Der stationäre Handel hat es schwer. Dies zeigen nicht zuletzt die kürzlich angekündigte Schliessung des Traditionskaufhauses Jelmoli in Zürich oder die Bekanntgabe von Migros, seine Elektroartikel-Tochter Melectronics neu aufzustellen und ab Herbst 2023 das Sortiment mehr auf Haushaltselektronik, Wellbeing und Beauty auszurichten und Filialen zu schliessen. Kunden wünschen sich ein komfortables, einfaches Einkaufserlebnis und lassen den Online-Handel boomen – eine Entwicklung, die durch die Pandemie nochmals beschleunigt wurde. Doch was bedeutet diese Tatsache für die Zukunft des stationären Handels? Martin Egli, Senior Digital Business Consultant & Co-Owner beim Unternehmensberater Carpathia, liefert eine Einschätzung zur aktuellen Lage und dazu, wie es mit dem Retail weitergehen wird.
«Swiss IT Reseller»: Wie war 2022 gemäss Ihrer Einschätzung für den hiesigen stationären IT- und CE-Handel? Wie hat sich das stationäre Geschäft nach Corona entwickelt und wieso diese Entwicklung?
Martin Egli: Für eine genaue Abschätzung fehlen uns noch einige Informationen aus dem Markt, wir gehen jedoch davon aus, dass der stationäre IT- und CE-Handel im 2022 rückläufig war.
Und wie wird sich der stationäre IT- und CE-Handel 2023 und darüber hinaus Ihrer Ansicht nach entwickeln? Was sind die Trends und Chancen?
Wir gehen davon aus, dass es zu Flächenreduktionen und Filialschliessungen kommen wird. Die Margen der (Online-)Marktpreise sind zu tief, um eine wertige zeitgemässe Filiale und gute Mitarbeitende langfristig zu finanzieren. Wichtig wären Sortimente von Marken mit hoher Preisstabilität und entsprechend exklusiver Vertriebsstrategie. Ein anderer Ansatz ist, die Hersteller verstärkt in die Pflicht zu nehmen und sich deren stationäre Sichtbar- und Verfügbarkeit konsequent vergüten zu lassen, unter anderem mit Shop-in-Shop und weiteren Retail-Media-Konzepten.
Digitale Rezepte für den Retail
Artikel erschienen in
Swiss IT Reseller 2023/03
– Seite 1
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4. März 2023 -
Rund um den boomenden Online-Handel kämpft der stationäre Retail auf verlorenem Posten, wie man denken könnte. Doch teilen Experten diese Einschätzung oder wie sehen sie die Zukunft des stationären Handels? Wie beurteilen Händler wie Interdiscount und Steg Electronics selbst die Lage und mit welchen Massnahmen wollen sie für Erfolg im stationären Handel sorgen? Und schliesslich die Frage: Ist künstliche Intelligenz im stationären Handel noch Zukunftsmusik oder bereits Realität und was kann sie bewirken? «Swiss IT Reseller» hat nachgefragt.
Was macht der stationäre Handel richtig, wo gibt es noch Verbesserungspotenzial? Oder anders gefragt: Welche Konzepte und Massnahmen funktionieren und welche haben sich als eher weniger wirksam erwiesen?
Der stationäre Handel kann durch das Produkterlebnis, den persönlichen Kundenkontakt und eine unmittelbare Produktverfügbarkeit punkten. Oft wird aber am Produkterlebnis und am persönlichen Kundenkontakt gespart, in der Hoffnung, mit den Online-Preisen mithalten zu können. Die Folge ist eine unpersönliche Fläche mit Regalen voller Produkte, die nicht mehr hergeben als ein Produktbild. Es ist klar, dass die Preise auch bei den stationären Händlern konkurrenzfähig sein müssen, jedoch darf dies nicht durch Einsparungen bei den wertvollen Vorteilen gegenüber dem Online-Handel geschehen. Vielmehr geht es darum, auf der Fläche ausgewählte Produkte und Hersteller zu präsentieren und die Ressourcen sehr gezielt einzusetzen. Zudem sind hochwertige Ausstellungsflächen knapp geworden und dürften den Herstellern etwas Wert sein.
Ein immer wieder gehörtes Stichwort ist Smart Retail. Was bedeutet das genau, also konkret in der Umsetzung, und welche Vorteile bringt dieses Konzept dem stationären IT- und CE-Handel?
