Showstars an der Internet World

Die New Yorker Internet World diente einmal mehr den IT-Promis als Plattform zur Selbstdarstellung.

Artikel erschienen in IT Reseller 1999/18

   

Messen sind für alles Möglichen gut: Um sich über neue Trends und Produkte zu informieren, um günstig einzukaufen oder um Visitenkarten auszutauschen und neue Geschäftsverbindungen zu knüpfen. Nicht zuletzt dienen sie jedoch CEOs dazu, ihre Unternehmen und sich selber dem Publikum in bester Showstar-Manier zu präsentieren.
Das gilt auch für die letzte Woche zu Ende gegangene Internet World in New York. Craig Barret, CEO von Intel überbrachte dort die Botschaft: «e-business or die!». Wer im E-Business nicht mithält, stirbt. Und beim Überleben hilft «Intel inside» am besten.
Barret prophezeite, dass in fünf Jahren eine Milliarde Computer an einem elektronischen Triliarden-Dollar-Markt hängen werden. Wer in dieser E-Business-Welt überleben will, muss Geschäftsmodelle entwickeln, die mehr können, als Produkte und Dienstleistungen über das Netz zu verkaufen. Das Internet muss nach Barret in die täglichen Arbeitsabläufe einbezogen werden. Um dahin zu kommen, empfahl er drei Schritte: Die geschäftliche Infrastruktur aufbauen, die Geschäftsprozesse an die neuen Gegebenheiten anpassen und schliesslich die Informationen und «Feedback-Schlaufen», die das Internet bietet, nutzen, um einen besseren Kontakt mit den Kunden aufzubauen. Je schlanker und effizienter das elektronischen Geschäftsmodell sei, desto besser für die Kunden.
«Und natürlich», fügte er hinzu, «ist es nicht schlecht, wenn man dafür die neuesten Pentium-Prozessoren einsetzt.» High-Speed Internetzugänge für Heimanwender verlangen neue Programme, die ihrerseits nach immer leistungsfähigeren Chips rufen. Und wer kann die anbieten? Natürlich Intel. Das Unternehmen möchte, so Barret, vom wichtigen Zulieferer für die Computer-Industrie zum zentralen Zulieferer für die gesamte Internet-Ökonomie werden. Das zwinge Intel dazu, in Kommunikations- und Netzerkfirmen zu investieren. In diesem Zusammenhang sei auch der kürzliche Erwerb von iPivot zu sehen, einem Hersteller von E-Commerce Ausrüstung.

Mr. Ellison beliebt zu scherzen...

Konnte Barret für seinen Auftritt freundlichen Applaus entgegennehmen, so hatte Oracle CEO Larry Ellison als geübter Key-Note-Redner die Lacher wie meist auf seiner Seite. Denn was ist unser Unglück, fragte der Datenbankhersteller, und antwortete: «Dass wir zu viele Datenbanken haben.» Seine Redezeit nutzte er, um für ein Ende der weltweit in tausende von Client/Server-Architekturen verstreuten Datenbanken zu plädieren. An ihre Stelle sollen zentrale Web-Dienstleistungen treten.
Da die Hardware immer billiger geworden war, seien überall komplexe Datenbankanwendungen entstanden. «Und dann machte man erst noch den schrecklichen Fehler, sie auf dem Desktop zu betreiben», meinte Ellison, «Wir dachten, dass wir damit die Macht verteilen, aber was wir wirklich verteilten, war Unübersichtlichkeit.»
Als Beispiel nannte er sein eigenes Unternehmen. Oracle habe weltweit um die 70 Datenbaken allein für die Personalverwaltung. Wenn er wissen wolle, wie viele Mitarbeiter Oracle habe, oder in welchem Land die höchsten Gehälter bezahlt würden, so habe er die grösste Mühe, das schnell herauszufinden. Ellisons Antwort: Ein neues Informationsmodell – das Web. Daten auf wenigen Servern, abrufbar von überall her.

Gekicher und Szenenapplaus

Oracle selber will, wie Ellison sagte, die Zahl ihrer Datenbanken radikal verkleinern und die heute 40 Datenzentren in aller Welt auf zwei reduzieren. Dies verkündet, wandte er sich an die anwesenden Entwickler: «Hört auf, Programme für Windows zu entwickeln!» rief er ihnen zu. Microsoft habe laut verkündet, Windows 2000 sei das komplexeste Projekt in der Geschichte der Menschheit. «Menschen auf den Mond schicken, Atome spalten – vergiss es», meinte der alte Microsoft-Widersacher ironisch. Statt den Desktop immer komplizierter zu machen, beweise doch gerade das Internet, dass man es einfacher haben könne. «Mit einem Browser ist jedermann problemlos in der Lage, auf alle Server und Daten zuzugreifen, die benötigt werden», pries Ellison den Net Application Server als das neue Jerusalem der Computerwelt.
Statt kleine Unternehmen zu zwingen, Windows 2000 zu installieren, damit sie die Buchführung und ihre Bankgeschäfte bearbeiten können, werde schon bald jedermann in einen Web-Service einloggen und die Arbeit online erledigen. Schon nächste Woche werde Oracle ein entsprechendes Portal-Projekt namens Panama ankündigen, das allen erlaube, jede benötigte Applikation auf einen Palm Organizer oder ein Handy zu holen. Allerdings liess er sich nicht weiter darüber aus, wann, wie und wo das alles stattfinden soll. Die Zuschauer kicherten und applaudierten bei jedem Seitenhieb auf Microsoft und nahmen das Versprechen einer einfacheren Computerzukunft dankbar entgegen.
Als er in der folgenden Diskussion gefragt wurde, was denn ein Grafiker oder Schriftsteller tun soll, der eher ein individuelles System als eine Internet-Anwendung benötige, antwortet Ellison: «Individualisten werden einen Macintosh benutzen.» Leider war Steve Jobs nicht anwesend, um ihm das zu bestätigen. (fis)


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