Dreimal tief durchatmen

Verkäufer gehören in unserer Gesellschaft zu den hartnäckigen Zeitgenossen, sind sie es sich doch gewohnt, bis zum (Ab-)Schluss zu kämpfen. Doch wehe, wenn sie mal ein Projekt an die Konkurrenz verlieren. Oft reagieren sie dann unwirsch und verbauen sich so mögliche Chancen für die Zukunft.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/04

     

Es war ein nobler Auftritt nach einem harten Wahlkampf, als John McCain in Phoenix vor 6000 Republikaner trat, um seine Niederlage gegen Barack Obama einzugestehen. Mit Tränen in den Augen sprach der Vietnam-Veteran zu seinen Parteifreunden und rief diese zur Einigkeit auf: «Was immer unsere Meinungsunterschiede sind, wir sind doch gemeinsam Amerikaner!», sagte er und meinte im Laufe seiner Rede weiter: «Obama war mein Kontrahent, jetzt ist er mein Präsident.» John McCain, der glücklose Held, welcher bis zuletzt ums Präsidentenamt gekämpft hatte, bewies in der Stunde seiner Niederlage menschliche Grösse.

Als Unterlegener dem Sieger die Hand zu reichen, gelingt nicht immer. Gerade Verkäufer, die darauf getrimmt werden, als Sieger vom Platz zu gehen, tun sich mit Niederlagen besonders schwer. Die für die Akquise wichtige Emotionalität wird Verkäufern in Situationen, in denen sie zu Scheitern drohen, oft zum Verhängnis. Verbissen wollen sie selbst dann noch gewinnen, wenn es gar nichts mehr zu gewinnen gibt. So schreiben sie zum Beispiel ihren Kunden hasserfüllte Mails, wenn diese nach zähen Verhandlungen am Ende der Konkurrenz den Auftrag erteilen. Sie waschen ihrem Chef mal so richtig die Kappe, wenn sie diesem die Kündigung auf den Tisch knallen. Oder sie zerren ihren Arbeitgeber vor Gericht, weil sie der Meinung sind, dass ihnen ein höherer Bonus zusteht. Was anfänglich vermutlich noch mit einem klärenden Gespräch hätte geregelt werden können, eskaliert auf einmal sehr schnell.


Charaktereigenschaften wie unbedingter Siegeswille, Hartnäckigkeit und Biss, welche für einen Verkäufer unabdingbar sind, erweisen sich in Konfliktsituationen als hinderlich und werden für die Betroffenen selbst zum Bumerang. Denn wenn jeder auf seinem Standpunkt beharrt, gibt es am Schluss nur Verlierer. Zu diesem Ergebnis kommt auch der österreichische Ökonom Friedrich Glasl: In seinem Eskalationsmodell unterscheidet er neun verschiedene Phasen: So verlagert sich gemäss Glasl der Konflikt, je härter er geführt wird, zunehmend von der Sach- auf die Beziehungsebene. Es werden Verbündete gesucht, der Gegner soll entlarvt, diskriminiert und seine Glaubwürdigkeit in Frage gestellt werden. Am Ende der negativen Konfliktspirale will man die Macht- und Existenzgrundlage des Gegners zerstören, und wenn dies auch nicht gelingt, bleibt als einziger Trost, dass man den Feind mit sich in den Abgrund zieht. Wie aber soll man sich in einer Situation verhalten, in der man unterlegen ist?