Smart Retail zielt auf die Automatisierung von Prozessen im Detailhandel durch den Einsatz von digitalen Technologien ab. Grundsätzlich ein guter Ansatz, um Mitarbeitende von automatisierbaren Prozessen zu entlasten und diese dafür dort einzusetzen, wo ein tatsächlicher Mehrwert durch einen persönlichen Kundenkontakt resultiert. Smart Retail muss jedoch richtig eingesetzt werden, denn nicht jede Spielerei ist zielführend. Es wird gerade viel mit AR/VR experimentiert, mit eher mässigem Erfolg. Die Akzeptanz aus Sicht der Kunden und Kundinnen ist dann gegeben, wenn der Aufwand sinkt, durch Einsatz der Technologie zum Ziel zu kommen.
Ein weiteres Stichwort ist Live-Shopping, also die Interaktion mit Kunden nicht nur im Laden sondern auch im Netz. Welche Rolle können die Mitarbeiter in den Shops hierbei einnehmen respektive ist das Ihrer Einschätzung nach ein erfolgsversprechender Weg, um den stationären und den Online-Handel zu verbinden?
Live-Shopping ist in den letzten Jahren aus dem asiatischen Raum zu uns nach Europa vorgedrungen. Bei uns wird noch experimentiert, wie Live-Shopping für die europäischen Kunden und Kundinnen einen tatsächlichen Mehrwert generieren kann. Das Bindeglied zwischen stationär und online sind übergreifende Prozesse und weniger ein zusätzlicher Touchpoint wie Live-Shopping. Neben dem Live-Shopping gibt es auch noch die Live-Videoberatung. Diese wurde in der Schweiz in den letzten Jahren vielerorts eingesetzt wie beispielsweise in mehreren Migros-Unternehmen, die eine positive Bilanz ziehen. Mitarbeitende aus den Shops können solche Eins-zu-eins-Videoberatungen übernehmen.
Der stationäre Handel kann durch das Produkterlebnis, den persönlichen Kundenkontakt und eine unmittelbare Produktverfügbarkeit punkten. Oft wird aber am Produkterlebnis und am persönlichen Kundenkontakt gespart, in der Hoffnung, mit den Online-Preisen mithalten zu können. Die Folge ist eine unpersönliche Fläche mit Regalen voller Produkte, die nicht mehr hergeben als ein Produktbild. Es ist klar, dass die Preise auch bei den stationären Händlern konkurrenzfähig sein müssen, jedoch darf dies nicht durch Einsparungen bei den wertvollen Vorteilen gegenüber dem Online-Handel geschehen. Vielmehr geht es darum, auf der Fläche ausgewählte Produkte und Hersteller zu präsentieren und die Ressourcen sehr gezielt einzusetzen. Zudem sind hochwertige Ausstellungsflächen knapp geworden und dürften den Herstellern etwas Wert sein.
Ein immer wieder gehörtes Stichwort ist Smart Retail. Was bedeutet das genau, also konkret in der Umsetzung, und welche Vorteile bringt dieses Konzept dem stationären IT- und CE-Handel?
Smart Retail zielt auf die Automatisierung von Prozessen im Detailhandel durch den Einsatz von digitalen Technologien ab. Grundsätzlich ein guter Ansatz, um Mitarbeitende von automatisierbaren Prozessen zu entlasten und diese dafür dort einzusetzen, wo ein tatsächlicher Mehrwert durch einen persönlichen Kundenkontakt resultiert. Smart Retail muss jedoch richtig eingesetzt werden, denn nicht jede Spielerei ist zielführend. Es wird gerade viel mit AR/VR experimentiert, mit eher mässigem Erfolg. Die Akzeptanz aus Sicht der Kunden und Kundinnen ist dann gegeben, wenn der Aufwand sinkt, durch Einsatz der Technologie zum Ziel zu kommen.
Ein weiteres Stichwort ist Live-Shopping, also die Interaktion mit Kunden nicht nur im Laden sondern auch im Netz. Welche Rolle können die Mitarbeiter in den Shops hierbei einnehmen respektive ist das Ihrer Einschätzung nach ein erfolgsversprechender Weg, um den stationären und den Online-Handel zu verbinden?
Live-Shopping ist in den letzten Jahren aus dem asiatischen Raum zu uns nach Europa vorgedrungen. Bei uns wird noch experimentiert, wie Live-Shopping für die europäischen Kunden und Kundinnen einen tatsächlichen Mehrwert generieren kann. Das Bindeglied zwischen stationär und online sind übergreifende Prozesse und weniger ein zusätzlicher Touchpoint wie Live-Shopping. Neben dem Live-Shopping gibt es auch noch die Live-Videoberatung. Diese wurde in der Schweiz in den letzten Jahren vielerorts eingesetzt wie beispielsweise in mehreren Migros-Unternehmen, die eine positive Bilanz ziehen. Mitarbeitende aus den Shops können solche Eins-zu-eins-Videoberatungen übernehmen.