Schweizer Hosting-Anbieter stehen vor der Herausforderung, rechtliche Sicherheit und unter­nehmerische Freiheit zu vereinen. Der neue Code of Conduct von Swico liefert das Rüstzeug für diesen Balanceakt und setzt auf Selbstregulierung statt staatlicher Kontrolle.

Artikel erschienen in IT Reseller 2025/05

   

Es beginnt wie ein typischer Morgen in einem Schweizer Hosting-Unternehmen. Die Mitarbeitenden treffen langsam ein, Small Talk über das Wochenende füllt die Büros. Doch plötzlich kippt die Stimmung. Auf einem Bildschirm erscheint eine dringende Meldung. Ein Kunde hat Inhalte veröffentlicht, die Persönlichkeitsrechte verletzen und möglicherweise Hassrede enthalten. Ein einziger Beitrag wirbelt den ruhigen Geschäftsalltag durcheinander.


Genau für solche Situationen wurde der neue Code of Conduct Hosting (CCH) von Swico entwickelt – ein Verhaltenskodex für Schweizer Hosting-Anbieter. Doch warum ist ein solches Regelwerk überhaupt notwendig?

Standards reichen nicht mehr aus

Als der CCH 2012 erstmals eingeführt wurde, schien die digitale Welt noch überschaubarer. Hosting-­Unternehmen konnten sich vorwiegend auf technische Herausforderungen konzentrieren, ohne sich um juristische Feinheiten kümmern zu müssen. Diese Zeiten sind vorbei.

Heute bewegen sich Hosting-Provider täglich durch ein Minenfeld aus rechtlichen Risiken und gesellschaftlicher Verantwortung. Eine unzureichende oder verspätete Reaktion kann nicht nur rechtliche Konsequenzen haben, sondern auch erhebliche Imageschäden verursachen.

Klare Prozesse schaffen Handlungssicherheit

Der neue CCH definiert die Verfahren Notice-and-Notice und Notice-and-Takedown, damit Hosting-Provider schnell und rechtssicher auf Beschwerden über problematische Inhalte reagieren können. Wird ein Kunde beispielsweise wegen vermeintlicher Hassrede gemeldet, ist der Provider – wie bereits im ursprünglichen CCH von 2012 – verpflichtet, den Kunden umgehend zu informieren und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Neu ist hingegen, dass der Provider in besonders eindeutigen und schwerwiegenden Fällen eigenständig entscheiden kann, den Zugang zu problematischen Inhalten direkt zu sperren. Dies gilt etwa bei offensichtlichen Gewalt­aufrufen oder extremen Persönlichkeitsverletzungen und dient dazu, weitere Schäden zu verhindern.

Neue Herausforderungen durch Europa

Ein entscheidendes Merkmal des neuen CCH ist seine Ausrichtung auf den europäischen Digital Services Act (DSA). Für Schweizer Hosting-Provider, die grenzüberschreitend tätig sind, gelten nun strengere Regeln zur Anonymität:

- Beschwerde-Meldungen (sogenannte Notices) müssen grundsätzlich anonymisiert an den betroffenen Kunden weitergeleitet werden.

- Nur wenn grundlegende Rechte wie Persönlichkeitsrechte oder Urheberrechte betroffen sind, kann von der Anonymität abgewichen werden.

Ein Beispiel verdeutlicht das Dilemma: Eine prominente Person meldet eine gravierende Persönlichkeitsrechtsverletzung auf einer Webseite. Der Provider muss nun sorgfältig abwägen, ob die Offenlegung der Identität des Beschwerdeführers notwendig ist, damit der Kunde sich angemessen verteidigen kann. Besonders geschützt wird die Anonymität hingegen bei hochsensiblen Themen wie Kindesmissbrauch.

Swico setzt auf die Stärke der Selbstregulierung

Swico zeigt nun mit dem neuen CCH, wie erfolgreiche Selbstregulierung funktioniert. Statt passiv auf staatliche Vorgaben zu warten, handelt die Hosting-Branche proaktiv und eigenverantwortlich. Dieser selbstregulierende Ansatz erlaubt es Schweizer Providern, flexibel und schnell auf neue Herausforderungen zu reagieren. Das stärkt nicht nur ihre Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich, sondern fördert auch das Vertrauen von Kunden und Öffentlichkeit in die Schweizer Hosting-Branche.

Balance zwischen Freiheit und Verantwortung

Der neue Code of Conduct Hosting bietet Schweizer Hosting-Anbietern einen praktischen Leitfaden, um die Balance zwischen digitaler Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung zu wahren. Er schafft Rechtssicherheit in einer zunehmend komplexen digitalen Landschaft und stärkt gleichzeitig die Position der Schweiz als vertrauenswürdiger Standort für digitale Dienstleistungen.

Der Autor

Quelle: Thomas Entzeroth
Giancarlo Palmisani ist seit April 2014 Mitglied der Geschäftsleitung von Swico. In seiner Funktion als Leiter Verbandsdienstleistungen und -marketing ist er verantwortlich für die Gewinnung und Betreuung der über 750 Swico-Mitglieder. Mit mehr als 25 Jahren Erfahrung in der ICT-Branche vertritt und vernetzt er die Interessen der Mitglieder gegenüber relevanten Stakeholdern. Palmisani verfügt über einen eidg. dipl. Abschluss als Betriebsökonom HF vom SIB Zürich sowie über ein CAS in KMU-Unternehmensführung der Universität St. Gallen.


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