Der Storage-Channel im Clinch

Noch vor kurzem als Shooting-Stars der Branche gefeiert, sind heute auch die Storage-Integratoren nicht vor Sorgen gefeit. Neben der miesen Konjunktur und vielen verschobenen Projekten drückt die direkte Konkurrenz durch die Storage-Hersteller auf die Stimmung.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/18

     

Ein Doktor würde wohl sagen: «Dem Schweizer Storage-Channel geht es den Umständen entsprechend.» – Ein Satz, der ja die Angehörigen selten beruhigen kann. Die Umstände sind in diesem Fall die allgemeine Konjunkturflaute.
Die Hoffnung, die viele vor einem Jahr noch hegten, nämlich dass der Unternehmens-Storage-Markt gegen Kaufunlust weitgehend immun sein könnte, hat sich nicht erfüllt. Dies ist das Hauptfazit einer Umfrage von IT Reseller unter den wichtigsten Storage-Channel-Playern in der Schweiz.

Mässiger Geschäftsgang mit Lichtblicken

Eine unserer Fragen lautete, ob der Umsatz mit Storage-Produkten im dritten Quartal den Erwartungen entsprochen habe. Das Bild war sowohl bei Hardware wie bei Software fast gleich: Die Antworten reichten zwar über das ganze Spektrum unserer Vorgaben, von «stark über den Erwartungen» (mehr als 11% darüber) bis zu «stark unter den Erwartungen» (mehr als 11% darunter), rund drei Viertel verteilte sich aber gleichmässig auf die Antworten «innerhalb der Erwartungen» (3% darüber bis 3% darunter) und «unter den Erwartungen» (4% bis 10% darunter).
Dies entspricht ziemlich genau den Resultaten einer Umfrage von Global Touch im europäischen Storage Channel, bei der für den gleichen Zeitraum 39% innerhalb ihrer Erwartungen und 36% etwas unterhalb ihrer Erwartungen abschlossen.
Insgesamt kann man also sagen: Tendenz ziemlich mässig. Dabei muss man zusätzlich noch in Betracht ziehen, dass die meisten Unternehmen ihre Erwartungen angesichts des Geschäftsgangs im ersten Halbjahr bereits heruntergeschraubt hatten. Immerhin sind sich beinahe alle einig, dass es im vierten Quartal wieder besser laufen sollte. – Nicht unbedingt erstaunlich, denn das vierte Quartal ist traditionell stärker als das dritte.

Verschobene Projekte

Für Storage-Player gilt es also, die Flaute zu durchschiffen, möglichst ohne zu viel teuer erworbenes Know-how in Form von Storage-Spezialisten abzubauen oder sogar das Handtuch werfen zu müssen. Dabei dürfte es manchmal frustrierend sein, dass, wie viele berichten,
die Projekte eigentlich vorhanden wären, aber leider oft verschoben werden. Stellvertretend Werner Hegnauer, Bison Systems: «Zurzeit werden alle grossen Storage-Projekte mit Verzögerungen von drei bis sechs Monaten entschieden. Dafür werden dann die Realisierungsvorgaben stark gekürzt.»
Aufgeschoben bedeutet immerhin nicht aufgehoben, wer die Flaute durchsteht, kann also auf eine Besserung hoffen, und es gibt denn auch vorsichtig optimistische Aussagen zur Lage. Michael Heegewald, Hirt Informatik: «Neue, skalierbarere Produkte, wie auch ein noch stärkeres Commitment zum Channel unseres strategischen Lieferanten/Herstellers, halfen uns ebenso wie ein weiterer Ausbau unserer eigenen Sales-Crew.
Diese Umstände eliminierten die derzeitige schwache Marktlage gut, und es wurde sogar, speziell in unseren Kernkompetenzen, ein Marktanteilwachstum erlangt.» Und Dominik Schneider von WMC meint: «Durch ständige Aktivitäten kann ein Wachstum festgestellt werden. Es ist aber nach wie vor schwierig, schnell zu Erfolg zu kommen.»

