Die deutsche Softwareschmiede Brokat hat am 23.11 beim Amtsgericht Stuttgart die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, weil – wie das Unternehmen meldet – «die Überschuldung nicht beseitigt werden konnte und derzeit keine realistische Chance der Beseitigung mehr besteht». Brokat hat sich mit den Eigentümern einer hochverzinslichen Anleihe über 125 Mio. Euro nicht einigen können.
Nun soll das operative Geschäft durch die Brokat eFinance Technologies mit 150 Mitarbeitern weitergeführt werden. Die Ausgliederung dieser Firma wurde am 12. November an der ausserordentlichen Hauptversammlung genehmigt. Noch vor einem halben Jahr hatte Brokat 1450 Mitarbeiter.
Lukratives Mobile Business verhökert
Brokat musste im Juli einen Quartalsverlust von 824 Mio. Euro melden. Daraufhin wurde beschlossen, einzelne Unternehmensteile abzustossen und sich aus dem US-Geschäft ganz zurückzuziehen. Am vorletzten Dienstag konnte sich Brokat mit eOne Global über den Verkauf des Geschäftsbereichs Mobile Business einigen.
Die Kalifornier konnten die zukunftsträchtige Sparte für nur 28,25 Mio. Euro übernehmen. Immerhin können, wenn denn die Eigentümer der oben erwähnten Anleihe der Transaktion zustimmen, durch den Deal 400 Arbeitsplätze gerettet werden. Brokat sucht weiter erfolglos nach Investoren für den verbliebenen Bereich E-Finance.
Schweizer Niederlassung gerettet
Brokat Schweiz gehört laut Kathrin Gebert, Pressereferentin von Brokat Technologies, zu der ausgegliederten Brokat eFinance Technologies und soll mit seinen acht Mitarbeitern weiterbestehen. Die Produkte im E-Finance-Bereich würden weiterentwickelt und mit den insgesamt 150 Mitarbeitern auch die Kunden weiter betreut. Brokat will sich in Zukunft nur noch auf E-Finance in Europa konzentrieren.
Über die Finanzlage der ausgegliederten Firma konnte eine Unternehmenssprecherin gegenüber IT Reseller keine Aussagen machen, da der Insolvenzverwalter die neue Situation erst begutachten und die Ausgliederung der Firma bewilligen müsse. Die Postfinance, der grösste Schweizer Brokat-Kunde, dürfte bis dahin die Hände falten und hoffen, dass die Reste gerettet werden können. (mh)
Aufstieg und Fall eines Börsenlieblings
1994: Unternehmensgründung in Böblingen (D) durch fünf Absolventen der Universität Tübingen
1998: Börsengang am Neuen Markt in Frankfurt
1999: Ernst & Young wählt den Brokat-Vorstand zum «Entrepreneur of the Year»
2000: Im März plaziert Brokat eine Anleihe über 125 Mio. Euro zu 11,5% Zins p.a. Im Juni übernimmt Brokat die amerikanischen Softwarefirmen Gemstone und Blaze für 870 Mio. Euro in Aktien.
Mai 2001: Der Vorstand korrigiert die Umsatzprognosen nach unten.
Juni 2001: Ein Fünftel der 1450 Stellen wird abgebaut und Standorte geschlossen. Die Suche nach Investoren beginnt. Auf der Hauptversammlung toben wutentbrannte Aktionäre.
Juli 2001: Der Quartalsverlust beträgt 824 Mio. Euro. Die Verhandlungen mit den Anleihegläubigern beginnt. Brokat möchte das Papier auflösen.
August 2001: Die Aufspaltung von Brokat beginnt. Die teuer erworbenen US-Firmenteile werden für einen Schleuderpreis von 24 Mio. Euro wieder verkauft. Auch den Bereich Mobile Business (Bezahlen per Handy) soll abgestossen werden. Vorstandschef Stefan Röver meldet seinen Rückzug an. Ein Sanierungsexperte übernimmt die Aufsicht.
November 2001: Bis zur ausserordentlichen Hauptversammlung am 12.11. konnte mit den Anleihegläubigern keine Einigung erzielt werden. eGlobal One erhält die Mobilfunksparte zu einem verbilligten Preis von 28,25 Mio. Euro. Am 23.11.01 meldet Brokat die Insolvenz an.