Achtung: T Systems auf der Jagd nach KMUs

T-Systems hat für Aufregung gesorgt. Unter dem Brand der Systemhaustochter bieten die deutsche Telekom zusammen mit Atag Debis Konvergenz-Produkte an. Allerdings täuscht sich, wer glaubt, T-Systems überlasse die KMUs den lokalen VARs.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/09

     

Unter dem Brand T-Systems tritt seit kurzem die Tochter der Deutschen Telekom auch in der Schweiz auf. Die ehemalige Multilink und das Systemhaus Atag Debis treten dabei gegen aussen als eine Firma auf, obwohl sie rechtlich nicht zusammengehören.
Die Idee dahinter ist so einfach wie einleuchtend: Den Kunden beider Unternehmen soll entweder die eine oder andere Dienstleistungskette mitangeboten werden können. Während die Telekom-Kunden fortan mit IT-Produkten und -Dienstleistungen von Atag Debis beliefert werden sollen, bietet nun Atag Debis unter neuem Namen den eigenen Kunden die Produkte von T-Systems an.
Konvergenz im wahrsten Sinne des Wortes eben, von der Scheitel bis zur Sohle, vom Verkäufer bis zum Firmenschild. Abgerechnet wird trotzdem separat. Peter Schöpfer, CEO von T-Systems Schweiz gab IT Reseller Auskunft über die Vorgehensweise und darüber, was mit den kleineren und mittleren Kunden geschehen soll.
IT Reseller: Multilink und Atag Debis waren ja bereits vor der Namensänderung in der Schweiz vertreten. Was ändert sich konkret ausser dem gemeinsamen Auftritt? Betrifft die Zusammenarbeit vor allem einen gemeinsamen Marketingauftritt?
Peter Schöpfer: T-Systems und Atag Debis sind rechtlich zwei getrennte Firmen und können gar nicht fusionieren, da 49,9% von Atag Debis Daimler Chrisler gehört, die restlichen 51,1% der Deutschen Telekom. Wir treten aber unter einem gemeinsam Brand auf. Da unser Ziel ja ist, Konvergenzprodukte anzubieten, ist es wichtig, dem Kunden gegenüber als eine Firma in Erscheinung zu treten.
Wir arbeiten bereits jetzt mit Atag Debis zusammen, wenn wir sehen, dass es bei einem Kunden Leistungen des einen oder anderen Partners braucht. Konvergenz heisst beispielsweise auch alles, was mit E-Business, E-Commerce etc. zu tun hat, einzubeziehen. Deswegen ist es wichtig, sich in die Kundenprozesse hineinzudenken und nicht einfach eine Leitung von A nach B zu verkaufen.
ITR: Wie viele Leute stehen ihnen zur Zeit bei T-Systems und Atag Debis zur Verfügung? Wie viele werden es bis Ende Jahr sein und wie rekrutieren Sie neues Personal?
PS: Seit erstem Mai sind wir im Telekombereich (T-Systems) 150 Leute, bei Atag Debis sind es rund 1200. T-Systems wird bis Ende Jahr ca. 200 Leute beschäftigen. Wir rekrutieren vor allem über unsere Mitarbeiter. Es lohnt sich nicht nur wegen den hohen Personalbeschaffungskosten. Es ist einfach besser, wenn Leute, die schon bei uns arbeiten, ihre Kumpels reinholen. Die Leute verstehen sich und der neue hat so schon einen «Götti» in der Firma. Wer einen neuen Mitarbeiter anwirbt, bekommt nach sechs Monaten 1500 Franken Belohnung.
ITR: Welche Produkte für VoIP bevorzugt oder empfiehlt T-Systems auf Kundenseite?
PS: Wir sind momentan dabei, unser Angebot fertig zu entwickeln. Da unsere IP-Plattform Cisco-basiert ist, sehen wir uns vor allem Cisco-Produkte näher an. Ausschlaggebend für uns ist aber der Service. Hardware und Software stehen weniger im Vordergrund.
ITR: Schon, aber gerade wenn ein Kunde keine Ahnung hat oder es ihm egal ist, welche Produkte er einsetzen soll, müssen Sie sich für einen Hersteller entscheiden.
