Der Nortel-Clarify-Deal

Der kanadische Netzwerkgigant Nortel übernimmt die Softwarefirma Clarify im Rahmen eines Aktientauschs für 2,1 Milliarden Dollar. Damit setzt sich Nortel in die Lage, zusammen mit ihrer Hardware gleich auch Front-Office-Anwendungen für den E-Commerce-Einsatz anzubieten.

Artikel erschienen in IT Reseller 1999/19

   

Clarify entwickelt Software, mit der Funktionen wie Help Desk, Verkauf und Kundenservice automatisiert werden. Die Lösungen werden in Europa von Niederlassungen in Deutschland, Grossbritannien und Frankreich, in Italien über Telematica angeboten. Nortel verkauft in Europa ebenfalls eine Callcenter-Software, betont jedoch, dass diese nicht mit den Clarify-Produkten gebündelt werde. Hingegen soll das Clarify-Paket zusammen mit Nortel-Hardware angeboten werden.
Der Deal löste erst einmal Erstaunen aus. Es ist das erste Mal, dass ein Anbieter von Netzwerk-Equipement einen Hersteller von CRM-Lösungen (Customer Relationship Management) erwirbt. Die Analysten hatten eher mit einem Käufer für Clarify aus den Reihen der ERP-Anbieter gerechnet. Für Nortel macht diese Kombination aber durchaus Sinn. Nortel Executive Vice President Bill Connor erklärt: «Datenverarbeitung und Telekommunikation waren ja zunächst ebenfalls getrennte Bereiche und wuchsen nach und nach zusammen. Das gleiche geschieht jetzt mit der Netzwerktechnologie und dem CRM-Bereich.»
Manche Analysten halten die Summe von 2,1 Milliarden Dollar, die Nortel für Clarify zahlen will, dennoch für zu hoch, da Clarify im vergangenen Jahr lediglich einen Umsatz von 130 Millionen Dollar machte. Connor begründete die Höhe der Kaufsumme damit, dass das Wachstumspotential von Clarify ausschlaggebend sei, nicht der gegenwärtige Umsatz.

Boommarkt CRM

Der Markt für CRM-Lösungen ist vielversprechend. Die Marktforscher von IDC (International Data Corp.) prognostizierten, der Umsatz von Front-Office-Anwendungen werde von 1,9 Mia. Dollar im vergangenen Jahr auf elf Mia. im Jahr 2003 steigen. In die gleiche Richtung deutet die Tatsache, dass auch Cisco und Lucent in den vergangenen Monaten Milliarden ausgaben, um ihr Kerngeschäft mit Software-Technologien aufzustocken, die Kundeninformationen organisieren und auswerten.
Für die Netzwerkanbieter wurde das Geschäft in letzter Zeit generell schwieriger. Das Netzwerk an sich wird immer austauschbarer. Für die Kunden spielen daher die Anwendungen oft die grössere Rolle. Lucent und Nortel mussten ihre Wurzeln in der Telekommuninkationssoftware hinter sich lassen, um neue Geschäftsmöglichkeiten wie E-Commerce wahrzunehmen. Cisco anderseits erweiterte das ursprüngliche Internet-Geschäft mit Lösungen für die grossen Telko-Anbieter, mit denen diese ihre Netze betreiben und die Kunden verwalten können. Die zunehmende Vereinheitlichung von Daten- und Voice-Verkehr tut ein übriges für die steigende Bedeutung der Software und spielt in den Strategien von Unternehmen wie Cisco, Lucent oder Nortel eine entscheidende Rolle. Der steigende Druck brachte bereits wichtige Unternehmen von beiden Seiten des Marktes zusammen. So kaufte in den letzten Monaten Lucent Kenan Systems und Mosaix, während Cisco GeoTel Communications und WebLine vereinnahmte.

Fliessende Grenzen zwischen Netzwerk und Software

Obwohl Teile des Hardware-Geschäfts nach wie vor sehr lukrativ sind, wird dort bald nur noch Geld für Upgrades zu holen sein, wenn erst einmal eine feste Basis von Highend-Hardware installiert ist. Viele Netzwerkunternehmen werden sich daher im Laufe der Zeit wohl oder übel immer deutlicher zu Software-Unternehmen wandeln.
Bill Conner betonte denn auch, dass die Übernahme von Clarify darauf abziele, Web-basierende Transaktion und Callcenter-basierende Interaktion auf eine gemeinsame Basis zu stellen und so den Kunden eine bessere Übersicht über ihr Geschäft zu ermöglichen: «Der Sinn der Übernahme ist nicht, gemeinsam zu verkaufen, sondern Netzwerke und Anwendungen enger zusammen zu bringen. Reseller-Abmachungen zwischen Software- und Netzwerkunternehmen genügen nicht mehr. Wir wollen unsere Netzwerke klar mit der Clarify-Software verbinden.» Und Tony Zingale, CEO von Clarify, fügt bei, dass sich die Grenzen zwischen Netzwerk und Software sowieso immer mehr verwischen: «Unsere Kunden benötigen beides. Sie brauchen Applikationen, Netzwerke usw. und alles über das Web.» (fis)


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