«Wir können uns keine Fehler erlauben»

Urs Schmidig (Bild), CEO von Bluewin, erläutert, wie er den Provider durch die andauernde Konsolidierungsphase steuert und wie er versucht, das Unternehmen auf mehr Kundenorientierung zu trimmen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/13

     

Dass Bluewin die andauernde Konsolidierung im Provider-Geschäft unbeschadet überstehen wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Zum einen, weil Bluewin Marktführer unter den Internetzugangsanbietern ist, zum anderen weil man mit der Swisscom eine finanzkräftige Mutterfirma im Rücken weiss, die das teure Töchterchen auf Händen trägt.
Trotzdem hinterlassen die momentanen Bewegungen im Markt deutliche Spuren bei Bluewin. Das letzte Jahr sei frustrierend gewesen, gesteht CEO Urs Schmidig im Interview unumwunden ein. Weitere geschäftliche Intimitäten kommen vor allem zwischen den Zeilen zum Ausdruck. Etwa dass Bluewin grosses Interesse hatte, Green.ch zu übernehmen – auch wenn Green.ch-Geschäftsführer Guido Honegger seine Verkaufspläne nun vorerst begraben hat.
Da Swisscom und Bluewin von der Wettbewerbskommission scharf beobachtet werden, ist der Spielraum eng, über Zukäufe von Konkurrenten zu wachsen. Es müssen also andere Mittel gefunden werden, um im Kampf gegen die Cablecom mit ihren Breitbandprodukten zu bestehen.
IT Reseller: Urs Schmidig, Sie sind nun seit etwas mehr als einem Jahr CEO von Bluewin. Welches war bis jetzt Ihre wichtigste Entscheidung?
Urs Schmidig: Das war sicher der Entscheid, unsere Strategie nochmals zu überarbeiten, nachdem das letzte Jahr eher frustrierend gewesen war. Zudem habe ich Personalentscheide getroffen, die die Geschäftsleitung betrafen.

Nach welchen Kriterien haben Sie diese Personalentscheide gefällt?

Wir haben die Geschäftsleitung so erweitert, dass nun ein grösserer Teil des operativen Geschäfts direkt der Geschäftsleitung unterstellt ist. Ich habe Leute eingesetzt für eine direktere Führung, die näher am Business stattfindet, um die Ausrichtung auf die Kunden zu intensivieren.

Kann man den Vorgang auch als Entschlackung bezeichnen?

Nein, ich habe versucht, die Organisation möglichst flach zu halten und eine stärkere Orientierung auf den Markt und die Kunden zu erreichen.

Sie sagen, das letzte Jahr sei eher frustrierend gewesen, weshalb?

Die Branche befand sich in einem Konsolidierungsjahr. Wir haben uns jetzt aber intern organisatorisch fit gemacht, damit wir gegen aussen wieder mehr Gas geben können.
Der Markt ist nach wie vor in einer Konsolidierung. Es ist erst kürzlich auch zu Übernahmen gekommen. Wie verhält sich Bluewin dabei?
Wir beobachten den Markt genau. Mehr kann ich nicht sagen. Green.ch-Geschäftsführer Guido Honegger (Green.ch hat u.a. mit Bluewin Verkaufsgespräche geführt, Anm. d. Red.) hat hier ja ausführlich kommuniziert.

Wollten Sie Green.ch kaufen?

Green.ch hat einen guten Namen und ist mit relativ vielen ADSL-Kunden im KMU-Markt gut positioniert. Interessante Möglichkeiten zu prüfen, gehört zu unseren Aufgaben.
Aber aufgrund der flüssigen Mittel wäre ja Bluewin nicht selbst in der Lage, einen Kauf zu tätigen.
Hier müsste man festlegen, wer als Käufer auftritt.
Welche Rolle spielt dabei die Tatsache, dass Bluewin und Swisscom unter scharfer Beobachtung der Wettbewerbskommission stehen?
Das müssten wir bei solchen Vorhaben sicher in unsere Überlegungen mit einbeziehen.

Gibt es Wunschkandidaten, die Bluewin gerne übernehmen würde?

