Microsoft drängt in den CMS-Markt

Bringt der Content Mangement Server 2001 die Konkurrenz ins Schwitzen?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/15

     

Erstmals in der Schweiz hat die Bieler Aseantic AG (ehemals Adcore) an einem Kundenseminar den Content Management Server 2001 vorgestellt. Der Andrang war gross: Rund 140 Interessierte liessen sich das neue Tool vorführen. Der CM Server sei für eine erste Version bereits recht ausgereift, meinte Aseantic Communication Manager Artur P. Schmidt im Anschluss an die Veranstaltung gegenüber IT Reseller.
Die Bieler setzen auf das neue Microsoft-Produkt, weil «viele Kunden befürchten, dass es kleinere Anbieter vielleicht in ein paar Monaten nicht mehr gibt. Da fühlen sie sich bei einem Grossen wie Microsoft besser aufgehoben.» Aseantic möchte die Gunst der Stunde nutzen, seine Position als Certified Solution Provider zu einer Strategischen Allianz im Bereich Content Management Systeme ausbauen und damit zu einem «Key Partner bei IT-Projekten für Microsoft Schweiz» werden.

Kinderkrankheiten

Kenner sprechen allerdings davon, dass CM Server 2001 durchaus noch Kinderkrankheiten aufweise. Microsoft hatte sich in Bezug auf CMS lange zurück gehalten, bis in diesem Frühjahr das alte Spiel begann: Im März hatte die kanadische Firma NCompass Labs Resolution 4.0 auf den Markt gebracht, ein offenbar respektables Tool, das aber international kaum Wellen schlug. Im Mai kaufte der Software-Riese NCompass auf, und kaum drei Monate später bringt er das zu Content Management Server 2001 umbenannte Tool unter die Leute.
Viel Zeit für technische Verbesserungen blieb nicht. Das Tool wurde Windows 2000-tauglich gemacht und der Preis mit 39’000 Dollar (pro CPU) gegenüber den 59’000 Dollar, die NCompass ohne die jetzt integrierten Zusatzmodule Server-Clustering, Content-Connector und Site Deployment Manager pro Server verlangte, in etwa halbiert. Unter Windows 2000 soll CM Server 2001 laut Microsoft die doppelte Performance der bisherigen NCompass-Software unter NT bieten.
Microsoft betont zudem, dass sich der Content Management Server 2001 nahtlos in die Microsoft .Net-Plattform einfüge und mit dem Commerce Server und dem Sharepoint Portal Server kombinieren lasse. Das zeigt, worauf es den Redmondern vor allem ankommt: Wo Windows drauf steht, da will man auch die Standards setzen. Denn selbst als «Komplett-Lösungen» angepriesene CMS-Lösungen basieren immer auf einzelnen Komponenten und müssen in bestehende Strukturen eingebettet werden.

Konkurrenz (noch) gelassen

Die Mitbewerber scheinen bisher noch nicht vor Schreck erstarrt. Daniel Heck, Pressesprecher von Day, beruhigt: «Wir sind im Bereich Enterprise Business Software tätig. Microsoft zielt mit seinem Händlernetz nicht auf diesen Markt. Zudem fokussiert sich Microsoft auf eine einzige Technologie, während Day nicht nur für Microsoft-, sondern auch für andere Technologien und Plattformen wie Unix oder Linux offen ist.» Und er erklärt: «Die Praxis lehrte uns, dass bei grossen und komplexen Installationen heterogene IT- Landschaften fast immer die Regel sind. Day passt sich dabei den vorhandenen IT-Infrastrukturen an und verlangt nicht das Umgekehrte.»
Doch Unternehmen wie Obtree und Day, die in der Schweiz im CMS-Markt durchaus mitreden, ist es nicht gelungen, in den USA Fuss zu fassen. Im Gegenzug schaffte auch Marktleader Intervowen den Sprung nach Europa nicht wirklich. Bei der allgemeinen Verunsicherung rund um die Dot-Com-Unternehmen hat die omnipräsente Microsoft hier einen klaren Marketing-Vorteil.
Es wäre auch nicht das erste Mal, dass die Redmonder über Preis und Marketingmacht ein noch nicht ganz ausgereiftes Produkt auf den Markt drücken und gewinnen. Man erinnere sich nur an NT versus Unix oder Explorer gegen Netscape. Ist die Kundenbasis erst einmal da, lassen sich Unvollkommenheiten in einer nachgereichten, zweiten Version immer noch ausbügeln. Die Intervowen-Aktie jedenfalls sackte nach der Ankündigung von CM Server 2001 im August deutlich ab.

Der Appetit kommt mit dem Essen

Etablierte Anbieter brauchen sich möglicherweise vorläufig noch keine allzu ernsthaften Sorgen zu machen. In Grossfirmen ist jetzt der Ausbau der Systeme angesagt. Dabei kommt der Skalierbarkeit die entscheidende Rolle zu. Und diese spiegelt sich zumindest teilweise im Preis. In der heutigen wirtschaftlichen Situation sind nicht viele Unternehmen in der Lage und willens, in den verlangten Grössenordnungen mitzuspielen – wohl einer der Gründe, weshalb CMS bisher vor allem in Grossunternehmen zu finden sind.
Mit einem Lizenzpreis von rund 75’000 Franken bewegt sich Microsoft auf einer anderen Ebene. Früher oder später werden auch KMU Bedarf an CMS haben. Sie stellen geringere Anforderungen an Skalierbarkeit und die Unterstützung verschiedener Plattformen. Die .Net-Angebote von Microsoft liegen ihnen daher näher als ihren grösseren Brüdern.
Schlaflose Nächte dürfte Microsofts Content Management Server 2001 vor allem kleineren CMS-Anbietern bereiten, die noch nicht genügend etabliert sind. Sie haben der Marketingmacht aus Redmond wenig entgegen zu setzen und werden sich wohl über kurz oder lang auf einen Nischenmarkt zurückziehen müssen, kooperieren oder ganz verschwinden.
Doch der Appetit kommt mit dem Essen. Wenn sich Microsoft erst einmal im Midrange-Bereich etabliert hat, könnte bald auch der Highend-Markt ins Visier des Software-Riesen geraten. (fis)


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