Microsoft abgeblitzt und der Täuschung verdächtigt

Während es in den USA der oberste Gerichtshof ohne Begründung abgelehnt hat, das erstinstanzliche Urteil gegen Microsoft aufzuheben, drohen den Redmondern wegen Täuschung der EU-Kommission Strafen in Milliardenhöhe.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/18

     

Microsoft muss sich vor dem Richterhammer ducken: Der oberste Gerichtshof der USA hat ohne Begründung abgelehnt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben. Wäre der im September von Microsoft gestellte Antrag erfolgreich gewesen, hätte ein völlig neuer Prozess aufgerollt werden müssen.
Das Erstinstanz-Urteil basierte auf der Monopolverurteilung von Richter Thomas Jackson, der wegen Verfahrensfehlern später vom Prozess abgezogen wurde. Er hatte die Zerschlagung des Konzerns angeordnet. Dieser Beschluss wurde Ende August vom Berufungsgericht aufgehoben. Das Jackson-Urteil, die Redmonder hätten gegen Kartellgesetze verstossen, blieb aber bestehen. Auf Grund der Ablehnung durch das oberste Gericht muss Microsoft den Ausgang der Neuauflage des Prozesses abwarten, bevor dort erneut vorgesprochen werden kann.

Strafe am 11.3.2002 bekannt

Seit März ist Richterin Colleen Kollar-Kotelly für den Fall zuständig. Sie forderte beide Parteien nachdrücklich auf, intensive Verhandlungen aufzunehmen, um sich auf das Strafmass zu einigen. Sie will bis zum 2. November vermitteln. Sollten die Verhandlungen scheitern, wird die Regierung am 7. Dezember ihre Vorschläge für das Strafmass eingeben. Am 11. März 2002 soll dann das endgültige Strafmass bekanntgegeben werden.

Gefälschte Briefe

Auch in Europa hat es Microsoft auf höchster Ebene mit den Gerichten zu tun. Dem Wallstreet Journal liegt ein vertrauliches Dokument vor, in dem die Europäische Kommission, die Exekutive der EU, drastische Strafen gegen Microsoft anstrebt. Die EU ist berechtigt, bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes des Konzerns als Strafe zu verhängen. Das wären satte 2,5 Milliarden Dollar. Im 70-seitigen Dokument heisst es, der Softwareriese habe die Untersuchungen der EU mit Absicht behindert.
Microsoft wird angekreidet seine Marktführerschaft bei Betriebssystemen und Office-Software illegal ausgenutzt zu haben. Das Windows 2000 Betriebssystem sei so programmiert, dass es nicht mit Anwendungen der Konkurrenz harmoniere. Auch sei der «Windows Media Player» illegal mit dem Betriebssystem gebündelt. Dies solle die Konkurrenz behindern. Die Brüsseler Kartellwächter meinen, all dies «friert die Innovation und den Wettbewerb ein», und dränge Konkurrenzprodukte vom Markt. Weiterhin wären kaum Schnittstellen-Informationen herausgegeben worden. Dadurch habe die Konkurrenz kaum Begleitprodukte für Windows entwickeln können.

Unschuld beteuert

Microsoft habe die Untersuchungen behindert, indem der EU-Kommission 34 Briefe übergeben worden seien, die andere Unternehmen zur Verteidigung des Softwareriesen geschrieben hätten. Es stellte sich jedoch heraus, dass Microsoft die Briefe zum Teil selbst verfasst, oder den Unternehmen bei der Bitte um Unterstützung einen völlig anderen Verwendungszweck genannt hatte.
Jean Philippe Courtois, President von Microsoft EMEA, ist trotzdem von der Unschuld der Gates-Company überzeugt: «Wenn diese Untersuchung abgeschlossen ist wird die Europäische Kommission sehen, dass wir unser Business voll in Einklang mit den Europäischen Gesetzen führen.» Microsoft wäre sogar sehr engagiert, die Kompatibilität seiner Produkte mit denen der Konkurrenz zu gewährleisten. (ava)


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