'Weg vom klassischen Boxmoving, hin zum Lösungsverkauf'
Quelle: Media Markt Schweiz

"Weg vom klassischen Boxmoving, hin zum Lösungsverkauf"

Seit Juni steht Media Markt Schweiz unter der Führung von Patrick Marti. Im Interview erklärt er, wie er den Discounter zum Lösungsspezialisten entwickeln und das Online-Geschäft stärken will.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2019/09

     

Patrick Marti hat per 1. Juni als CEO die Führung von Media Markt in der Schweiz übernommen. Dies, nachdem er erst auf Anfang 2019 als Einkaufsleiter an Bord geholt wurde. Der ehemalige CEO von Mobility hat den Schweizer Consumer-Electronics-­Riesen in bewegten Zeiten übernommen. Zuletzt wurde Media Markt Schweiz von zwei Interims-CEOs geführt – Martin Rusterholz, der die Position im Herbst 2018 abgab, und Guido Monferrini, der damals einsprang, eigentlich aber das Südeuropa- und Italiengeschäft von Media Markt leitet. Schlagzeilen machte Media Markt Schweiz im vergangenen Dezember zudem mit einem massiven Umsatzeinbruch von über 10 Prozent auf 569 Millionen Euro, womit die hiesige Ländergesellschaft das grösste prozentuale Umsatzminus aller Media-Markt-Länder im abgelaufenen Geschäftsjahr auswies. Im Gespräch mit "Swiss IT Reseller" nun erklärt der neue starke Mann an der Spitze von Media Markt Schweiz, wie er das Unternehmen zurück zum Erfolg bringen will.


"Swiss IT Reseller": Zuerst einmal herzliche Gratulation zu Ihrem raschen Aufstieg bei Media Markt Schweiz. Sie scheinen Herausforderungen zu mögen…
Patrick Marti: Sogar sehr gerne, ja. Ohne Herausforderungen ist die Arbeit nicht spannend und macht bei weitem nicht so viel Spass.
Allerdings dürfte angesichts der jüng­sten Zahlen zum Schweizer Geschäft auch viel Druck vom Mutterhaus kommen. Wie gross ist dieser Druck?
Druck hängt stark von der eigenen Wahrnehmung ab, und ich darf von mir behaupten, dass ich mit Druck recht entspannt umgehe. Natürlich ist Druck da, allerdings empfinde ich den Druck, den ich mir selbst mache, grösser als den, welcher von aussen kommt. Ich möchte, dass Media Markt Schweiz wieder erfolgreich wird, und ich trage eine Mitverantwortung für die 1000 Mit­arbeiter, die wir hierzulande beschäftigen, sowie deren ­Familien.


Wie präsent ist denn der Mutterkonzern in Ihrer täglichen Arbeit?
Grundsätzlich ist Media Markt in der Schweiz eine unabhängige Gesellschaft. Doch der Weg geht mehr und mehr dahin, zu einer Einheit, zu einer Firma zu werden. Dies mit dem Hintergedanken, die Stärke der Holding zu nutzen und von anderen Ländergesellschaften zu profitieren. Denn vieles, das im Ausland funktioniert, funktioniert auch in der Schweiz und umgekehrt. Die Grundeinstellung, als eine Firma zu agieren und zu funktionieren, sehe ich als riesige Chance für Media Markt – nicht nur in der Schweiz.
Wie liegen die grossen Herausforderungen von Media Markt in der Schweiz, auch im Vergleich mit anderen Ländern?
Grundsätzlich sind die Herausforderungen in allen Ländern, in denen Media Markt präsent ist, ähnlich. In der Schweiz aber ist die Digitalisierung sicherlich etwas weiter fortgeschritten als im Rest von Europa – sprich der Online-Anteil im Consumer-Electronics-Geschäft ist höher als in anderen Ländern. Auf diesen Zug ist Media Markt Schweiz etwas zu spät aufgesprungen – das ist kein Geheimnis und es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass Media Markt hier noch Aufholbedarf hat. Dies weniger aus technischer Sicht, hier wurden mit dem Plattformwechsel des Onlineshops im letzten Juni die Hausaufgaben gemacht. Aber unser Marktanteil im Online-Geschäft ist nach wie vor deutlich tiefer, als er dies im Offline-Geschäft ist. Eine weitere Herausforderung ist, den Wandel von einer produktorientierten zu einer kundenorientierten Organisation hinzubekommen. Unser Ziel muss lauten, den Kunden permanent ins Zentrum zu stellen. Wir müssen weg vom klassischen Boxmoving, hin zum Lösungsverkauf. Unser Job ist nicht getan, wenn wir einen TV verkauft haben. ­Unser Job ist dann getan, wenn der Kunde genau den TV mit heimnimmt, der seine spezifischen Bedürfnisse erfüllt, der genau dort steht oder hängt, wo der Kunde ihn will, und der perfekt verkabelt, ausgerichtet und kalibriert ist.