Nur kämpfen, wo es sich lohnt

In seinem Beststeller «Was Sie hierher gebracht hat, wird Sie nicht weiterbringen», ortet Marshall Goldsmith den Drang, ständig gewinnen zu müssen, als das mit Abstand grösste Verhaltensproblem bei erfolgreichen Menschen. Goldsmith dazu in seinem Buch: «Vieles, was wir tun, lässt sich darauf zurückführen, dass wir in einer irrelevanten Situation überflüssigerweise versuchen, als Gewinner dazustehen.» Zwischen dem Gewinnen, wenn es wirklich zählt, und dem Siegenwollen um jeden Preis, verläuft eine schmale Trennlinie, die Verkäufer oft überschreiten. Wer darum mit jedem Arbeitgeber im Streit auseinandergeht, sich dauernd mit Kollegen und Geschäftspartnern überwirft und dabei immer den anderen die Schuld gibt, sollte sich fragen, inwieweit die eigene Uneinsichtigkeit und der Drang, immer und überall als Sieger vom Platz gehen zu wollen, nicht die eigentliche Ursache des Problems ist.

Erst denken, dann handeln

Verkäufer, die ihre Umsätze realisieren wollen, müssen Macher sein, die ihrem Instinkt folgend genau spüren, wie sie am besten ihre Ziele erreichen können. So wertvoll solche Qualitäten im Verkaufsprozess sind, so nachteilig können sie sein, wenn es angebracht wäre, einen Gang runterzuschalten, bevor man bei einer sich abzeichnenden Niederlage impulsiv zur Tat schreitet. Von einem Verkaufsleiter habe ich einmal den Tip erhalten, vor dem Versand einer brisanten E-Mail mindestens 24 Stunden zuzuwarten. Dies tatsächlich zu tun, hat mir selber schon einigen Ärger erspart, sieht doch die Welt nach einer überschlafenen Nacht meist ganz anders aus. Selbst wenn man am Ende durch sein unbeugsames Verhalten den Sieg doch noch erringen sollte, kann der Preis, den man dafür bezahlt, unverhältnismässig hoch sein.

Immer eine Türe offen lassen

Matthias Schranner, ehemaliger Verhandlungsführer bei Geiselnahmen bei der deutschen Polizei und heute selbständiger Management-Trainer, erwähnt im Buch «Best Practice im Key Account Management», wie wichtig es ist, in schwierigen Verhandlungssituationen immer mehrere Alternativszenarien zur Hand zu haben. Unter keinen Umständen sollte man sich selber und den Kunden in eine Sackgasse manövrieren. Denn dort, so Schranner, ist zielgerichtetes Handeln nicht mehr möglich, da jeder nur noch versucht, sein Gesicht zu wahren.

Als Verkäufer kommt man immer wieder in Situationen, in denen man ein Projekt an einen Konkurrenten verliert. Diese Erfahrungen gehören zum Alltag eines Vertriebsmitarbeiters. Entscheidend ist aber, dass man sich auch jetzt noch eine Tür offen- hält und den Kommunikationsfluss nicht abreissen lässt. Denn wer weiss: Vielleicht ändert sich im Laufe der Jahre plötzlich etwas am Kundenumfeld, oder man wechselt den Arbeitgeber und hat so einen anderen Zugang zum Kunden. Hat man, als das Projekt verloren ging, seinen Ärger für den Moment heruntergeschluckt, kann man später unbelastet aufeinander zugehen.


Es liegt wohl in der Natur des Menschen, dass wir alle gerne gewinnen und uns von den anderen gerne als Sieger feiern lassen. Doch dies ist nicht immer möglich, selbst wenn wir hart dafür arbeiten. Wir tun darum gut daran, zu lernen, faire Verlierer zu sein.

Der Autor

Markus Schefer (41) ist selbständiger Personal- und Unternehmensberater. Daneben ist der ­ausgebildete Primarlehrer Dozent für das Fach «Verkauf» an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Er verfügt über langjährige Vertriebserfahrung im In- und Ausland, unter anderem bei IBM und Reuters.
www.scheferpersonal.ch
markus@scheferpersonal.ch

Das nächste Mal

Gerade die so freiheitsliebenden Verkäufer träumen davon, sich irgendwann einmal selbständig zu machen. Was es zu beachten gilt, wenn man den Schritt in die Selbständigkeit wagt, erfahren Sie in der nächsten Ausgabe.


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