Mutierte Telcos in einer vernetzten Welt

Telekommunikations-Unternehmen haben in den letzten Jahren ihre Geschäftstätigkeiten grundlegend verändert. Dabei haben es die meisten geschafft, aus ihren angestammten Geschäften neue Dienstleistungen zu kreieren. Die Notwendigkeit von IP-basierten Netzwerken, der Technologiewandel in der Telefoniewelt, die Globalisierung und nicht zuletzt der Kostendruck sichern ihr Überleben.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/21

     

Es gab mal eine Zeit, da waren die klassischen Telekommunikationsanbieter arm dran. Es begann mit der Deregulierung der Märkte und der damit einhergehenden Entbündelung der letzten Meile, die das angestammte Gebührengeschäft für Telefonie zum Erodieren brachte. Die Verbreitung des Internets in den Neunzigerjahren hat im Bereich der Bereitstellung von Mietleitungen zusätzlich das ihre getan. Telco-Monopolisten, einst die unangefochtenen Leader im Kommunikationsgeschäft, wurden zu den Prügelknaben der Wirtschaft und der öffentlichen Meinung, ungeachtet ihren Investitionen, die sie über Jahrzehnte in die eigene Infrastruktur getätigt haben. Die sinkenden Gebührenpreise und die damit verbundenen Umsatz- und Gewinneinbussen waren gleichzeitig ein Makel der Branche. Internet Service Provider, die damals wie Pilze aus dem Boden schossen, wurden gleichzeitig als Helden einer neuen Ära gefeiert, in ihrem Wachstumswahn von privaten und institu­tionellen Anlegern unterstützt, bis das Platzen der Internet-Blase auch viele Vertreter dieser Branche so schnell verschwinden liess, wie sie aufgetaucht waren.
Dass es so und nicht anders gekommen ist, hat viele Gründe. Neben der damals weltweit herrschenden, allgemeinen Hysterie, dem Hochspielen von Erwartungen an Produktivität und Investitionsgewinne, dürfte ein entscheidender gewesen sein, dass damals zwar neue Technologien auf den Markt kamen, viele Unternehmen aber mit Investitionen in Neues zögerten, ihnen das Geld fehlte, Produkte zu wenig ausgereift waren und schlicht das Vertrauen in die ICT-Branche zerstört war.

Globalisierung und Kostendruck

Das ist heute anders. Das Vertrauen in die Branche ist zwar nicht allerorten wiederhergestellt, aber mittlerweile treiben andere Faktoren das Geschäft der Telcos und Internet Service Provider an. Die zunehmende Globalisierung, die alle Wirtschaftszweige mittlerweile erfasst hat, ermöglicht den Anbietern neue Möglichkeiten. Firmen, insbesondere multi­national tätige Grossunternehmen, sehen sich gezwungen, ihre Netzwerk­verbindungen auf IP-Basis zu stellen, weil weltweit Software-Anwendungen innerhalb der Organisationen, aber auch in Verbindung mit Lieferanten und Kunden zur Verfügung stehen müssen, neu aufgebaute oder durch Unternehmenskäufe hinzukommende Aussen- und Zweigstellen angebunden werden müssen. Oder weil herkömmliche Telefonieanlagen in die Jahre gekommen oder innerhalb von fusionierten Gebilden nicht mehr kompatibel und skalierbar sind.
Da man, zumindest in der zivilisierten Welt, ohne Kommunikation kein Geschäft und ohne Geschäft keine Existenz hat, wird also den Anbietern die Arbeit nie ausgehen, vorausgesetzt sie schaffen es, die notwendigen Dienstleistungen, die über die blosse Bereitstellung von Datenleitungen hin­ausgeht, anzubieten und trotz dem stetig wachsenden Kostendruck, durch den sie von ihren Kunden geplagt werden, eine brauchbare Service-Qualität bereitzustellen und trotzdem noch Gewinne zu schreiben.

