Erich Gebhardt - Das Energiebündel
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Erich Gebhardt - Das Energiebündel

Erich Gebhardt hat sich durch den Verkauf von Media Streams.com an Microsoft einen Namen in der Schweizer IT-Szene gemacht. Start-ups liegen ihm auch heute noch am Herzen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2010/12

     

«Koch», antwortet Erich Gebhardt wie aus der Pistole geschossen auf die Frage, was aus ihm geworden wäre, wäre er nicht in der ICT-Branche gelandet. Doch dass er hier gelandet ist, bereut er nicht im Geringsten. Verständlich, denn Gebhardt schaffte, was nur wenigen Schweizern vergönnt ist: Er konnte sein Start-up, den VoIP-Vorreiter Media Streams.com, 2005 an Microsoft verkaufen. Ein Coup, der nicht nur hierzulande für Aufsehen sorgte. Und da nun ICT und nicht die Küche sein Leben bestimmt, kann er seiner Leidenschaft fürs Kochen heute nur in der Freizeit frönen – meist in seinem Ferienhaus in Flims, in dem er «im Winter praktisch jedes Wochenende zum Skifahren mit der Familie, und auch im Sommer oft zum Wandern» anzutreffen ist.
Er komme aus einer Velorennfahrer-Familie, erklärt der heutige Swisscom-Mann, fahre aber selbst nicht mehr so oft, wie er sollte. Doch die Energie eines Radrennfahrers verstreut Gebhardt auch dann, wenn er für ein Portrait Red und Antwort steht. Energie und Enthusiasmus steckt der 46-Jährige heute unter anderem auch in Start-ups. Er engagiert sich in der Start-up-Szene Schweiz als privater Business Angel, ein Engagement, das er als eines seiner Hobbys bezeichnet. Neben der Start-up-Förderung hat Gebhardt zudem auch ein soziales Engagement und ist VR der Stiftung Axisbildung, welche Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen Lehrstellen verschafft. «Aktuell bauen wir beispielsweise eine Käserei.» Daneben ist er auch als Gastdozent für Innovation an der ETH und an der HSG tätig und ist Stiftungsrat der Stiftung Futur (www.futur.ch), die Jungunternehmen durch Coaching fördert.

Fantastisches Potential

Mit dem Verkauf von Media Streams.com habe er sich einen Traum erfüllt. Das Interesse Microsofts habe gezeigt, dass der Durchbruch von VoIP anstehe und seine Firma dabei einen wichtigen Beitrag geleistet habe. «Der zweite Punkt, auf den ich stolz bin, ist aber auch die Tatsache, dass wir es geschafft haben, dass das Entwicklungsteam in Zürich bleibt.» Dass ihm die Schweiz beziehungsweise die Schweizer IT-Szene am Herzen liegt, betont Gebhardt immer wieder. «Auf Systemintegratoren- und Betreiber-Seite sind wir top, und auch netzwerkseitig sind wir führend und müssen daran arbeiten, dass das so bleibt. Schade finde ich, dass es in der Schweiz keinen grossen, globalen Software-Hersteller gibt. Und ich wünschte mir für unser Land mehr Gurus – IT-Spezialisten, die führend sind in ihrem Bereich.» Die Schweiz beschäftige zwar viele Leute in der ICT-Branche, doch beim Know-how sehe er Aufholbedarf. «Dieses Know-how müssen wir uns beschaffen, auch aus dem Ausland.» Dabei denkt Gebhardt vor allem an Indien, China und den Ostblock. «Dort finden sie diese Leute. Und gerade Osteuropäer sind sehr einfach in der Schweiz zu integrieren. Und ich glaube, die Schweiz hätte ein fantastisches Potential, wenn wir es schaffen würden, solche ICT-Gurus zu uns zu holen.»

Rüstzeug im Ausland holen

Nach dem Verkauf von Media Streams.com war Gebhardt während drei Jahren bei Microsoft beschäftigt, bis die Integration der Technologie in Microsoft Office abgeschlossen war. Zum Abschluss seiner Microsoft-Zeit und vor seinem Engagement bei Swiss­com nahm sich Gebhardt eine Auszeit, um ein halbes Jahr durch die Welt zu reisen – bereits zum zweiten Mal. «Reisen ist eine meiner weiteren Leidenschaften», so Gebhardt. «Ich kann mir durchaus vorstellen, irgendwann länger im Ausland zu leben. Neuseeland würde mich reizen.» Und in diesem Zusammenhang erklärt er auch, dass er, wenn er heute zurückblickt und etwas anders machen würde, wohl mehr ins Ausland gehen würde. «Ich habe zwar einige Zeit im Ausland gearbeitet, doch ich hätte dies noch mehr machen sollen. Ich bin zwar ein totaler Fan der Schweiz. Aber das Rüstzeug, um erfolgreich in diesen globalen Technologien zu sein, kann man nicht nur in der Schweiz holen. Im Ausland lernt man einen anderen Umgang mit dem Business. Man lernt, Ideen zu sammeln, um diese dann in der Schweiz mit ihren sensationellen Rahmenbedingungen umzusetzen.»
Auf die Zukunft angesprochen, sei auf beruflicher Seite der Fall klar. «Ich bin hier angetreten, um das Swisscom Corporate Business Produktportfolio zu konsolidieren und zu modernisieren. Das ziehe ich mit meinem Team durch, und das wird einige Jahre in Anspruch nehmen.» Was dann komme, werde man sehen, wenn es soweit ist. «Ein ähnliches Projekt wie hier bei Swisscom bei einer anderen Firma würde mich sicher reizen.» Auch nochmals etwas selbst zu machen, könne er nicht ausschliessen – sofern er denn eine Idee habe. «Der Biss zumindest wäre noch da», so Gebhardt, und sein abschliessendes Lachen lässt daran keine Zweifel aufkommen.

Erich Gebhardt

Wenn Erich Gebhardt (46) von
seiner eigenen Familie spricht, leuchten seine Augen. «Ich bin zwar geschieden, aber erfolgreich geschieden», so Gebhardt lachend, «und ich habe eine Super-Familie mit drei Töchtern und einer Partnerin.» Er selbst komme aus gewöhnlichen Verhältnissen, der Vater Redaktor, die Mutter Hausfrau. Aufgewachsen ist er mit seiner Schwester in Schwamendingen, heute lebt Gebhardt in Zürich Enge. Nach der obligatorischen Schulzeit, der Feam-Lehre und der BMS studierte Gebhardt Elektrotechnik. Seine IT-Karriere begann er bei Siemens in der Software-Entwicklung. In dieser Zeit absolvierte er zudem ein
berufsbegleitendes MBA an der Duke University in North Carolina. Mit Mitarbeitern aus seiner Siemens-Zeit gründete er 1999 Media Streams.com, welches er 2005 an Microsoft verkaufte. Nach rund drei Jahren bei Microsoft wechselte er zu Swisscom, wo er Leiter Customer Experience Design und Mitglied der Bereichsleitung Swisscom Grossunternehmen ist. Er bezeichnet sich selbst als
«Macher», Bürokratie bringe ihn zur Verzweiflung. Ausserdem baue er gerne Neues auf und stelle Bestehendes in Frage «Ein wenig der Revoluzzer-Approach.» (mw)




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