Ein neues Gerücht geht durch die IT-Welt:
Microsoft spiele mit dem Gedanken, den Source Code des neuen Betriebssystems Windows 2000 im Sinne des Open Source - Modells zu veröffentlichen.
An der Windows Hardware Engeneering Conference in Los Angeles goss Microsoft Präsident Steve Balmer allerdings Öl auf die Wogen, indem er auf eine entsprechende Frage meinte, man sei in diesbezüglich eher zurückhaltend, verschiedene CEOs hätten durchblicken lassen, dass sie nicht unbedingt glücklich wären, wenn in ihren Firmen am Code von Windows herumgebastelt würde. Immerhin liess er die grundsätzliche Möglichkeit offen, denn die Veröffentlichung des Codes von Windows war auch in Zusammenhang mit dem Antitrust-Prozess als mögliche Massnahme zur Sprache gekommen. Der Prozess wird zwar frühestens am 10. Mai fortgesetzt, doch die Diskussion um das Für und Wider eines solchen Schrittes ist seither nicht zur Ruhe gekommen.
Open Source bedeutet, dass die Originalbefehle einer Software frei zur Verfügung gestellt und von jedermann modifiziert werden können. Das Modell erwies sich insbesondere beim Debugging und der Weiterentwicklung von Linux als erfolgreich. Doch Firmen, die sich auf das Open Source-Modell einlassen, begeben sich auf eine Gratwanderung zwischen den Vorteilen einer breiten Unterstützung durch aussenstehende Programmierer und der Gefahr, dabei die Kontrolle zu verlieren. Bisher haben sich nur wenige grössere Firmen darauf eingelassen, wenigsten Teile ihrer Betriebssysteme zu veröffentlichen, darunter Sun,
Apple und Silicon Graphics.
Microsoft befindet sich – trotz Ankündigung einer weiteren Windows 98-Version (vergleiche Seite 5) – mitten im Versuch, die Entwicklung von Windows 98 und NT zu vereinheitlichen und dabei den Original DOS-Code endlich über Bord zu werfen. Brian Valentine, als MS-Vizedirektor für die Windows-Betriebssysteme verantwortlich, denkt denn auch laut darüber nach, den Code des NT Kernels öffentlich zu machen. Trotzdem bleiben viele Open Source-Leute eher skeptisch. Michael Tiemann etwa, Mitbegründer der Open Source-Softwarefirma Cygnus, meint, dass Microsoft mit ihren Andeutungen vor allem einen Versuchsballon steigen lassen wolle. Er meint, ein Schritt in Richtung Open Source-Strategie sei vor allem als gezielter Schachzug im Antitrust-Prozess zu verstehen.
Problematisch scheint die Sache tatsächlich: Einer der Gründe, weshalb die Strategie bei Linux funktionierte, besteht laut Tiemann darin, dass Linux nur gerade eine halbe Mio. Codezeilen umfasst und von Anfang an modular und leicht verständlich konzipiert wurde. Windows mit seinen über 30 Mio. Zeilen dagegen sei über Jahre entwickelt worden, ohne dass je eine Notwendigkeit bestanden habe, den Code für Aussenstehende verständlich zu machen.
Ein Beispiel dafür, dass diese Schwierigkeit tatsächlich besteht, ist der Browser Communicator 5, dessen Code von Netscape über Mozilla.org als Open Source-Projekt lanciert wurde. Nach einem Jahr ist das Ergebnis ernüchtend: Nur wenige Programmierer ausserhalb von Netscape haben sich mit den 17 Mio. Codezeilen befasst und es gab keine wichtigen Produkte von Drittherstellern.
«Open Source ist eben mehr als einfach ein Stück Softwarecode zu veröffentlichen», meint Dave Sifry, dessen Firma Linuxcare den Linux-Support für Kunden verschiedener Firmen, darunter
Dell Computer, besorgt. «Open Source», sagt er, «ist eine Methode und zugleich eine Kultur, die im klaren Gegensatz zu allem steht, was Microsoft bisher vertreten hat.» Trotzdem sei es, so unglaublich das töne, durchaus möglich, dass Microsoft eine echte Open Source Anstrenung unternehmen werde. «Man soll Microsoft nicht unterschätzen», meint er, «es gibt dort eine ganze Reihe smarter Leute.» (fis)