Ist Geiz nicht mehr geil? Leisten sich die Konsumenten wieder vermehrt hochqualitative und hochpreisigere CE-Produkte? IT Reseller hat sich bei Herstellern, Generalimporteuren und im Handel umgehört. Der Trend hin zu mehr Qualität und höheren Preisen scheint Tatsache zu sein. «Der Konsument ist vermehrt bereit, in Consumer Electronics zu investieren. Er möchte aber sicher sein, dass sich seine Investition auch über einen längeren Zeitraum lohnt und dabei auch Freude aufkommt», sagt Marco Di Piazza, General Manager Marketing von
Sony Schweiz. Anlässlich der breit angelegten Werbekampagne für die High-Definition-Fernseher Bravia habe man festgestellt, dass sich die Konsumenten nach einer Referenzmarke sehnen: «Die Nachfrage war unglaublich hoch», so Di Piazza. In den letzten Jahren hätten oft Schnäppchenjäger auf Billiganbieter gesetzt. Heute aber würden diejenigen Konsumenten einkaufen, welche nicht zu den frühen Entscheidern gehörten. Diese Gruppe setze viel Zeit für die Evaluation ein und bevorzuge hochwertige Produkte, so Di Piazza. An dieser Stelle setze auch das Konzept der Markenstores von Sony ein: «Für diese Konsumenten ist es beim Einkauf wichtig, eine umfassende Beratung in einer glaubwürdigen und ansprechenden Atmosphäre zu erhalten». Sony-Centers sowie Shop-in-Shop-Inseln bei zahlreichen Fachhändlern würden den Mehrwert der Marke erlebbar machen.
No-Names erstmals rückläufig
Auch für Christian Hermle, Leiter Corporate Communications der Panasonic-Generalvertretung John Lay, ist der tiefste Punkt im Tal der Preise durchschritten: «Auch die aktuellsten Absatzzahlen von IHA-GfK belegen, dass die No-Name-Marken in der Periode Januar und Februar 2006 zum ersten Mal seit längerer Zeit einen rückläufigen Marktanteil haben, während die Marktführer wieder einen steigenden Anteil verbuchen können.» Tatsache sei, dass vor allem im letzten Jahr der klassische Röhren-TV-Markt durch die Plasma- und LCD-Techniken ersetzt worden sei und im Bereich der Video-Aufzeichnung DVD- die VHS-Technik abgelöst habe. In solchen Phasen sei es für die No-Name-Brands aus China und Taiwan naturgemäss besonders interessant, die Technologieführer zu kopieren. Weil sich wenige grosse Absatzkanäle sehr ähnlich und vor allem über den Preis positionieren, würden solche No-Name-Hersteller kurzzeitig enormen Auftrieb erhalten: «Allerdings spürten wir bereits Ende des letzten Jahres, dass diese heisse Phase sich dem Ende zuneigt und in der Sortimentsgestaltung durch die Handelskanäle wieder vermehrt auf Kompetenz und Nachhaltigkeit gesetzt wird», so Hermle. Der Verbraucher habe gelernt, wo es sinnvoll sei, geizig zu sein und wo eher nicht. Gerade bei technisch anspruchsvollen Produkten orientiere sich der Kunde wieder an Werten wie Qualität, Technologievorsprung, Serviceleistungen und Ersatzteilsicherheit. «Solche hohen Ansprüche sorgen zusammen mit der seit langer Zeit erstmals wieder positiven Konsumentenstimmung dafür, dass viele automatisch wieder bei Premium-Brands landen», bilanziert Hermle. Da aber der Preis für viele nach wie vor entscheidend sei, müsse ein Hersteller diesem Umstand mit der Produkt- und Sortimentsgestaltung Rechnung tragen und verschiedene Produktelinien in unterschiedlichen Preissegmenten anbieten.
Kunden sind generell preissensitiver
Ähnlich positive Signale aus dem Markt empfängt auch
Philips: «Ja, wir stellen eine verbesserte Konsumstimmung fest, auch im Highend-Bereich», sagt Patrick Balzani, Senior Business Manager Vision von Philips Schweiz.Die anstehenden Fussball-Weltmeisterschaften verstärken
diese positive Entwicklung zusätzlich. Die Produktqualität spiele eine grosse Rolle beim Kaufentscheid. Der Kunde sei jedoch auch im Hochpreissegment preissensitiver geworden: «Der Konsument ist heute besser informiert, weil die Markttransparenz höher ist», so Balzani. Neben den kaufkräftigen Kunden würden sich auch immer mehr Käufer aus der Mittelschicht für Highend-Produkte entscheiden. Dazu trage vor allem der generelle Preiszerfall bei.
