Diskret und treu – 20 Jahre GIT

Die Genfer Société GIT SA – ein Start-up, bevor der Begriff überhaupt erfunden wurde – feiert ihr 20-jähriges Bestehen. GIT sprach nie viel über ihren Erfolg, doch zählt sie heute in ihrem stark umkämpften Marktsegment nicht weniger als 350 Firmen in 80 Ländern zu ihren Kunden.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/20

     

Als GIT (Gestion et Informatique pour Tous) 1981 von Frank Servais (Bild), Jean-Pierre Lévy und Jocelyne Grobéty gegründet wurde, war PC-gestützte Buchhaltung in der Informatik noch völlig neu und schlicht eine Marktlücke. Ihre Geschäftsstrategie war auf Dauer statt auf schnelles Geld ausgerichtet. Bevor er sich in dieses Abenteuer stürzte, hatte Frank Servais bereits seine erste Anstellung nach der Universität abgehakt. Bereits vom Informatikvirus befallen, den er sich im Kontakt mit einem Apple II geholt hatte, schlug der Buchhaltungs-Anfänger vor, Buchungen in einen Computer einzugeben. Zu diesem Zeitpunkt galt das als Majestätsbeleidigung.

Herausforderung statt Frustration

Für diese schrullige Idee wurde er ziemlich derb heruntergeputzt. Wer konnte sich auch so etwas vorstellen? Daraufhin beschloss er weiterzumachen, aber auf eigene Rechnung. Ein echtes Start-up im Wortsinne, aber in keiner Weise mit der New Economy zu vergleichen. Die drei Kumpane besorgten sich einige Dutzend Millionen Franken von ihren Familien, dann stürzten sie sich in die Verwirklichung ihres Projekts.
Um die Entwicklung über einen längeren Zeitraum zu finanzieren, mussten sie weitere Einkommensquellen finden. Deshalb begannen sie, Informatik-Ausbildung anzubieten. Dabei erwarben sie sich einen so guten Ruf, dass sie einen Schulungs-Auftrag von Coop erhielten. Dazwischen entwickelten sie auf ihren Apple II ihr Buchhaltungsprogramm. «Eines Tages»; erinnert sich Frank Servais, «erhielten wir eine Anfrage einer Zuger Firma, die ein Modul für Fremdwährungen benötigte.» Das war der erste Schritt hin zu einer Öffnung der Produkte für andere Anwendungsbereiche.

Das Ding namens «IBM-PC»

Dann kamen die ersten Macintosh von Apple auf den Markt. Sie hatten im Gegensatz zum Apple II keine Harddisks. Man hätte auf die viel teureren Lisa-PCs umsteigen müssen, um weiter in der Apple-Welt zu bleiben. Diese Lösung war für die kleine Firma untragbar. «Eines Tages kam einer meiner Kumpels aus den USA zurück und hatte etwas im Gepäck, das sich IBM-PC nannte», erinnert er sich. Man wagte eine Wende in die Richtung, die auf diesem Gebiet Standard werden sollte.
Nachdem man grössere Aufträge für Buchhaltungs-Lösungen für die IATA gewonnen hatte, traf man auf eine neue Herausforderung, da diese international operierende Organisation auch eine spanische Version benötigte. Seitdem ist sie in fünf Sprachen erhältlich und besteht aus fünf verschiedenen Modulen (Buchhaltung, Aktienverwaltung, Portfolio-Verwaltung, Gehalt und Fremdwährungen). Die Reihe Top Man EUR, später WinEUR (die Windows-Version), entspricht den unterschiedlichen internationalen Martkbedürfnissen. Jeder Benutzer kann seine Applikationen jederzeit an seine Bedürfnisse anpassen und seine Sprache wählen, ohne das Programm rekonfigurieren zu müssen.

Jetzt das Marketing

Mittlerweile ist der Grossteil der Übertragung auf die Windows-Plattform geschafft und Frank Servais kann sich etwas mehr um die Bekanntmachung des Produktes kümmern. «Ende diesen Jahres werde ich unseren Channel weiterentwickeln», unterstreicht er. Er macht sich nichts vor, denn er weiss, dass der Buchhaltungs-Software-Markt heiss umkämpft ist. Und Frank Servais ist sich bewusst, dass sein Produkt für die diversen Länder vielleicht nicht so gut ist, wie ein regional entwickeltes.
Es ist auf jeden Fall teurer als manche Buchhaltungsprogramme, die man in den Regalen der Informatikläden findet: «Aber unser Hauptvorteil ist, dass wir mit verschiedenen Sprachen und Währungen arbeiten.» Der Erfolg für dieses Prinzip zeigt sich darin, dass seine momentan 25 Angestellten einen Umsatz von vier Mio. Franken machen.
Auf der Entwicklungsumgebung Delphi von Borland und mit dem C Builder für den System-nahen Teil aufgebaut, nutzt die neue Version nicht die Standard-Datenbanken, sondern eigene. Diese Eigenheit wird von einigen missverstanden, bietet aber einen höheren Bestandsschutz und spart teure Lizenzgebühren. Der Übergang zur entsprechenden Windows-Version wird im Rahmen einer kleinen Anpassung, die im Wartungsvertrag enthalten ist, geleistet. Das geschieht ungeachtet der Tatsache, dass diese Strafarbeit sein Unternehmen zwischen 4 und 5 Mio. Franken gekostet hat – eine komplett selbst finanzierte Investition.
Der Übergang zur Windows-Version erfolgte ohne den befürchteten Run auf den Telefon-Support, erzählt Frank Servais. Er konnte kaum glauben, dass der Versionenwechsel so einfach vor sich gegangen sei und zweifelte daran, dass die Kunden die Windows-Version überhaupt einsetzten. Sie hatten.

Stabilität, die jeder Prüfung standhält

Es ist diese Stabilität, wegen der er mit relativer Gelassenheit den Auftrag zur Entwicklung eines Modells für die Verwaltung von Lieferanten-Rechnungen des schwedischen Möbel-Giganten Ikea annehmen konnte. Es handelt sich um nicht weniger als eine Million Rechnungen pro Jahr, die aus allen Enden der Welt in die Aussenbezirke von Basel kommen. «Anfangs habe ich ihnen geantwortet, ein solches System wäre zu gross für uns und abgelehnt. Aber sie kamen wieder, weil sie nichts passendes auf dem Markt finden konnten. Also haben wir uns doch drangemacht. Mittlerweile werden alle Rechnungen in einem System bearbeitet, das nur drei Leute benötigt.» Ein Gewaltmarsch, der die Robustheit des Systems eindrücklich beweist.
(Pierre-Henri Badel)


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