Intel will Moores Gesetz erweitern

Entwicklerkonferenzen bieten Intel die Möglichkeit, nicht nur neue Produkte vorzustellen, sondern vor allem auch die Technologie-Strategien aufzuzeigen. Das war beim erstmals in Deutschland abgehaltenen, europäischen Developer Forum nicht anders.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/11

     

Intel ist gleichbedeutend mit Silizium. Nicht von ungefähr stammt das Credo der gesamten Halbleiterindustrie von Intel-Mitbegründer Gordon Moore. Intels CTO Pat Gelsinger (Bild) verkündete in München, dass «Moores Gesetz» in Zukunft von den Prozessoren auf alle elektronischen Bausteine ausgeweitet werden müsse, um insbesondere auch der Telekommunikation neue Grenzen zu öffnen.
Was allerdings manchmal übersehen wird, ist die Tatsache, dass Moores Gesetz keineswegs eine naturwissenschaftliche Erkenntnis ist. Im Gegenteil, die Physik wird seiner Gültigkeit eines Tages ein Ende setzen. Gordon Moore hatte 1965 in einem Artikel für das Electronics Magazine postuliert, dass sich die Komplexität von Prozessoren, d.h. die Anzahl der Transistoren, alle 18 Monate verdoppeln werde.
Das ist aber nur möglich, bis die Leiterverbindungen und die Abstände dazwischen im Atombereich für elektrische Ströme zu klein werden. Forscher rechnen damit, dass dies spätestens in zehn Jahren der Fall sein dürfte. Bis heute jedoch hat sich «Moores Gesetz» grundsätzlich bewahrheitet und zu immer kleineren, schnelleren und billigeren Halbleiterelementen geführt. Wenn es nach Intel geht, so soll das noch einige Zeit so weiter gehen.
Ein entscheidender Faktor, um die Komplexität der Chips zu erhöhen, ist die Grösse der Transistoren. Im letzten Sommer gelang es Intel, im Labor Transistoren mit 20 Nanometer (nm)-Strukturen zu entwickeln, die 25 Prozent schneller sein sollen als die in der heute benutzten 130-nm-Kupfer-Technologie produzierten.
Um immer feinere Strukturen auf einen Silizium-Wafer aufzubringen, müssen die Lithografie-Verfahren verbessert werden. Für die Massenproduktion ist Intel momentan in der Lage, 90-nm-Leiter zu lithografieren. Diese Technologie ist für den Pentium4-Nachfolger vorgesehen. Bis im Jahr 2005 will man mit Hilfe der «Extrem Ultraviolet Lithography» 50-nm-Chips produzieren.
Auch Stromverbrauch und Abwärme setzen der Leistungsfähigkeit der Chips Grenzen. Der Terahertz-Transistor, der eine Trillion Schaltungen pro Sekunde ausführt, soll daher auf neuen Transistortypen, Materialien und Strukturen basieren.
Die heute gängigen Silizium-Chips sind mit sogenannten Bumps – winzigen Metallkügelchen – mit der Trägerschicht verbunden. Die neu entwickelte «Bumpless Build-up Layer»-Technik soll es ermöglichen, das Silizium direkt auf der Trägerschicht aufzubringen, um schmalere Prozessoren für immer kleinere Geräte zu bauen.
Schliesslich geht es auch darum, die Produktionskosten im Griff zu behalten. Zusammen mit der 130-nm-Technologie setzte Intel erstmals Wafer mit einem Durchmesser von 300 mm ein. Damit konnten, wie Intel sagt, die Produktionskosten um einen Drittel gesenkt werden.

Elektronik und Mikromechanik kombinieren

Die konsequente Umsetzung von Moores Gesetz soll Intel nun über die Computerindustrie im engeren Sinn hinausführen: Mit den gleichen Halbleiter-Produktionstechniken wie die Chips will Intel Mikroelektromechanische Systeme (MEMS) fertigen, winzige mechanische Strukturen aus Silikon. So können mechanische Komponenten mit elektronischen auf dem gleichen Chip vereinigt werden. Winzige, schwenkbare Spiegel etwa arbeiten als optische Switches und erhöhen damit die Verarbeitungsgeschwindigkeit in Richtung Lichtgeschwindigkeit.
Eine Initiative, die der Chip-Hersteller «Radio Free Intel» nennt, vereinigt MEMS, Roaming Software und Silizium-basierte Funkelemente für drahtlose Netzwerke (sowohl WANs wie LANs und PANs) auf dem Prozessorchip. So sollen nicht nur Geräte, sondern auch einzelne Chips drahtlos kommunizieren und Intels Vision Wirklichkeit werden: Auf der Basis von Silicon auf allen Netzen immer drahtlos online und das Ganze in einem einzigen Chip vereinigt.
Die Kombination von logischen Funktionen und in Silizium gearbeiteten, optoelektronischen Geräten wird, so Gelsinger, nicht nur die drahtlose Kommunikation schneller, breitbandiger und leichter verfügbar machen, sondern auch die Kosten um den Faktor hundert senken.

