Alle reden davon. Kein Tag, an dem nicht ein weiterer Hersteller seine neuentdeckte Liebe zu Linux kundtut.
IBM, Compaq,
Novell und
Oracle haben Anteile am Linux Distributor Red Hat erworben. Müssen sich VARs und Systemhäuser jetzt ernsthaft auf das Ausserseiter-System einstellen? Und was bezwecken Hersteller, die ein System unterstützen, das letztlich ihr hauseigenes Unix konkurrenziert?
Das Unix-ähnliche Linux ist mittlerweile den Kinderschuhen entwachsen. Die neuen Versionen laufen auf praktisch allen gängigen Hardwareplattformen und sind vor allem bei Internetservern weit verbreitet. Dem Einzug von Linux in die Unternehmen stand bisher einzig entgegen, dass das System schwierig zu installieren und Support praktisch nur in Internet-News-Gruppen zu finden war. Das hat sich geändert: Linux-Distributoren wie Caldera, Red Hat und die deutsche Suse bieten für ihr Linux einfache Tools und professionellen Support an, der allerdings bezahlt sein will.
Die Investitionen einiger Branchenriesen in die Firma Red Hat zeigen, dass sich die IT-Welt langsam auf Linux einstellt. Red Hat CEO Robert Young, der sich durch seinen Marketingerfolg (400’000 verkaufte Systeme im Jahr 1998) dem Misstrauen der «alten» Linuxgemeinde von Hackern ausgesetzt sieht, kontert: «Unser Erfolg wird Linux im Ganzen helfen. Im übrigen wird jede Zeile Code publiziert, wie es die GNU-Lizenz vorschreibt.»
Compaq: Verkaufshilfe für Alpha
Das Open-Source-Modell von Linux steht im Gegensatz zu proprietären Betriebssystemen wie MS Windows oder True64 Unix von Compaq. Trotzdem hat sich Compaq – anders als
Microsoft, die scharf in Abrede stellte, eine Linux-Version von Office zu erarbeiten – offen zu Linux bekannt und an Red Hat beteiligt. Don Jenkins, Marketingdirektor für Compaq Unix Systeme, erklärt: «Wir sind der Meinung, dass Linux eine ernstzunehmende Entwicklung ist. DEC, die wir im letzten Jahr übernommen haben, hat Linux unterstützt, insbesondere im Bemühungen, es für den Alpha-Prozessor tauglich zu machen. Mit Red Hat, dem bisher einzigen Anbieter, dessen Linux auch auf Alpha-Chips läuft, arbeiten wir schon länger zusammen.»
Die Investitionen von Compaq scheinen vor allem den Zweck zu haben, dem Unternehmen zu helfen, seine Alpha-Systeme zu verkaufen und zu gewährleisten, dass sich Linux mit True64 Unix in gemischten Umgebungen versteht. Jenkins: «Linux und True64 Unix ergänzen sich. True64 Unix ist allerdings weit besser mit High-End-Features ausgestattet. Bis Linux diesen Stand erreicht, wird es noch einige Zeit dauern.»
IBM: Eigener Linux-Support angekündigt
Aus ähnlichen Gründen hat
IBM, ebenfalls mit hauseigenem Unix, in verschiedene Linux-Distributoren investiert und versichert, selber Linux-Support bieten zu wollen. Angekündigt wurden Linux-Portierungen der WebSpher-Produkte, der javabasierten Transaktionsverarbeitung und des On-Demand-Servers. Selbst für bestimmte RS/6000-Maschinen stellt IBM Linuxversionen in Aussicht. Ausserdem sollen in Zukunft auch Linux-Applikationen mit dem Gütesiegel «Server-Proven» zertifiziert werden.
Weitere Unternehmen, die trotz eigenem Unix Linux unterstützen, sind namentlich Silicon Grahics, HP, SCO und Sun.
Dell liefert neuerdings sogar PCs mit vorinstalliertem Linux aus.
Novell: «Perfekt mit NDS»
Auch beim Netzwerkspezialisten
Novell, der sich ebenfalls an Red Hat beteiligt hat, überlappen sich die eigenen Produktelinien mit Linux-Angeboten. Young von Red Hat meint dazu: «Viele Unternehmen leben in Multiplattform-Umgebungen. Wenn wir sicherstellen, dass Linix mit andern Systemen kompatibel ist, müsste das die Kunden eigentlich glücklich machen.» Und er fügt auf Novell bezogen hinzu, dass Linux perfekt in die Strategie für die NDS (Novell Directory Management)-Software passe.
SAP: «Der Kunde ist König»
Nicht ganz so begeistert von Linux zeigen sich die Hersteller von Resource Management Software. Peoplesoft etwa hat seinen Bedenken deutlich Ausdruck gegeben. SAP-Sprecher Plattner anderseits hat auf der zu Ende gegangenen Cebit erklärt, es bestehe bei
SAP eine beträchtliche Kundennachfrage nach Linux. Man habe zwar gute Erfahrungen mit Windows NT gemacht, doch sei der Kunde König. Mit SAP-Hardwarepartnern wie
IBM, HP,
Siemens und Compaq wurden Absprachen getroffen, um R/3-Systeme auf Linux voraussichtlich im Herbst auszuliefern. Von Siemens und Compaq waren auf der Messe bereits solche zu sehen.
Oracle: Vorreiterrolle für Red Hat
Datenbankhersteller sind vor allem wegen der Anbindung ans Web und an
E-Mail-, File- und Printservices an Linux interessiert. Young von Red Hat ist natürlich nicht unglücklich, dass sich
Oracle da in eine Vorreiterrolle begibt: «Wenn unser Linux für die Oracle-Engines gut genug ist, ist das System in der Lage, jede DB optimal zu unterstützen.»
Das scheint nicht ganz aus der Luft gegriffen. Kenner meinen, dass das System zwar gratis oder zu einem sehr geringen Preis abgegeben werde, seine besonderen Qualitäten jedoch in seiner Zuverlässigkeit, Schnelligkeit und nicht zuletzt darin liegen, dass Linux – da der Sourcecode kein Geheimnis ist – jederzeit an die Bedürfnisse des Unternehmens angepasst werden kann. (fis)