Big Business MP3

Wenn es nach den Marktforschern geht, wird die MP3-Revolution zum ganz grossen Geschäft. Zur Zeit werden die Claims abgesteckt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/09

     

IDC prophezeit, dass Geräte zum Abspielen von komprimierter, digitaler Musik mit Wachstumsraten von 51 Prozent rechnen können und der Absatz weltweit von 3,3 Millionen Stück im letzten Jahr bis 2005 auf annähernd 26 Millionen steigen werde.
Susan Kevorkian, Analystin beim Consumer Device Program von IDC meint: «Kosten und Kapazität von Flash-Memory werden dazu führen, dass günstigere, innovative Geräte entwickelt werden.» Festplatten-basierende Jukeboxes sollen die heutigen Geräte verdrängen.
Laut IDC werden dabei die portablen Systeme bis 2005 mehr als die Hälfte des Umsatzes und rund 61 Prozent des Marktes ausmachen. Zudem erwarten die Analysten, dass bis 2004 die meisten CD-Player in der Lage sein werden, auch MP3-Files abzuspielen.

Alle gegen alle

Derweil herrscht in der Musikbranche ein echtes Alle-gegen-alle. Künstler, Produzenten, Händler und Technologie-Unternehmen versuchen, gegenseitig ihre Interessen durchzusetzen. Gleichzeitig bringen sich einige Unternehmen in Position, um in der Nach-Napster-Zeit die Musikliebhaber online mit Songs zu versorgen.
Zuletzt ist Microsoft mit der Ankündigung eines Abo-Dienstes auf der MNS Music Site aufgesprungen. Für ein ähnliches Angebot, MusicNet, hat sich Realnetwork mit AOL Time Warner, Bertelsmann und EMI zusammengetan. Yahoo verbündete sich mit Universal Music und Sony, um im Sommer ein Online-Abo anzubieten.
Die Gartner Group kommt allerdings zum Schluss, dass die Konsumenten nichts davon wirklich toll finden werden, da jedes Portal wegen der jeweiligen Allianzen nur einen Teil des Musikangebotes enthalten könne. Gartner meint, die Musik-Fans hätten keine Lust, ständig zu überlegen, welcher Künstler wo produziert und auf welchem Portal er folgedessen zu finden sei.

Online-Händler als Produzenten

Das Marktforschungsunternehmen Meta Group entwickelte eine eigene Vision: Das grösste Potential sieht Meta darin, dass ein Online-Anbieter zum Produzenten wird, der Künstler direkt verpflichtet und die gesamte Promotion wie den Handel über das Netz abwickelt: «Die traditionellen Formen der Promotion sind ineffizient und verschlingen rund 50 Prozent der Kosten einer CD, während die Künstler relativ wenig verdienen.
Ein Online-Produzent könnte das sehr viel günstiger erledigen und den Künstlern entsprechend höhere Gagen bieten.» Das ist es, wovor laut Meta die Musikindustrie wirklich Angst hat. Auf diese Weise entstünden Firmen mit einem völlig neuen Business-Modell, bei dem das Geld in erster Linie aus dem Onlineverkauf von Konzertkarten, T-Shirts und Souvenirs kommt, während die Musiker erst noch besser bezahlt werden können.
Die Marktforscher sind allerdings realistisch genug, um zu sehen, dass heute die wenigsten etablierten Künstler zu einem Online-Anbieter wechseln würden. Sie verweisen aber auf all jene, die nicht von der Promotions-Maschinerie der Industrie profitieren konnten, und ihren Erfolg weitgehend selber aufbauen mussten.

Händler müssen umstellen

Forrester Research untersuchte in einer neuen Studie die Auswirkungen auf den CD-Handel und korrigierte dabei seine Aussagen vom letzten Herbst. Der Verkauf von CDs, sagt Forrester nun, werde von gegenwärtig acht Milliarden Dollar bis 2005 auf sechs Milliarden sinken.
Die Analysten berufen sich dabei darauf, dass 52 Prozent aller Online-Konsumenten Gratismusik von Diensten wie Napster und Gnutella beziehen. 30 Prozent davon seien nicht bereit, für einen Download zu bezahlen.
Die Forresterleute schließen daraus, das diese trotz aller gerichtlichen Bemühungen Wege finden werden, weiterhin im Netz kostenlos Musik und Filme zu beziehen.
70 Prozent allerdings, stellen die Befrager fest, würde neun Dollar pro Monat für ein Abo bezahlen. Sie erwarten daher, dass bis in zwei Jahren etwa 3,9 Milliarden online umgesetzt werden.
Traditionellen Händler wird laut Forrester nichts anderes übrig bleiben, als ihr Geschäft in andere Gebiete auszuweiten. Die Läden sollen zu «One-Stop»-Einkaufsgelegenheiten werden, wo die Konsumenten sowohl CDs und Geräte kaufen wie an digitalen Kiosken Songs herunterladen und nach eigenen Wünschen zusammengestellte CDs brennen.
Forrester meint, dass in absehbarer Zeit neue Musikstücke erst einmal als CD und später dann in komprimierter, digitaler Form angeboten werden. Genau so, wie die Filmindustrie ihre Produkte erst im Kino zeigt und anschliessend im Fernsehen und als Video oder DVD vermarktet. Aber, warnt Forrester, das wird nicht verhindern, dass von jeder verkauften CD mindestens zehn Freunde und Kollegen des Käufers MP3-Kopien auf ihre Geräte laden. (fis)


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