Online-Bälle

Wie «Radio Free Intel» funktionieren könnte, demonstrierte Gelsinger am Entwickler-Forum mit unter das Publikum verteilten Chips, die sich automatisch zu einem Ad-hoc-Netzwerk verbanden. Das Spiel funktionierte auch weiter, als ein mit einem Chip ausgerüsteter Ball im Auditorium herumgeworfen wurde: Das Netzwerk organisierte sich selbstständig immer wieder neu und ermöglichte eine Abstimmung, deren Ergebnisin Form eines animierten Trickfilm-Boxkampfes live auf einer Projektion visualisiert wurde.
Dass Intel seine Fühler auch ausserhalb solcher, zugegebenermassen eindrücklicher, Spielereien in Richtung Telekommunikation ausstreckt, betonte Executive Vice President Sean Maloney. Zwar habe die Telekommunikationsbranche im vergangenen Jahr erstmals einen deutlichen Rezessionsknick hinnehmen müssen.
«Doch», so Maloney, «das ist die normale Entwicklung, wie wir sie immer sehen, wenn neue Technologien eingeführt werden. Wir haben das, wenn auch etwas langsamer, in den letzten zehn Jahren in der Computerindustrie erlebt. Nach der ersten Euphorie kommt der Einbruch, bevor sich die Entwicklung normalisiert und zu neuen Höhenflügen ansetzt.» Ob er mit seinen Ausführungen eher den Herstellern von Telecom-Equipment oder sich selbst Mut machen wollte, war nicht ganz klar.
Immerhin stehen die Telecom-Unternehmen derzeit ziemlich unter Druck. Während Aktienkurse und Umsätze sinken, wächst gleichzeitig der Bedarf an Bandbreite zur Übertragung neuer, multimedialer Inhalte.
Um diese Situation mit dem zurzeit nur beschränkt zur Verfügung stehenden Kapital erfolgreich zu überstehen, meinte Maloney, sei es notwendig, schnellere und kostengünstigere Technologien sowie für bestimmte Aufgaben optimierte Bausteine einzusetzen. Unternehmen, die heute die Veränderung in der Technologie nicht wahrnehmen, müssten morgen scheitern, prophezeite er. Daher sei es notwendig, von den proprietären Einzellösungen zu standardisierten, modular aufgebauten Kommunikations-Servern und-Equipment zu kommen.
Nur auf diese Weise sei es möglich, rasch breit verfügbare Lösungen zu entwickeln. Offene Standards und modular einsetzbare Bausteine hätten sich für die schnelle Marktdurchdringung bewährt.
Für die Kommunikationsindustrie setzt Intel daher neuerdings vermehrt auf Linux. Windows-Systeme wurden von den Sprechern zwar pflichtgemäss, aber doch schon beinahe verschämt erwähnt.
Zusammen mit verschiedenen Telco-Ausrüstern, Computer OEMs und andern Unternehmen hat Intel die Spezifikationen für die Advanced Telecom Computing Architecture (ATCA)-Spezifikationen ausgearbeitet. Der «Modular Plattform Design Guide» soll es ermöglichen, sofort mit der Entwicklung von entsprechenden Servern und Equipment zu beginnen. Der Design Guide ist unter http://intel.com/info/advancedtca erhältlich. (fis)

Schneller als alle andern?