Ich muss Ihnen aber ganz offen sagen: Wenn ich eine Lösung für ein spezifisches Problem in der Heimelektronik suche, gehe ich zum Fachhändler meines Vertrauens und nicht zu Media Markt.
Und das ist ein Fehler. Fakt ist, Media Markt bietet dasselbe Spektrum an Leistungen an wie ein lokaler Fachhändler – und darüber hinaus noch mehr. Nur ist das noch zu wenig bekannt. Ich möchte auf das Beispiel von vorhin zurückkommen. Wir bieten dem Kunden die Option, seinen TV kalibrieren zu lassen. Ich muss offen sagen, ich hätte nicht gedacht, dass hier eine Nachfrage besteht, doch ich wurde ­eines Besseren belehrt – es gibt ein grosses Kundenbedürfnis, der Konsument ist glücklich, wenn wir für ihn das Bild einstellen. Wir verkaufen heute über 20 Prozent unserer TVs vorkalibriert. Und wir liefern und installieren auch jede erdenkliche Lösung beim Kunden zu Hause, wenn er das will.
Doch das machen Sie ja nicht kostenlos, und darum bleibe ich bei meiner Behauptung: Wenn ich bereit bin, für solche Dienstleistungen zu bezahlen, dann gehe ich eher zum Händler meines Vertrauens, und nicht zu Media Markt mit dem Image des Preisbrechers mit Verkaufspersonal, deren Stärken vielleicht nicht unbedingt in der spezifischen, komplexen Lösungsberatung liegen.
Natürlich braucht es viel Arbeit von unserer Seite, um diese Wahrnehmung zu ändern. Doch wir arbeiten daran, und wir haben uns als Ziel gesetzt, die Leistung des Fachhändlers in der gleichen oder besseren Qualität zu einem besseren Preis zu erbringen.


Wie wollen Sie das schaffen? Wie wollen Sie ihr Personal dahin bringen?
Gerade beim Personal findet bei uns eine grosse Entwicklung in Richtung Beratung statt. Das bedeutet aber auch, dass sich unsere Mitarbeiter sowohl in den Märtken als auch in der Zentrale weg vom Generalisten hin zum Spezialisten wandeln müssen. Wir haben bereits vor kurzem ein Category Management eingeführt als eine von vielen Massnahmen. Es geht nicht nur um reines Einkaufen, sondern darum, das Richtige einzukaufen – also die Produkte, die der Konsument möchte, mit dem richtigen Zubehör und den passenden Dienstleistungen, um so eine Gesamtlösung anbieten zu können.
Wenn Sie Gesamtlösungen und Beratungsdienstleistungen ansprechen: Sind dann auch Firmenkunden ein Thema?
Das ist ein Thema, an dem wir sehr intensiv arbeiten. Wir werden in Kürze mit einer sehr spannenden Lösung für Unternehmenskunden auf den Markt kommen. Mehr kann ich noch nicht verraten.

Die Schweiz ist kein einfacher Markt für einen Heim­elektronik-Anbieter, es gibt kein Land, in dem der Preiskampf grösser ist. Kann das Konzept von Media Markt mit den grossen, teuren Ladeflächen in diesem Umfeld überhaupt noch erfolgreich sein?
Ja, aber man darf die Märkte und das digitale Geschäft nicht isoliert betrachten. Ich werde oft gefragt, ob wir planen, Filialen zu schliessen. Mein Antwort hierzu lautet ganz klar "Nein". Wir brauchen die stationären Märkte, sie ergänzen unser Online-Angebot, denn viele Konsumenten wollen die Produkte auch im Online-Zeitalter vor dem Kauf zuerst sehen, berühren und ausprobieren. Hierbei bietet Media Markt auch im Online-Zeitalter nach wie vor die grösste, physisch erlebbare Auswahl.


