Dass er als Student seinen ersten PC baute, gehört einfach zur Biografie eines PC-Pioniers. Auch Michael Dell mag nicht auf diesen Hinweis verzichten. Dennoch fehlt ihm jener genialische Garagen-Geruch, der die Legende eines Steve Jobs oder Bill Gates prägt. Überliefert ist dafür ein Ausspruch Dells, der seine Ansprüche besser beleuchtet: «I want to compete with IBM», soll der knapp Zwanzigjährige gesagt haben, als er seinen ersten PC verkauft hatte.
Technischen Fragen weicht er eher aus. Was bedeuten AMD-Prozessoren für Dell Computer? «Wir machen Umfragen», heisst die Antwort, «wenn unsere Kunden es wünschen, werden wir Dell-PCs mit AMD-Prozessoren bauen.» Tatsächlich beruht Michael Dells Erfolg auch weniger auf technischen Überlegungen als auf seinem Gespür für den Markt und seinem Talent für Verkauf und Logistik. Zu Beginn der Neunzigerjahre ist er der jüngste CEO, dessen Unternehmen in den erlauchten Kreis der Fortune 500 aufgenommen wird.
Heute belegt Dell Computer dort Platz 48 und steht in der weltweiten Liste von Fortune an 154. Stelle. Für das laufende Finanzjahr wird ein Umsatz von 31,9 Milliarden Dollar und ein Reingewinn von 2,3 Milliarden erwartet. Kein schlechtes Ergebnis für einen Mann, der sein Unternehmen 1984, als
IBM und
Apple bereits an die zehn Jahre im PC-Geschäft waren, mit gerade einmal tausend Dollar Startkapital begann.
«Wir sind heute weltweit die Nummer Eins bei den PCs», betont Dell denn auch gern und immer wieder, «Zudem stiegen wir dieses Jahr in den USA bei den Servern zur Nummer Eins auf. Und in allen Ländern, wo wir noch nicht die Nummer Eins sind, streben wir es an.»
Die «Nummer Eins» – für Dell das erste Ziel und immer auch das letzte Argument. Am Anfang der Pressekonferenz in Zürich stand ein Satz, der zeigt, wie seine PR-Leute – und wohl auch er selber – den Firmenchef gerne dargestellt sehen möchten: «Die grösste Gefahr ist nicht, dass unser Ziel zu gross ist, sondern dass es zu klein ist, und wir es erreichen.» Das Zitat stammt nicht etwa von Michael
Dell, sondern von Mich(a)elangelo.
Marktanteile gewinnen
Mit Napoleon wurde Dell indess nicht verglichen, obwohl er im PC-Bereich einen (Preis-)Krieg vom Zaum gebrochen hat, der durchaus zu seinen Gunsten zu laufen scheint. Im gegenwärtig äusserst schwachen Marktumfeld sieht Michael Dell seine Chance, den Anteil seines Unternehmens am Weltmarkt, wie er sagt, von 13 auf 40 Prozent zu steigern. Im vergangenen Quartal habe Dell mehr Marktanteile gewonnen als in den anderthalb Jahren zuvor, betont er. Im ersten Quartal konnte Dell Computer nach Angaben seines CEOs ein Wachstum von 27 Prozent vorweisen, während die Steigerung des gesamten PC-Marktes im einstelligen Bereich blieb.
Dem steht allerdings immer noch der angekündigte Personalabbau von 3000 bis 4000 Mitarbeitern gegenüber. 105 Millionen Dollar sind im vierten Quartal für «Arbeitsplatzabbau und Fabrikkonsolidierungen» vorgesehen. Michael Dell: «Die Massnahmen sind noch nicht abgeschlossen. Wir haben zwar mehr zugelegt als die Konkurrenz, aber weniger als wir geplant hatten. Wir haben zu viele Leute eingestellt, der Abbau ist daher notwendig.» Allzuviele graue Haare scheinen ihm darüber nicht zu wachsen.
Erfolgsgründe
Vorläufig scheint Dell auch nicht geneigt, den Preiskrieg zu beenden: «Im Unternehmensgeschäft herrscht Kampf. Wer die besten Preise bietet, gewinnt.» Daher möchte Dell weiterhin von den immer noch sinkenden Preisen für Computerkomponenten profitieren. Das Unternehmen sei in der Lage, die Preisnachlässe dank des ausgeklügelten Logistiksystems innerhalb von nur drei Tagen an die Kunden weiterzugeben. Darin und in der Kundenorientiertheit seiner Organisation sieht Dell wichtige Gründe für seinen Erfolg.
Die Stichworte heissen: Konsequente Ausrichtung der gesamten Organisation nach Kundensegmenten statt wie der grösste Teil der Konkurrenz nach Produkten. Ein Built-to-Order-System, das mit kleinsten Lagerbeständen arbeitet. Und natürlich der Online-Direktverkauf, wo Dell Computer zu den Pionieren gehört und eine der grössten E-Commerce-Sites für Kunden und Zulieferer betreibt. Rund 50 Prozent der Umsätze laufen weltweit über das Internet. In der Schweiz sind es laut Juan Vörös, Manging Director von Dell Schweiz, sogar 54 Prozent, wobei 750 Firmen spezielle Pages mit eigenen Produkt-Spezifikationen haben.
Dessen ungeachtet ist Dell in der Schweiz «nur» die Nummer Zwei hinter Compaq. Michael Dell: «Unser Ziel ist es, auch hierzulande die Nummer Eins zu werden.» Klar, was soll er denn sonst sagen.
Wachstum und Ertrag
Grosse Hoffnungen für die Zukunft seines Unternehmen setzt Michael Dell auf den weltweit wachsenden Bedarf im Storage- und Server-Geschäft. Für PDAs und Handhelds dagegen zeigt er – obwohl soeben von Gesprächen mit
Nokia zurück – weniger Interesse: «Ein kleiner Markt, der wenig Profit verspricht. Unser Interesse gilt grossen Märkten mit grossen Profitmöglichkeiten.»
Dabei betont Michael Dell nicht ohne Stolz: «Wir wachsen nicht nur überdurchschnittlich, wir sind auch eines der ertragreichsten Unternehmen.»
Doch auf dem PC-Markt sind die Margen extrem unter Druck. Bisher konnte Dell dank des Preiskriegs auf Kosten der Konkurrenz ständig Marktanteile zulegen. Manche Analysten zweifeln jedoch, ob die Rechnung wirklich aufgehen wird. Wenn der Markt, wie erwartet, gegen Ende Jahr Zeichen einer Besserung zeigt, wird argumentiert, könnte der Preiszerfall schnell aufhören. Dann hätte Dell Computer zu beweisen, dass das Unternehmen auch ohne zusätzliches Wachstum profitabel bleibt. (fis)