Gross und klein ergänzen sich

Den Wandel, den die Telcos durchgemacht haben, zeigt sich bei nationalen und internationalen Anbietern, die längst Produkte und Dienstleistungen im Angebot haben, die die Bedürfnisse der modernen Geschäftswelt, die von Mobilität und dauernder Erreichbarkeit über Internet, E-Mail, Telefon und neuestem auch Videokonferenzen geprägt sind. Dabei ist eine internationale Ausrichtung nicht, wie oft vermutet wird, eine Überlebensnotwendigkeit. Auch in der globalisierten Wirtschaft arbeiten international tätige Anbieter, die über weltumspannende Backbones verfügen, in grossen Teilen der Welt mit lokalen Anbietern zusammen, wenn sie Kunden in Ländern bedienen müssen, in denen sie selbst nicht über eine eigene Infrastruktur verfügen.
So arbeiten Swisscom und Sunrise mit internationalen Grössen zusammen, deren Kunden in der Schweiz Niederlassungen haben. Jüngste Beispiele sind etwa die Verträge, die BT Global Services mit Ciba und Credit Suisse für die Bereitstellung und der Betrieb von Netzwerkinfrastruktur, Voice over IP und Managed Security abgeschlossen haben. Axel Hinze, Unternehmenssprecher von BT Schweiz, sieht neben der Möglichkeit, ganze Abteilungen auszulagern und Kostenüberlegungen die nationale und internationale Ausrichtung des Unternehmens sowie Verträge mit lokalen Anbietern als Argumente, die für BT sprechen. Die genannten Referenzgeschichten zeigen anschaulich, wie Telekommunikationsunternehmen ihre Angebote um IT-Dienstleistungen erweitert haben und im Verbund zusammen kooperieren. Der Grosse kann nicht ohne den Kleinen, der kleine nicht ohne den Grossen.
Das sieht man auch bei Sunrise so. Das Unternehmen positioniert sich als schweizweit tätiger Gesamtanbieter, dessen Kunden aber nicht nur Firmen sind, die ihre Tätigkeiten auf die Schweiz beschränken. «Es ist wichtig, den Einzug der Kommunikation in die Applikationswelt zu unterstützen. Da diese Lösungen auf integrierte Standardlösungen aufbauen, kann Sunrise im Rahmen von globalen Ausschreibungen auch die lokale Umsetzung für Partner wahrnehmen», sagt dazu Patrick Spörri, Head of Key Account Management.
Im Grosskundenbereich kommen demzufolge ausschliesslich die grossen Netzwerk-Hersteller zum Einsatz. Alcatel, Avaya, Cisco, Nortel, Siemens sind die Marken, die hier zum Einsatz kommen. «Unsere Technologiepartner müssen in erster Linie technologisch führend sein, eine globale Ausrichtung haben sowie internationale Unterstützung bieten können», sagt Peter Moebius, Managing Director von Orange Business Services. Dass dabei Milliardenbeträge in die Aufrechterhaltung und den Ausbau der eigenen Infrastruktur investiert werden müssen, versteht sich von selbst. Moebius: «Der Fokus besteht insbesondere auf IP-basierten Technologien wie Voip, IPT, Collaboration und Mobilität.» Neben Managed Services in den genannten Kommunikationsgebieten gewinnt Sicherheit zunehmend an Bedeutung. Unternehmen legen heute, vor allem aufgrund von Kostendruck und mangelnden Personalressourcen, das Thema in die Hände der Telcos, was für letztere entsprechend weitere Investitionen bedeutet. Dass mittlerweile, wie oben am Beispiel von CS erwähnt, selbst Banken die Sicherheit ausser Haus geben, ist durchaus kein Einzelfall. Verizon, wie BT ein internationaler Player mit eigenem Backbone und seit einiger Zeit auch in der Schweiz aktiv, sieht im Enterprise-Bereich das meiste Potential für Voip, Unified Communication und – Security. Verizon bedient ebenfalls Banken: «Mit unseren Security Services bedienen wir Banken, die auf ein sicheres Netzwerk angewiesen sind», sagt Roman Hohl, Country Manager von Verizon, und fügt an: «Für börsenkotierte Unternehmen, die SOX-Standards erfüllen, sind stabile und sichere Netzwerke ein Muss.» Verizon hat sich durch die Übernahme von Cybertrust im Sommer dieses Jahres ins Sicherheitsgeschäft eingekauft.

Zukunft Managed Services

Zukunftsträchtige Umsatztreiber sind auch für Swisscom gemanagte Dienstleistungen für Sicherheit und Voip, darüber hinaus mobiles Breitbandinternet, die Mobilisierung von Prozessen und globale Vernetzung. Und mit welchen Dienstleistungen kann in Zukunft noch gerechnet werden? Bei Swisscom zeigt man sich diesbezüglich etwas bedeckt, doch die Marschrichtung ist eindeutig: «Mit Produkten, die einen starken Fokus auf gemanagte Services haben», sagt Roger Wüthrich-Hasenböhler, Leiter Marketing & Sales bei Swisscom Solutions. «Es gibt einige grosse Kunden, die aktuel am Ausrollen von IP-Technologie sind», sagt er. Der gemanagte Service «One Net Base», eine Kombination von LAN, WAN und Voip, sei ein idealer Service für Unternehmen mit Filialstruktur. Der Einstieg in IP-basierte Dienstleistungen geschieht denn auch laut Wüthrich-Hasenböhler über eine Strategie-Entwicklung der klassischen Voice-Plattform respektive der Integration von Voice-Services ins Firmen-Datennetz.
Peter Moebius von Orange Business Services sieht die Trends im Einzelkunden-Geschäft als wegweisend in neuen Technologien, die zunehmend im Geschäftsleben Einzug halten. «Der Begriff Consumerisation of the Business World umschreibt treffend die Strömungen», sagt Moebius. «TV on Mobile», «Broadband to the workplace», IP-TV, iPods, neue mobile PDAs, nahtlose Konvergenz zwischen Mobil- und Fixnetz seien die Schlagworte und Auslöser, welche Orange im Geschäftskundensegment für unsere neuen Dienstleistungen aufnehme.
Und Hinze von BT meint: «Im Vordergrund der Angebote stehen Services als solche und nicht die Technologie. Künftig werden weit mehr Applika­tionen als Service nicht mehr als Produkt angeboten werden.
Einst wegen ihrer schwindenden Geschäftsfelder bedauert und gar belächelt, haben die Telekommunikations-Unternehmen also den Sprung ins 21. Jahrtausend geschafft. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass Firmen, deren Geschäft über Jahrzente sich auf die Bereitstellung von weltweit umspannenden Netzwerken oder den Wiederverkauf solcher beschränkte, dereinst zu modernen IT-Dienstleistern werden. Dabei sind heute gerade die Netzwerke Basis für Umsätze aus dem Dienstleistungsumfeld der IT. Dabei beschränken sie sich längst nicht mehr nur auf Grosskunden. Lokale IT-Firmen sollten dies bedenken. (mh)


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