Komponententrends (oder die Sehnsucht nach einer Pause)

Bei Komponenten – speziell Motherboards – folgen sich traditionsgemäss die Entwicklungen Schlag auf Schlag. Mit welchen Innovationen beglücken uns die Hersteller in diesem Winter?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/14

     

Es gibt derzeit wohl nur wenige Produkte, die einen kürzeren Lebenszyklus haben als Motherboards. Inzwischen ist jedoch ein Punkt erreicht, an dem die scheinbare Innovationsflut Kunden und Hersteller nur noch nervt. Vielleicht hat aber Mitte dieses Monats jedoch der lang ersehnte Pausengong geschlagen.
VIA präsentierte sein neues Chipsatzflagschiff, den Apollo KT400 für AMDs Athlon und Duron Prozessoren und verzichtete trotz des Namens auf die offizielle Unterstützung für DDR400 SDRAM. Samsung hatte entsprechende Speichermodule vor kurzem vorgestellt und es stand zu befürchten, dass wenn erst einmal ein entsprechender Chipsatz verfügbar wäre, der JEDEC (Joint Electron Divice Engineering Council) entgegen eigenen Plänen nichts anderes übrig bliebe, als ihn zum Standard zu machen.
Innerhalb der Organisation laufen seit langem Bestrebungen, 400MHz schnelle DDR-SDRAMs als erste Module nach der neuen Spezifikation DDR-II einzuführen. Diese Speicher brauchen dann neue Sockel, da sie weder elektrisch noch von der Pinzahl her kompatibel zu aktuellen DDR-SDRAMs sein werden. Geplant ist die Markteinführung für den Sommer 2003 und vielleicht hat die Zurückhaltung VIAs der Industrie die erhoffte Atempause verschafft.

Zur Not alles Onboard

Derzeit rüstet sich jedoch alles für das Jahresendgeschäft. Mit einer Flut an neuen Produkten hofft die Motherboardindustrie die Bilanzen eines im günstigsten Fall durchwachsenen Jahres noch zu retten. Als Anreiz werden Onboard-Funktionen angepriesen, die noch vor kurzem nur durch teure Steckkarten zu realisieren waren.
Als Standard etabliert hat sich inzwischen USB 2.0. Durch die Abwärtskompatibilität der zweiten Generation der USB-Schnittstelle scheint sie Lösungen über Firewire den Rang abzulaufen. Während auf den meisten Platinen noch beide Anschlüsse möglich sind, verabschiedet man sich bei Legend QDI inzwischen wieder davon. «Diejenigen die IEEE 1394 (Institute of Electrical and Electronics Engineers), besser bekannt als Firewire, benötigen, haben oft mit dem Erwerb eines Peripherieproduktes auch eine Steckkarte gekauft. Zudem sind sie günstig im Fachhandel zu beziehen. Wir sehen keine Notwendigkeit mehr, diese Schnittstelle in die Boards zu implementieren.»
Einig sind sich die Hersteller dagegen, was Serial ATA angeht. Hier sieht man sich in der Pflicht, für die kommende Festplattengeneration in Vorleistung zu treten. Gerald Tobolewski, CEO von Elito-EPoX und zuständig für die technischen Aspekte schätzt, dass SATA noch bis zur kommenden CeBIT braucht, um sich am Markt durchzusetzen. «Onboard RAID-Lösungen und ATA133 sind schon heute überall dort Pflicht, wo Übertragungsraten die kritische Grösse sind. Bis zum kommenden Frühjahr wird sich Serial ATA mit seinen Vorteilen bei der Datenübertragung durchgesetzt haben. Zumal die Kühlung der PC-Komponenten durch die schmalen, biegsamen Rundkabel deutlich erleichtert wird.»
Inzwischen ein Muss ist der integrierte LAN-Anschluss. Hier sind die Entwickler von ASUS dabei, neue Massstäbe zu setzen. Voraussichtlich im November werden Motherboards mit Gigaherz-LAN verfügbar sein. Was vor kurzem noch als Backplane von High-end Routern diente, zieht somit in den Alltag ein. «Der Mehraufwand für GHz-LAN als onboard-Lösung hält sich in Grenzen und bietet dem Anwender gleichzeitig einen deutlichen Leistungsschub», beschreibt Uwe von der Weyden, Technical Manager bei ASUS die Beweggründe. «Und der Trend geht generell dahin, immer hochwertigere Funktionen auf der Hauptplatine zu integrieren.»

