Die Stunde der Strategen

Firmen wie Hyperion, Cognos oder Business Objects weiten Business Intelligence (BI)-Applikationen zum Corporate Performance Management (CPM) aus. Schlägt damit die Stunde der Strategen, oder ist alles nur ein weiterer Hype? Marktforscher Gartner sieht positive Aspekte.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/16

     

Frank Buytendijk, Research Director der Gartner Group, verweist nicht ohne Ironie darauf, dass die erste Aktiengesellschaft der Welt, die Holländische Ostindische Kompanie, in den beinahe zweihundert Jahren ihrer weltweiten Tätigkeit ohne BI-Tools auskam und trotzdem riesige Gewinne abwarf.
Heute jedoch empfinden viele Manager die klassische Budgetierung als ein zu schwerfälliges Instrument für die Unternehmenssteuerung. Zudem ist der Aufwand enorm. Nach einer Studie von KPMG beansprucht der Budgetierungsprozess bis zu 30 Prozent der Arbeitszeit von Managern und Controllern. Trotzdem werden die Budgets dann von der Realität oft genug innert kürzester Zeit ad absurdum geführt. «Kein Schlachtplan überlebt die erste Berührung mit dem Feind», zitiert Buytendijk den deutschen Strategen Helmuth von Moltke.
Im heutigen Wirtschaftsumfeld wird von der Unternehmensführung erwartet, dass sie schnell auf Marktveränderungen reagiert und operative Pläne und Massnahmen anpasst. Buytendijk: «CPM ist dafür hervorragend geeignet. Aber es verlangt klare Visionen und muss mehr sein als nur eine Aneinanderreihung von BI-Applikationen.»

Prozesse, Zahlen und Methoden

Corporate Performance Management basiert zwar auf BI-Anwendungen, bringt aber zusätzlich den Begriff des Managements ins Spiel. Die Gartner Group definiert CPM als die Gesamtheit aller Methoden, Kennzahlen, Prozesse und Systeme, die benötigt werden, um die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu überwachen und zu steuern. Dazu müssen Unternehmensstrategie, Budgetierung, Forecasting, Zielsetzungen und die Überwachung der Geschäftsaktivitäten als Prozesse definiert werden. Die Kennzahlen umfassen sowohl kurz- wie langfristige, quantitative wie qualitative Ergebnisse.
Eine der wichtigsten Methoden ist die anfangs der Neunzigerjahre von den US-Betriebswirtschaftlern Kaplan und Norton entwickelte «Balanced Scorecard», mit der auch «weiche» Grössen wie Kundenzufriedenheit oder die Zufriedenheit der Mitarbeiter erfasst und in eine Form gebracht werden, die sie der Bearbeitung durch IT-Resourcen zugänglich macht. Denn die Auswertung erfolgt auf der Ebene der Strategie wie auch im operativen Bereich mit Hilfe von BI-Anwendungen.

Simulationen für rasche Entscheide

Mit CPM werden Zahlen aus den unterschiedlichsten Quellen und Abteilungen ausgewählt, zusammengeführt und einheitlich visualisiert. Dies ermöglicht einen Überblick über das gesamte Unternehmen. Dabei richtet sich der Blick nicht nur wie bis anhin rückwärts, um die aktuellen Zahlen mit dem Plan zu vergleichen. Aufgrund der Marktereignisse lassen sich proaktiv unterschiedliche Szenarios und deren Auswirkungen auf das Unternehmen simulieren. Gartner meinte kürzlich in einer Studie, Unternehmen, die in Zukunft im Konkurrenzkampf bestehen wollen, müssten CPM verstehen und eine entsprechende Strategie einleiten.
Im Gespräch warnt Buytendijk allerdings davor, einfach unbesehen auf die neueste CPM Strategie aufzuspringen: «Am Anfang steht die Analyse: Wo drückt der Schuh? Welche Kennzahlen fehlen? Welche Prozesse sind nicht definiert oder werden mangelhaft abgebildet? Bereits vorhandene BI-Strategien sollten in das Projekt eingebracht werden.» Dann können neue Prozesse, Kennzahlen und Methoden Schritt für Schritt und unter Berücksichtigung der Unternehmensziele eingebracht werden. Und erst zum Schluss stellt sich die Frage nach den Applikationen.

Markt noch in den Anfängen

Vollständiges CPM betreiben erst wenige Unternehmen. Dass jedoch etwa der CPM-Spezialist Hyperion allein in der Schweiz über hundert renommierte Kunden ausweist, zeigt, dass sich grössere Firmen jetzt auf den Weg machen. Buytendijk empfiehlt denjenigen, die strategisch mit einem ERP-Anbieter verbunden sind, allenfalls auf dessen Entwicklungen zu setzen. Alle andern jedoch entscheiden sich besser für eine einheitliche Plattform. In den nächsten Jahren wird auf dem Markt eine Konsolidierung stattfinden.
Dabei dürften ganze Enterprise Business Intelligence Systeme, wie sie beispielsweise Cognos oder Hyperion anbieten, die besseren Karten haben als Best of Breed-Applikationen oder die meist kleineren Anbieter von spezialisierten BI-Applikationen. Selbst wenn letztere dank ihres technologischen Fokus oft die interessantesten Lösungen entwickeln. (fis)

Ballanced Scorecard


Ballanced Scorecard bezeichnet ausgewogene Sätze von Kennzahlen, die neben den Finanzen auch Kundenbeziehungen, interne Prozesse sowie Innovations- und Lernfähigkeit abdecken und miteinander in Beziehung setzen Beispielsweise belasten die Strukturkosten in der Kundenbetreuung zwar das Ergebnis, dienen aber der Kundenzufriedenheit. Oder unzufriedene Mitarbeiter sind weniger geneigt, sich um die Kosten des Unternehmens zu kümmern. Mit Balanced Scorecards werden solche Zusammenhänge so erfasst, dass sie sich mit IT-Resourcen messen und kontrollieren lassen.


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