Aber den besten Preis wird Media Markt im Online-Geschäft nicht bieten können, denn Sie müssen ja die ganze Ausstellungsfläche – also die Märkte und deren Personal – mit­finanzieren.
Ein Pure-Online-Player, der keine Märkte betreibt, kann seine Waren günstiger verkaufen, da gebe ich Ihnen recht. Doch der Preis macht nicht den alleinigen Unterschied. Wenn ich es als Omnichannel-Anbieter schaffe, online eine einmalige Customer Journey zu bieten, mein Shop schnell, funktional und modern ist, und wenn ich all das mit den Vorzügen des stationären Handels koppeln kann, dann kann ich trotzdem erfolgreich sein. Sich mittels einer einzigen Funktionalität oder einem Angebot online profilieren zu wollen, ist heute fast unmöglich. Doch wenn alle Komponenten sauber und reibungslos zusammenspielen, man zum Beispiel jegliche Bezahlmöglichkeit ­unterstützt und Waren, die man verkauft, auch tatsächlich verfügbar hat, hat man stärkere Argumente als nur den Preis. Der Preis ist heute ein Pflichtelement, ohne einen attraktiven Preis ist man heute gar nicht mehr relevant auf dem Markt.
Sie haben es gesagt, technologisch sind Sie online auf der Höhe, bezüglich Online-Marktanteil gibt es noch Aufholbedarf. Holen Sie denn gegenüber Digitec und Co. auf?
Wir wachsen erfreulich, aber auch Digi­tec wächst. Wir gewinnen Marktanteile, jedoch nicht zugunsten von Digitec, sondern von anderen Anbietern, die ähnlicher gelagert sind wie wir.

Unter Ihrem Vor-Vorgänger Martin Rusterholz wurde damit begonnen, in den Märkten Erlebnisinseln zu schaffen. Die Rede war unter anderem von Kochevents, die stattfinden sollten. Verfolgt man dieses Konzept noch?
Die Grundidee damals war eigentlich gut, in meinen Augen allerdings ein wenig theoretisch gelagert. Denn ich frage Sie: Wollen Sie als Konsument an einem Kochevent teilnehmen, wenn Sie an einer Küchenmaschine interessiert sind? Ich wage das zu bezweifeln. Wir wollen dem Kunden zwar ein Erlebnis bieten, wenn er in einen Media Markt kommt. Das Erlebnis soll allerdings die gute Beratung sein und die Möglichkeit, eine Maschine oder ein Gerät im Betrieb zu sehen…
…um es dann beim günstigsten ­Online-Anbieter zu kaufen. Ist das Thema Showrooming ein Problem, das Sie beschäftigt?
Nicht so sehr. Showrooming gehört zum stationären Geschäft, doch wir sind mit unseren Konversionsraten sehr zufrieden. Was uns mehr Sorgen macht, sind die Frequenzen in unseren Märkten. Diese sind zwar immer noch sehr hoch, sinken vereinzelt allerdings.

Und wie wollen Sie dem entgegen­wirken?
Unser Ziel muss lauten, die Wahrnehmung von Media Markt wieder zu steigern. Ein Beispiel hierzu ist der Red Friday, den wir Ende Juni durchgeführt haben – quasi als Sommerpendant zu Black Friday. Es war unglaublich zu sehen, wie viele Konsumenten wir hierbei mobilisieren konnten, unsere Märkte zu besuchen. Mit solchen Aktionen kommerzialisieren wir unsere starke Marke, was in Vergangenheit zu wenig geschehen ist.


Handkehrum frage ich mich schon, ob Sie sich mit solchen Aktionen im margenschwachen Consumer-Electronics-­Geschäft wirklich einen Gefallen machen.
Wir haben darüber gesprochen: Der Markt ist nirgends so kompetitiv wie in der Schweiz. Letztlich muss der Mix der verkauften Produkte dazu führen, dass unser Unternehmen erfolgreich ist. Eine Kampagne wie der Red Friday ist ein Element dieses gesamten Mixes.
Planen Sie zusätzlich noch grössere Anpassungen in den stationären Märk­ten, oder wie sieht Ihr Konzept der Zukunft hier aus?
Was die Flächen angeht, sehe ich nicht allzu grossen Handlungsbedarf. Wir haben die grössten Flächen der Schweiz, und das wird auch in Zukunft so sein, auch wenn es punktuell immer wieder Anpassungen gibt. Auch das Marktnetz wird in etwa gleichbleiben, und wenn wir irgendwo die Chance auf einen guten Standort sehen, werden wir diese Chance nutzen. Für die Märkte selbst möchte ich, dass wir uns auf die Grundlagen konzentrieren, diese Grundlagen aber beherrschen. Der Konsument soll sich im Media Markt wohl fühlen, sich zurechtfinden, gut beraten werden, sein Problem lösen können und vor allem die Produkte in einer grossen Auswahl erleben dürfen. Denn dadurch wird der stationäre Handel auch in Zukunft höchst relevant bleiben.

Wie steht es um die Sortimentsbreite?
Das Sortiment wird im Zuge der Einführung des Category Management ­sicherlich ein wenig angepasst werden. In der Breite werden die Produktkategorien in etwa bleiben, allenfalls kommen einige neue Kategorien hinzu – ich denke dabei etwa an das Thema Gesundheit, das künftig ein Schwerpunkt werden könnte. (mw)


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