8-fach Pixelmeister

Mit den neuen Chipsätzen von VIA und SiS ist zudem die Voraussetzung für die nächste Generation der Grafikkarten geschaffen. AGP8X verspricht noch schnellere Datenübertragungen und somit einen weiteren Schritt in Richtung realistische 3D-Grafik. Allerdings sollten die Erwartungen hier, wie schon bei der Einführung von AGP4X, nicht zu hoch geschraubt werden.
Zwar bestätigen die Boardhersteller, das besonders seitens Nvidias auch im mittleren Preissegment früher als erwartet passende AGP8X Grafikkarten verfügbar sein werden, doch ist in diesem Fall die Software der kritische Faktor. Bei Entwicklungszeiten von zwei bis vier Jahren für Spiele und Anwendungssoftware wird noch einige Zeit ins Land gehen, bis man die neuen Bildwelten geniessen kann.
Vielversprechender sind da die Aussichten auf den Nachfolger des nForce Chipsatzes von Nvidia. Der nForce2 ist punkto integrierter Grafik eine Klasse für sich und wird so manchem Grafikkartenhersteller das Geschäft bei den Officerechnern verhageln. Alle grossen Hersteller, sofern sie nicht auf Nvidias «Schwarzer Liste» stehen, planen entsprechende Produkte auch in den gängigen Sondergrößen Flex-ATX und Micro-ATX auf den Markt zu bringen. Ob, und wenn ja, wie schnell die ATI-Fraktion hier kontern kann, ist noch offen. Der Zweikampf scheint derzeit zugunsten Nvidias auszugehen.

Der Champ ist zurück

Bei den Prozessoren geht im Moment jede Runde an Intel. Noch vor einem Jahr tobte ein erbitterter Preiskampf zwischen dem Marktführer und seinem Herausforderer AMD. Doch auch die Einführung vergleichender CPU-Bezeichnungen, wie sie AMD mit den XP-Prozessoren schuf, um dem Gigaherz-Rennen ein Ende zu bereiten, konnte Intel nicht stoppen. Zumal dort die Kriegskassen noch immer gut gefüllt zu sein scheinen.
Am Tag der Erscheinung dieses Hefts soll der P4 2,8 GHz vorgestellt werden und dürfte als Schmankerl noch eine Preissenkung von bis zu 30 Prozent für die Pentium4 Preisliste mitbringen. Es ist fraglich, ob man sich bei AMD angesichts dahindümpelnder Umsätze und Aktienkurse auf eine weitere Runde im Kampf um die Preis/Leistungskrone einlässt. Vieles spricht dafür, dass AMD bis zum Launch der K8 «Hammer-Serie» die Kräfte schont um, dann umso eindrucksvoller zurückzukehren. Auch Gerüchte um einen Athlon mit 166 MHz Front Side Bus wollen nicht verstummen. Er könnte zum «ClawHammer» das Duron-Pendant bilden.

Der Preis kurzer Produktzyklen

Bei all den Vorteilen, die der Kunde durch die rasende Entwicklung bei den Motherboards genoss, dürfen die Schattenseiten der Entwicklung nicht ignoriert werden. Zum einen sind da die Folgekosten durch den erhöhten Aufwand zu Pflege der Systeme. Ein BIOS-Update ist heute keine große Sache mehr. Doch was dem Privatmann lediglich eine erhöhte Telefonrechnung beschert, wird für Unternehmen eine nicht zu vernachlässigende Kostenstelle. Auch für Assemblierer und Fachhändler wächst das Risiko von Reklamationen. Die höchste Revisionsnummer eines Boards ist in letzter Zeit allzu oft 1.1, was belegt, dass den Ingenieuren und Entwicklern kaum Luft bleibt, um eine Platine zu optimieren.
Hinter vorgehaltener Hand spricht man in der Branche zudem von Senkungen der Produktionskosten durch Einsparungen bei den Kontrollen. Besonders kleineren Herstellern fehle das Geld, um teure Testapparaturen zu unterhalten. Bei der Vielzahl an Anbietern, vor allem auf dem preissensiblen OEM-Markt, ist die Versuchung anscheinend gross, mehr zu hoffen als zu messen. Eine solche Entwicklung ist in der Regel nur schwer wieder zu korrigieren, könnte aber alle Beteiligten teurer zu stehen kommen, als etwas höhere Preise in den Regalen der Discounter. (tm)


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