«Die PC-Ära ist vorbei». Die pointierte Aussage von IBM-Präsident Lou Gerstner hat einigen Staub aufgewirbelt. Und wurde vom ersten Quartalsergebnis von
IBM, wenigstens was den Umsatz betrifft, bereits wieder Lügen gestraft. Walter Münch, Leiter des Bereichs Personal Systems Group bei BM Schweiz, legt denn auch Wert drauf, dass die Aussage Gerstner im Zusammenhang zu sehen sei.
PCs bilden, wie Münch betont, nach wie vor einen wichtigen Bestandteil der Lösungsangebote, vor allem im KMU-Umfeld. Die Gründe für die Verluste im letzten Jahr lagen laut Münch in den Lagerbeständen zu Anfang 1998 und im Preissturz im ersten Halbjahr. Doch IBM habe bereits im zweiten Halbjahr durch einen forcierten Umsatz den Turnarond geschafft. Dieser Tend scheint sich nun mit einem Wachstum von ca. 10 Prozent fortzusetzen. Für diesen Optimismus sprechen auch die soeben vorgestellten, neuen Produkte im PC- und Notebook-Bereich.
Paradigma-Wechsel
Grundsätzlich hat sich in der Industrie, so die Überzeugung von
IBM, ein neues Paradigma durchgesetzt: Das Netzwerk oder wie IBM lieber sagt, «e-business». Bei den Anpassungen an diese veränderte Umwelt sieht IBM eine ihrer Stärken. Münch: «Wir selber sind mit unseren Intranetstrukturen und unserem internen Workflow das beste Beispiel für unsere Kompetenz auf diesem Gebiet.»
Dass damit auch der Verkauf von PCs für den Businessbereich, Servern und Consumer-PCs gefördert wird, ist für Münch klar. In allen drei Gebieten kann IBM in Europa auf hübsche Zuwachsahlen verweisen, am stärksten bei den Servern, wo das Wachstum 1998 laut IBM annähernd 90 Prozent erreichte. Diese Angaben stützen sich neuerdings nicht mehr auf die an den Channel ausgegebenen Rechner, sondern auf die Verkäufe an Endkunden. Für die Schweiz werden zwar keine Zahlen bekannt gegeben, doch sollen sie laut Münch etwa im gleichen Rahmen liegen, wobei Server und Notebooks am meisten zum Wachstum beitrugen.
Weltweit hat sich IBM mit 15,8 Prozent Marktanteil zudem ein schönes Stück aus dem wachsenden Kuchen der Intel-gestützten Server herausgeschnitten. Münch, nicht ohne Stolz: «In diesem Bereich sind wir im letzten Jahr schneller gewachsen als
Dell.»
Trotz dem Vergleich mit Dell steht für IBM aber der Verkauf über die Reseller nicht zur Disposition. Ein direkter Online-Kanal ist, wie Münch beteuert, nicht geplant. Kunden, die online bei IBM bestellen, werden an die Partner verwiesen. Selbst in dem für Herbst geplanten, umgebauten Webladen «Shop IBM» wird der Kunde zwar die Konfiguration seiner PCs selber zusammenstellen und die Bestellung online tätigen können, doch Versand und Zahlungsabwicklung laufen weiterhinüber die Partner. (Siehe Seite 20)
Neu jedoch will IBM im traditionellen Kanal Grosskunden direkt beliefern. Münch erklärt: «Das ist für uns vor allem ein Türöffner, um Kunden von Dell abzuwerben und Leute zurück zu gewinnen, die wegen der fehlenden Möglichkeit, direkt bei uns zu kaufen, abgesprungen sind. Ich bin jedoch sicher, dass unsere Businesspartner darunter nicht leiden werden. Unsere Aktivitäten bringen ihnen im Gegenteil zusätzliche Aufträge.» Im übrigen hätten Untersuchungen gezeigt, dass das Verhältnis zwischen direktem und indirektem Kanal sich etwa im Verhältnis drei zu sieben eingependelt hätte. Münch ist überzeugt, dass sich daran in absehbarer Zukunft nichts ändern wird.
Im Zusammenhang mit den Verlusten im letzten Jahr wurde IBM von vielen Analysten nahegelegt, das Zusammenbauen von PCs externen Assemblierern zu überlassen. Das wird heute auch weitgehend so gehandhabt. Die Einsteigermodelle Aptiva und die kleinen Thinkpads werden weltweit von
Acer gefertigt.
Für die anderen Modelle besteht ein Assemblerprogramm, in das ein paar grosse Distributoren und VARs eingebunden werden sollen. Die Maschinen tragen IBM-Seriennummern und verfügen über IBM-Suport und -Garantie. Sie können vom Distributor an den regionalen Markt oder vom VAR an die speziellen Bedürfnisse der Kunden angepasst werden.
Channel Assembly: Schweiz zu klein
Münch gibt zu: «Natürlich sind die Margen nicht besonders gross. Selbst wenn sie in Prozenten gleich geblieben sind, wurden sie mit den sinkenden Harwarepreisen real kleiner. Gewinnbringend kann dieses Geschäft nur sein, wenn genügend grosse Volumen umgesetzt werden.»
Münch schätzt die kritische Masse auf 30 bis 40’000 Rechner pro Jahr, eine Grössenordnung, für welche die Schweiz bereits keinen genügend grossen Markt mehr bietet. «Wenn aber Distributoren und Dealer gemeinsam assemblieren, kann das nötige Volumen zusammenkommen. Ausserdem tragen in dieser Konstellation Added Value und Dienstleistungen zusätzlich zum Umsatz bei.»
Das drittes Assembling-Modell wird in Europa zur Zeit erprobt: Versuchsweise assembliert der englische Distributor Northamber PCs in eigenener Regie im IBM-Werk in Schottland. Der Vorteil dieses Modells liegt vor allem in den kurzen Lieferwegen. Es wurde in den USA bereits erfolgreich erprobt.
Für die
IBM Personal Systems Group heisst das Ziel, weiterhin Wachstum zu erarbeiten, sowohl im klassischen PC-Geschäft, wie bei den Intel-basierenden Servern und mit PCs als Arbeitsgeräten im E-Business. (fis)
Was Gerstner wirklich sagte:
«Die PC-Ära ist vorbei. Das bedeutet nicht, dass die PCs verschwinden, so wenig, wie die Mainframes mit der Einführung des PC verschwanden. Doch die Herrschaft des PCs als primäre Entwicklungsplattform ist vorüber. Sie wurde durch das Netzwerk abgelöst.»