Schleuderangebote

Der Margenzerfall ist ein Dauerthema in der IT-Branche. Etwas mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer konstatiert einen Margenzerfall auch bei Storageprodukten, speziell bei Hardware, wobei zum Beispiel Low-end-Libraries (20 bis 40 Stellplätze), aber auch der ganze Diskbereich hervorgehoben werden. Ein schwacher Markt aber führt zusätzlich zu nervösen Marktteilnehmern, die unbedingt Umsatz machen müssen und darum – wie einige Befragte offen sagen – Dumping betreiben.
Stephan Schneider, Proact: «Verursacht wird der Margenzerfall vor allem durch das gegenseitige ‹Zerfleischen› der Hersteller und Integratoren am Markt, welche Aufträge um jeden Preis haben möchten.»
Fast alle Umfrageteilnehmer treffen bei Projekten manchmal auf «kreative» Offerten der Konkurrenz. Die überwiegende Mehrheit erwähnt dabei Hersteller, die im Direktgeschäft unter dem Preis verkaufen, den der Channel bieten kann. «Verkaufs-Mitarbeiter der Hersteller sind derart unter Druck, dass sie das Geschäft lieber selbst machen – trotz angeblicher Channel-Strategie», lautet dazu ein Kommentar.
Aber auch der Channel selbst ist an den Preiskämpfen nicht ganz unschuldig, immerhin die Hälfte hat auch einschlägige Erfahrungen mit Tiefstangeboten von anderen Systemintegratoren und VARs.

Dienstleistungen als Ausweg?

Zerfällt die Produktmarge, hofft man logischerweise auf Zusatzeinkünfte aus Dienstleistungen, um dies aufzufangen. Das klappt aber nur, wenn Dienstleistungen gefragt sind und ihre Preise nicht selbst auch unter Druck geraten. Wer auf Dienstleistungen als Ersatz für schwindende Produktmargen hofft, geht oft automatisch davon aus, dass die Preise für Dienstleistungen stabil bleiben. Es gibt aber Hinweise, dass die Marktsituation auch in dieser Beziehung
zu Tiefpreisangeboten der Anbieter führt.
Die Erfahrungen der Umfrageteilnehmer scheinen allerdings stark unterschiedlich, und für die Mehrheit ist die Situation noch im Lot: «Wir haben keine negativen Erfahrungen gemacht, es ist heute wesentlich einfacher, Wartungsverträge abzuschliessen als noch vor einigen Monaten», meint zum Beispiel Max Ochsner von Dataset. Und Werner Hegnauer kommentiert: «Die Zusatzdienstleistungen können nach wie vor gemäss effektiv benötigten Arbeitszeiten fakturiert werden.» Dominik Schneider fügt an: «Der teilweise Zerfall kann mit gut ausgebildeten Spezialisten durchaus aufgefangen werden.»
Die Antwort auf die Frage, ob der Margenzerfall mit Dienstleistungen aufgefangen werden könne, lautet aber auch einige Male schlicht und trocken: «Nein.» Berichtet wird von Kunden, welche die Dienstleistungspreise mit dem Argument «Krise» drücken wollen und eben auch von Dumpingangeboten auch in diesem Bereich. Michael Heegewald warnt vor solchem Verhalten: «Anbieter, welche Services verschleudern, werden sich mittelfristig selber ein Grab schaufeln, da sich die Kosten für Ausbildung, Zertifizierung der Mitarbeiter nicht mehr durch den erwirtschafteten Ertrag decken lassen.» (hjm)