Von der Produkt- und Distributionsstrategie her fahre Philips zweigleisig: «Den Highend-Bereich decken wir mit Partnern ab, welche Beratungskompetenz und -kapazität anbieten können. Für das Massensegment arbeiten wir hingegen erfolgreich mit Anbietern im Discount-Bereich zusammen», so Balzani. Natürlich sei der Highend-Bereich für die Marge attraktiver: «Es ist klar, dass wir dort höhere Preise durchsetzen können als im Massengeschäft. Die Investitionen in Werbung, POS-Massnahmen und die Distribution sind im Premium-Segment allerdings auch höher», so Balzani.
Mehr Marge mit weniger Geräten
Für Rosmarie Saner, Marketing- und Sales-Managerin von Pioneer-Importeur
Sacom, ist die Nachfrage nach Highend-Produkten gar nie wirklich schlechter gewesen: «Wir stellen fest, dass die Nachfrage nach qualitativ guten Produkten nach wie vor da ist. Eine gewisse Käuferschicht ist immer bereit, viel Geld zu investieren, um sich mit Qualität und neuester Technologie zu verwöhnen», so Saner zu IT Reseller. Neu sei vielmehr, dass sich durch die stark fallenden Preise neu auch Kunden mit mittleren Einkommen Premium-Produkte leisten könnten. Produkte zum Tiefstpreis seien aber nach wie vor gefragt und würden auch in grossen Mengen verkauft: «Weil die neuen Technologien erklärungsbedürftig sind und der Kunde eine stolze Summe investiert, setzen wir bei Sacom für Premium-Produkte von
Pioneer auf den Fachhändler», so Saner. Für diesen und für den Distributor seien solche Produkte interessant, weil man mit weniger Geräten nominal die bessere Marge erzielen könne als mit vielen günstigen Produkten.
Konsumenten aller Schichten kaufen Premium-Produkte
Auch an der Verkaufsfront sieht es positiv aus: «Wir beobachten eine Tendenz zu höherpreisigen Markenprodukten», sagt Pierre Wenger, Leiter Category Sound & Vision bei
Interdiscount. In gewissen Bereichen wie Hifi und Flachbildschirme sei diese stärker zu spüren als in anderen. «Der Kunde ist aber generell sehr preisbewusst und vergleicht auch in den mittleren und oberen Preislagen Preis und Leistung sehr genau. Er informiert sich in der Regel aus dem Internet und vergleicht die Preise. Deshalb sind die Margen natürlich auch bei höherpreisigen Geräten stark unter Druck», so Wenger weiter. Die verschiedenen Bedürfnisse der Kunden versuche Interdiscount in seinem Sortiment abzubilden. Dieses müsse alle Preiskategorien vom Einsteiger bis zum hochwertigen Markengerät abdecken. Mit verschiedenen Angeboten wie Finanzierungsmodellen oder Garantieverlängerungen zum Schutz der Investition versuche man der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich heute Konsumenten aus allen Schichten für hochpreisige Markenprodukte entscheiden.
Fotomarkt: Unverändert hoher Preisdruck
Für Roger Engelberger von Photo en gros Karl Engelberger kann nicht wirklich von einer Trendwende hin zu Premium-Produkten gesprochen werden, so lange die Durchschnittspreise jährlich weiterhin im zweistelligen Prozentbereich fallen würden: «Die fallenden Preise sind es, die digitale Spiegelreflexkameras für breitere Kundenkreise erschwinglich gemacht haben. Die Nachfrage in diesem Bereich steigt, während sie bei digitalen Kompaktkameras abflacht», sagt Engelberger zu IT Reseller. Auch bei den Videokameras falle der Durchschnittspreis trotz Innovationen wie DVD-, Harddisk- oder Flash-Camcordern jedes Jahr. Einzig High-Definition-Camcorder hätten hier das Potential, zur Erholung der Nachfrage im oberen Bereich beizutragen.
Der Preisdruck im Fotomarkt sei also unverändert sehr hoch und der Preis bleibe – ausser beim Fachhandel – in den meisten Absatzkanälen das zentrale Verkaufskriterium: «Falls die Tiefpreis-Zeit vorbei wäre, müsste ja der Fachhandel wieder Marktanteile gewinnen», mutmasst
Engelberger. Aufgrund der sich abzeichnenden Abschwächung des Mengenwachstums sei in diesem Jahr mit sinkenden Umsätzen bei den Kompaktkameras zu rechnen: «Der Fachhandel fokussiert sich deshalb auf seine Stärken: Den Verkauf von Spiegelreflex-Kameras und höherpreisigen Camcordern sowie den dazugehörenden Dienstleistungen», so Engelberger. (bor)