PS: Es gibt Kunden, die wollen keine Cisco-Produkte, andere hingegen wollen nichts anderes. Wichtig für uns ist es, dass wir End-to-End-Lösungen anbieten können. Das heisst man hat einen Vorteil, wenn man durchgängig Produkte eines Anbieters anwendet. Sonst muss man überall Schnittstellen erarbeiten. Das kostet nur Geld, Zeit und Ärger. Der Kunde will telefonieren und es muss funktionieren.
ITR: Welche Kunden gehen Sie zuerst für Konvergenzprodukte an — Ihre eigenen oder eher die von Atag Debis? Schlagen Sie isolierte Systeme oder Pilotprojekte vor und wen versuchen Sie zu überzeugen, die Geschäftsleitung oder die Telefonieverantwortlichen? Wie gehen Sie vor?
PS: Wir haben einige Key Accounts, bei denen wir strukturiert vorgehen. D.h. bei gewissen Branchen — das können z.B. Banken sein — werden wir gemeinsam (Atag Debis und T-Systems) zum Kunden gehen. Dies können bestehende Kunden von beiden Seiten sein.
Mann muss klar sehen: Die meisten Kunden haben bestehende Verträge für IT und Telekommunikation. Auf der grünen Wiese können wir nicht anfangen. Wir werden also versuchen, bestehende Kunden weiter zu «entwickeln» — von IT zu Telekommunikation und umgekehrt und so neue Geschäftsfelder einbeziehen.
Ich bin pragmatisch. Alles auf einmal ändern zu wollen, hat keinen Sinn. Man fängt mit kleineren Anwendungen an, die nur einen Teil der Wertschöpfungskette abdecken, dann kann man wachsen. So kann man sich beim Kunden beweisen. Zum Anderen können wir auch Referenzkunden in Deutschland vorweisen.
Der Entscheid wird auf Management-Ebene gefällt. Kostenreduktionen sind nur ein Argument. Telekommunikation und IT sind schliesslich aber vor allem Werkzeuge für den Kunden, um gegenüber der Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.
ITR: Wie schätzen Sie die Bereitschaft der Schweizer Unternehmen ein, Konvergenzlösungen auszuprobieren oder einzusetzen?
PS: Einerseits sind die Schweizer sehr innovativ. Wir haben ja zum Beispiel vergleichsweise viele PC-Anwender. Andererseits hat die Schweiz viel Entwicklungspotential, was Konvergenz von IT und Telekommunikation angeht. Wichtig ist in dieser Hinsicht, dass die Schweiz eine Dienstleistungsgesellschaft ist und da braucht man IT und TK und deren Konvergenz.
ITR: Wieviele Projekte (Piloten und konkrete Umsetzungen) gibt es heute. Wie schätzen Sie den Schweizer Markt für Konvergenzprodukte ein?
PS: Ich schätze, dass es in der Schweiz zur Zeit ca. 30 bis 50 Piloten gibt, effektive Umsetzungen aber noch keine 10. Man sagt, der Telekommunikationsmarkt wachse jährlich um 5%, der IT-Markt um 6% und der Markt für Konvergenzprodukte um 65%.
ITR: Multilink-Kunden sind ja hauptsächlich KMUs und laut dem offiziellen Communiqué will T-Systems Grosskunden bedienen. Was passiert mit den Multilink Geschäftskunden? Werden die weiter betreut oder sind Sie jetzt wählerisch geworden.
PS: Nein, im Gegenteil. Die KMUs werden weiter betreut wie bis anhin, werden aber auch weiterentwickelt. Wir gehen gerne einen Schritt zurück und schliesslich gibt es auch internationale KMUs. Wir sind nicht wählerisch, denn jedes KMU mit heute 300 bis 400 Mitarbeitern kann morgen 800 bis 900 haben.
Da lassen wir uns nicht mit einer Bank vergleichen, die zwischen Grosskunden und Privaten einen Unterschied macht. Es gibt ausserdem KMUs, die Millionenbeträge ausgeben und andererseitse riesige Unternehmen, die weniger für IT und Telekommunikation ausgeben. Konvergenz hat weniger mit der Grösse als mit der Anwendung und dem Service zu tun.
Auch Privatkunden werden weiter betreut. Ich hatte eben Kontakt mit einer Firma, die für ihre 500 Mitarbeiter eine kleines Geschenk haben will. So kommen wir zu Telekom-Privatkunden, ohne zu akquirieren.
(Interview: mh)


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