Sorgen und Herausforderungen im Storage-Channel

Dominik Schneider, Head of Marketing, WMC: «Die grösste Herausforderung für den Storage-Channel ist bestimmt, die richtigen Partnerschaften einzugehen und die eigenen Leute richtig zu schulen, damit eine Gesamtlösung für den Kunden aus einer Hand geboten werden kann. Schwierig zu handhaben ist allerdings die enorme Datenflut aus dem Storagebereich sowie die Komplexität der Produkte.»
Werner Hegnauer, Leiter und Verkaufschef der Bison Filiale IT-Services, Winterthur: «Um im Storage Geschäft professionell mithalten zu können, mussten grosse Investitionen getätigt werden. (Demo-Lab, Ausbildung und Zertifizierung der Mitarbeiter). Bezüglich Einhaltung der gemachten Versprechen von Herstellerseite sind aber noch Fragen offen. Auch nicht zertifizierte Unternehmen offerieren SANs!»
Peter Kestenholz, Verkaufsleiter Tristar Technologies: «Für ‘State-of-the-Art’ Storagelösungen sind in zunehmendem Masse Produkte von unterschiedlichen Herstellern erforderlich. Ein auf Storage fokussierter Channel Partner muss somit auch in der Lage sein, diesen Multivendor Aspekt nutzbringend in seine Storage-Projekte einfliessen zu lassen. Gegenüber dem Kunden bleibt die so wichtige Forderung nach einem – und nur einem – Ansprechpartner gewährt. In der Regel bevorzugen Hersteller den Verkauf einer Storage-Komplettlösung mit Hard- und Software aus ihrem eigenen Hause.»
Peter Eichenberger, Geschäftsleiter Transtec Computer: «Eine Herausforderung für den Storage-Channel ist die Interoperabilität von Storage-Komponenten für SANs. Weiterhin wird es wichtig, sich rechtzeitig im iSCSI-Bereich zu positionieren und entsprechende Lösungsangebote zu präsentieren.»
Gilbert Huber, Geschäftsleiter Huber Informatik (Ex-IRM): «Wir hoffen auf eine wirtschaftliche Stabilisation des gesamten Marktes und wünschen uns stabile Preise ohne Dumping durch die gestressten Mitbewerber und vor allem Hersteller. Eine Herausforderung für den Channel ist es, qualifiziertes Personal bereitzustellen (Schulung, Anwendung, Testlabors).»
Michel Heegewald, Geschäftsführer Hirt Informatik: «Glücklicherweise ist die erste Euphorie im Storagemarkt abgeklungen. Versuche von grossen, strategielosen Gemischtwarenhändlern, welche nebst ihrem angestammten klassischen margenknappen Handelsgeschäft noch im Storagemarkt mitmischen wollten, endeten oft im Konkurs. Die Basis für ein erfolgreiches Bestehen und Wachstum als Integrator im Storagemarkt ist eine klare Strategie. Diese beinhaltet nur einige wenige, aber umso intensivere Partnerschaften mit führenden Herstellern der Storageindustrie. Nur diese Fokussierung ermöglicht es uns, unseren Kunden die «best of breed» Lösung zu verkaufen und auch zu implementieren.»
Martin Zellweger, Managing Director, SQL AG: «Die gesamte Wirtschaftslage ist auch im Storage-Business massgebend: Bei engen Budgets fokussieren sich zuviele Anbieter auf zuwenig Markt.»
Max C. Ochsner, CEO Dataset Technologies: «Wir konzentrieren uns auf die Bereiche Raid Subsysteme, NAS und SAN für den unteren und mittleren Kundenbereich (KMU). Unsere Sorge ist vor allem, dass es sehr viele ‘unqualifizierte’ Anbieter auf dem Markt gibt, die sich im Thema Raid/NAS/SAN nicht auskennen und Lösungen realisieren, die nicht kundengerecht sind. Als grosse Herausforderung sehen wir gerade den KMU-Markt in der Schweiz, da auch hier ein grosses Datenwachstum vorhanden ist und bei objektiver Kundeninformation über die nächsten Jahre sehr viele, wenn auch kleinere Projekte realisiert werden können. Bei den Large- und Key-Accounts tummeln sich heute zu viele Anbieter, dieser Markt ist stark geschrumpft, gerade hier greifen die Investionsstops.»


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