Citrix: Tiefer in die Unternehmen

IT Reseller unterhielt sich mit Stefan Sjöström (Bild), seit etwas über einem Jahr Vice President von Citrix für die Region EMEA, über Gegenwart und Zukunft des Überfliegers im Markt für Server Based Computing Software.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/09

     

Die Kundenliste von Citrix liest sich eindrucksvoll: Gemäss Citrix werden Lösungen des Unternehmens bereits von 100 Prozent der Fortune 100 und 95 Prozent der Fortune 500 in den USA und über 70 Prozent der Financial Times FT 500 in Europa eingesetzt. Das ist natürlich toll, bedeutet aber auch, dass mit der Neukundensuche, zumindest bei Grosskunden, nicht mehr viel herauszuholen ist.
Kein Wunder also, dass Stefan Sjöström, der eloquente Vice President von Citrix für die Region EMEA, die Aufgabenstellung für das Unternehmen, und damit auch die Citrix-Partner, in der nächsten Zukunft so zusammenfasst: «Wir müssen tiefer ins Enterprise eindringen.» Gemeint ist damit, dass man die Unternehmen dazu bringen soll, Server Based Computing nicht mehr nur lokal einzusetzen, etwa in einzelnen Abteilungen oder für spezielle Anwendungsnischen.
Sie sollen es als strategisches Mittel für die Lösung von übergreifenden Problemen der IT-Infrastruktur wahrnehmen. Diese Probleme sind für Sjöström die Reduktion der Komplexität («Wieso soll man für jeden SAP-Client 500 MB installieren?» fragt er rhetorisch) und der Zugang auf Unternehmensapplikationen von überall her.

Access!

Access, der ungehinderte Zugang zu Informationen, soll ja, wenigstens wenn es nach einigen Hacker-Filmchen geht, das treibende Motiv für die «guten» Hacker sein. Den erleichterten Zugang auf Unternehmensinformationen und -Applikationen – natürlich nur für Befugte – will Citrix in Zukunft noch mehr in den Vordergrund stellen.
Nur konsequent war daher der Kauf des Unternehmens-Portal-Herstellers Sequoia und seines Know-hows im letzten Jahr. Citrix wolle eine neue Kategorie, das «Information Access Portal», als Vision für die Zukunft propagieren, sagt Sjöström.
Aber stellt sich Citrix damit nicht in eine neue Konkurrenzsituation mit den Portalherstellern? «Die Grossen versuchen, die ‹Hundert-Millionen-Dollar-Probleme› zu lösen, zum Beispiel Workflow- und Business-Prozesse auf dem Portal abzubilden. Wir dagegen wollen uns um die
‹Brot-und-Butter-Probleme› kümmern», hält Sjöström dem entgegen.
Die Enterprise-Portal-Grössen würden sich vor allem untereinander konkurrenzieren, Citrix sei dagegen für diese Hersteller eine «sichere Lösung» eines neutralen Herstellers, um das reine Access-Problem zu lösen.
Kleiner Einschub: Sjöström lacht auf die Bemerkung des Fragestellers, Citrix scheine sich als die Schweiz unter den Software-Herstellern zu betrachten, und ob das etwas mit Wahl des Sitzes der Europazentrale in Schaffhausen zu tun habe. Allerdings fügt er dann an, dass da schon ein Zusammenhang bestehe, wenn auch in einer anderen Beziehung. Um Differenzen unter den Länderorganisationen zu schlichten, sei die Schweiz ein sehr guter Standort, bei einem Sitz zum Beispiel in England oder Deutschland würde die Zentrale viel schneller als parteiisch gelten.

Channel-Troubles?

Um die Portal-Technologie, genauer gesagt um den «Nfuse-Elite-Access- Portal-Server», der im Juni erscheinen soll, dreht sich auch das neue «Fast track»-Channel-Programm von Citrix. 500 Partner weltweit wurden dafür von Citrix ausgewählt. Sie erhalten Zugang zu einem «Technology Preview», um zu lernen, die Technologie anzuwenden.
Ein gewisses Misstrauen hat, gemäss Giga, Citrix’ eigene ausgebaute Service-Organisation hervorgerufen. Will Citrix vermehrt Dienstleistungen direkt verkaufen? Sjöström sieht in der Service-Abteilung keinen Anlass, potentielle Channel-Konflikte zu wittern. Vielmehr ginge es dabei vor allem um Kompetenz-Transfer: «Unsere Leute arbeiten Seite an Seite mit den Partnern.»
Dass Citrix Absichten hege, den Channel zu konkurrenzieren, kontert er auch noch mit dem Argument: «Wir sind 2000 Leute, aber wir haben 9000 Partner!» Ein weiterer Kritikpunkt an Citrix, der, wie man hört, unter den grösseren Partnern laut geworden ist, betrifft die Mengenrabatte: Es gibt zwar Mengenrabatte für Endkunden, aber keine diesbezügliche Differenzierung zwischen Silber-, Gold- und Platinumpartnern, also keine volumenbezogenen Resellerdiscounts. «Wir wollen fair zu allen sein», kontert Sjöström diese Kritik.
Auch eine IBM solle nicht mehr Discount bekommen. Die Konkurrenz unter den Partnern solle über den Value Add laufen, den sie neben den Produkten noch bieten können.

Zukunftsaussichten

Nicht unbedingt für das Konzept Server based Computing (das kommt darauf an, wie breit man es definiert), aber sicher für Programme wie Metaframe gibt es ein Zeitfenster, das sich in den nächsten paar Jahren schliessen wird, glauben viele Experten. Auch Sjöström will dem nicht ganz widersprechen: «Das Metaframe-Konzept wird in fünf Jahren nicht mehr die Kraft haben wie heute. Aber das Problem wird dann noch grösser sein als heute.» Allerdings wird dieses dann zum grössten Teil von webbasierten Applikationen angegangen werden.
Für Metaframe aber gibt es dennoch noch eine lange, wenn vielleicht auch in der Bedeutung reduzierte fernere Zukunft, glaubt Sjöström. «Viele alte Applikationen werden nie so umgeschrieben werden, so dass sie selbst den Zugriff über einen Browser erlauben, sie werden auch nicht als Web-Services rezykliert werden. Das Problem dieser Legacy-Applikationen wird niemals ganz verschwinden, und 20% werden immer für uns bleiben.» (hjm)


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