Intel-Server-Chef Mike Fister gab erste Benchmark-Ergebnisse für die nächste Itanium-Generation bekannt, die Mitte des Jahres auf den Markt kommen soll. Die Leistungssteigerung gegenüber dem Vorgänger beruht hauptsächlich auf den drei MB Level 3 Cache, der vergrösserten Systembus-Bandbreite und der 1GHz-Taktfrequenz.
Nach Fister soll der unter dem Codenamen McKinley entwickelte 64-Bit-Prozessor beim Gleitkomma-Test den Power4-1,3 GHz Prozessor von IBM wie auch den UltraSparc-III-Prozessor mit 1050 MHz von Sun ausstechen.
Gleitkommaberechnungen sind allerdings die Spezialität des Itanium-Prozessors. Im für Server wichtigeren Integer-Bereich ist die Überlegenheit weniger deutlich. E-Business resp. verschlüsselte Websites, wo sich die Itanium-Architektur besonders vorteilhaft in Szene setzen kann, sind die Lieblings-Benchmark von Intel. Mit 720 Transaktionen/s pro Prozessor (im Zweiprozessorsystem) wird der Ultrasparc-III, der im 8-Prozessor-System insgesamt auf 552 Transaktionen/s, also auf 69 Transaktionen/s pro Prozessor kommt, in den Schatten gestellt.
Intel bezeichnete diese Ergebnisse etwas verschämt als Schätzungen. Die Konkurrenz hat denn auch sofort Zweifel und Einwände gegenüber den Messungen vorgebracht.

PCI Express kommt

Grosse Erwartungen setzt Intel auf PCI Express, die Weiterentwicklung des PCI-Busses. Die PCI Express-Spezifikationen sollen noch in diesem Quartal von der PCI Special Interest Group abgesegnet werden.
Der Hintergrund: Während die Leistung des I/O-Busses relativ konstant blieb, erhöhten sich Bandbreite und Takt des Speicherbusses mit jeder neuen Prozessor-Generation. In der heutigen Rechner-Architektur wird dieser Tatsache Rechnung getragen, indem für die verschiedenen Anforderungen unterschiedliche Busse eingesetzt werden.
PCI Express soll nun die Chiparchitektur mit einem generell anwendbaren Bus Abhilfe schneller und einfacher machen.Bei PCI Express handelt es sich im Gegensatz zum parallelen PCI-Bus um einen seriellen Hochgeschwindigkeitsbus, der bis zu 32 gleichzeitige, schnelle Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ermöglicht. Mit 200 MByte/s werden deutlich mehr als die maximal 133 MByte/s (32 Bit bei 33 MHz) des PCI-Busses übertragen.
Später sollen unter konsequenter Ausnutzung der Kupfertechnologie gar 1,25 GByte/s erreicht werden. Trotz höherer Leistung und besserer Bus-Verwaltung (z.B. unabhängige Taktung) benötigt PCI Express nur 40 PINs anstelle der 84 von PCI. Dadurch wird der neue Bus auch für mobile Geräte interessant. Darauf legt Intel besonderen Wert.Die ersten auf PCI Express basierenden Produkte werden in der zweiten Jahreshälfte 2003 erwartet.

Pentium-Nachfolger

Prescott, der Nachfolger des aktuellen Pentium-4, soll, wie in München bekannt gegeben wurde, bereits im zweiten Quartal des nächsten Jahres auf den Markt kommen. Es ist der erste Desktop-Prozessor, den Intel in 90-nm-Technologie fertigen wird.
Der neue Prozessor soll über die für den Xeon entwickelte Hyperthreading-Technologie verfügen, die eine bessere Auslastung der Recheneinheiten ermöglicht, indem mehrere Prozesse gleichzeitig auf den verschiedenen logischen Prozessoren ablaufen können. Ab Herbst will Intel zudem DDR333-Speicher unterstützen. Über die Zukunft von Rambus wurde geschwiegen.
Für mobile Geräte wird derzeit unter dem Code-Namen Banias ein neuer Chip-Kern und eine neue Prozessor-Architektur entwickelt. Banias soll in der ersten Hälfte des Jahres 2003 verfügbar sein.

Ein winziger Schritt

Noch in diesem Jahr will Intel einen Chip für GSM/GPRS auf den Markt bringen. Ein weiterer für die dritte Mobilfunk-Generation wird in den Labors getestet.
«Europa ist bei der mobilen Telekommunikation ganz vorne dabei», rief Intel-CTO Pat Gelsinger in München den Entwicklern zu. «Ich möchte Sie auffordern, darüber nachzudenken, wie wir die neuen Technologien in nützliche Produkte integrieren können.»
Der Aufruf ist berechtigt. Wenn neue Technologien, wie in München demonstriert, zu nichts anderem dienen, als eine Pixelbild-Lara-Croft als Spiel auf das Handy zu bringen, so stellt sich die Frage, ob nicht die technische Machbarkeit den Überlegungen um einen sinnvollen Einsatz etwas gar weit voraus eilt. Oder in Abwandlung von Neil Armstrongs berühmtem Satz bei der Mondlandung: «Ein wichtiger Schritt für die Technologie, aber ein winziger für die Menschheit.»


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