Wir sind nicht auf der Jagd. Hinzu kommt, dass wir vor allem im Privatkundengeschäft tätig sind. Da müssten wir ja Sunrise übernehmen - das ist nicht denkbar.

Sie selbst haben offenbar keine Angst vor der Konkurrenz.

Angst nicht, aber Respekt. Insbesondere Cablecom und auch Sunrise darf man nicht unterschätzen. Wir können uns keine Fehler erlauben.

Für wie viele ADSL-Anbieter hat es Platz auf dem Schweizer Markt?

Hier muss man differenzieren, ob man die Geschäfts- oder die Privatkunden betrachtet. Der Geschäftskundenbereich bietet eher Platz für Nischenanbieter. Härter ist es hingegen im Privatkundengeschäft. Hier werden längerfristig wohl nur ein paar wenige grosse Anbieter überleben können. Jene, die man auch aus dem Telefoniebereich kennt.
Cablecom, die ADSL-Konkurrenz, wird künftig finanziell wieder besser gestellt sein. Was hat diese Meldung bei Ihnen ausgelöst?
Man konnte nie damit rechnen, dass Cablecom einfach verschwindet. Es gilt nun abzuwarten, welche Strategie Cablecom einschlägt. Es könnte durchaus sein, dass sie noch aggressiver in den Markt einsteigen. Damit haben wir bereits Übung aus den letzten ein bis zwei Jahren in einem sehr belebten Markt. Dieser ist Ausdruck des Infrastrukturwettbewerbs.
Wo liegt Ihrer Meinung nach die kritische Kundengrösse, damit man im Breitbandgeschäft mit Privatkunden erfolgreich sein kann?
Wir kämpfen im Moment vor allem gegen Cablecom. Für uns ist wichtig, dass wir möglichst schnell möglichst viele Kunden für uns und für ADSL gewinnen können. Von der Menge her kann ich nicht sagen, wo diese Grenze liegt.

Aber Sie wissen, wo sie liegt?


(Lacht) Ja, das wissen wir sehr genau.

Bluewin schreibt trotzdem rote Zahlen. Gibt es überhaupt Geschäftsbereiche, die profitabel sind?
Ja, mit Bestimmtheit der Service-Bereich. Es gibt durchaus Produkte, mit denen wir einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaften.

Wann wird dies mit ADSL möglich?

Wir haben die Wahl, wann wir profitabel sein wollen. Es existiert kein Grundsatzproblem bei unserem Geschäftsaufbau. Die entscheidende Frage ist vielmehr, wieviel wir in das Breitbandgeschäft investieren sollen.
Bei den Angeboten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) findet zur Zeit viel Bewegung statt, mit der Lancierung von neuen VPN-Lösungen (Virtual Private Network). Wie will Bluewin hier auftreten?
Es gibt bereits jetzt KMU-Angebote, die wir im Programm haben. Zudem nehmen wir im Hostingbereich die Marktführerrolle ein. Daraus ergeben sich Synergien.

Werden denn aktuell in diesem Bereich die Aktivitäten verstärkt?

Es läuft einiges. Wir sind jedoch kritisch. Wir bieten nur Dienstleistungen an, die das Potential zum Massenprodukt haben. Wir können keine Individuallösungen anbieten wie die kleineren Anbieter. Unser Feld sind eher die ganz kleinen Firmenkunden, die mit standardisierten Leistungen leben können.

Wie wollen Sie die neuen VPN-Lösungen als Massenprodukt lancieren?

Das ist sicher eine Herausforderung. Hier sind wir nicht besser positioniert als ein kleiner Anbieter. Vor allem ergeben sich höhere Ansprüche bei Verkauf und Kundendienst. Hier müssen wir noch sehr gut prüfen, wie wir das mit unserem Ansatz verwirklichen können.

Sie werden morgen an einen Management-Workshop gehen. Worum wird es dabei gehen?

Wir veranstalten einen zweitägigen Kaderworkshop, wobei die Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse in den Vordergrund gestellt wird. Diese Denkweise gilt es in der Organisation weiter zu verankern. Ich bin überzeugt, dass wir hier noch mehr erreichen können, Voraussetzung ist jedoch ein Umdenken.
(Interview: map)


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