Westschweizer IT-Messe im Wandel

Grundlegende Strukturänderungen kündigen grosse Umwälzungen für die Lausanner Messe an. Bei der diesjährigen Ausgabe bleibt zwar das meiste beim Alten, allerdings muss durch die geplante Fokussierung auf B2B mit einem erheblichen Besucherrückgang gerechnet werden. Ein gewagter Plan!

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/08

     

Schon sind es mehr als zwanzig Jahre, dass der Lausanner Computersalon — unbeirrt von den Umstürzen, welche den Lebens- und Todesweg der spezialisierten Informatikmessen des Landes gepflastert hatten — seinem Weg treu geblieben ist.
Die dieses Jahr angestrebte Anzahl Aussteller (200) wurde erreicht, ebenso die Anzahl Mit-Aussteller (300). Die von den Ausstellern gemietete Fläche beläuft sich auf 14‘000 Quadratmeter, die gesamte Ausstellung erstreckt sich auf 29‘000 Quadratmeter.
Abgesehen von Oracle und SAP gibt es keine grossen Abwesenden, auch wenn Apple — wie immer — die Westschweizer Veranstaltung aufgrund der restriktiven Politik in der Führungsetage auslässt. Hingegen hat sich Hewlett-Packard entschieden, die Abtrünnigkeit aufzugeben und nach Beaulieu zurückzukehren. Die Firma hatte im Vorjahr noch eine Konkurrenzausstellung auf der Eisbahn von Malley durchgeführt.

Neue Richtung, neuer Fokus

Patrick Lehner, der neue Generalsekretär des Groupement romand de l’informatique (GRI), hat dieses Jahr die Aufgabe der Organisation des Lausanner Salons übernommen und sich entschieden, die Messe ganz auf den professionellen Markt auszurichten. Der Messe steht also zweifellos ein gründlicher Umbau bevor. «In zehn Jahren wird es möglicherweise überhaupt keine Informatikmessen mehr geben», spekuliert Patrick Lehner.
Der Konferenzsektor wurde bereits dieses Jahr merklich erweitert, womit eine kleine Revolution gelungen ist. Die Konferenzen sollen live auf vier Grossbildschirmen übertragen werden, um ein grösseres Publikum zu erreichen, und um die von den Organisatoren geplante Trendwende zu illustrieren. Radio- und Fernsehausstrahlungen sollen den multimedialen und modernen Aspekt untermauern. Die Konzentration auf den Business-Sektor wird auch eine neue Zusammensetzung des Publikums mit sich bringen.
Vielleicht wird auch manch ein Interessierter von den gestiegenen Eintrittspreisen abgeschreckt (früher 18, jetzt 30 Franken). Ein Ausstellungsplatz kostet hingegen immer noch gleich viel. Die um ein vielfaches erhöhten Preise aber, die gewisse Aussteller von ihren Partnern verlangen, findet Patrick Lehner ziemlich deplaziert. Um dem Preis gerecht zu werden, haben die Organisatoren alles getan, den Komfort für die Besucher (breitere Sitzreihen) ebenso wie für die Aussteller zu erhöhen: Nebenbüros und Gruppierungen von kleinen Ständen an den Peripherien der Stände der Riesenausteller wurden geschaffen.

Unsichere Schicksale

Trotz all den Massnahmen bleibt Patrick Lehner skeptisch, da die Möglichkeiten des Lausanner Ausstellungsgeländes beschränkt und eher auf den primären als den tertiären Sektor zugeschnitten sind. Dass sich die Organisatoren der Comdex damals trotz der Umtriebe des seligen GRI-Sekretärs Emil Jucker nicht dazu bewegen liessen, Lausanne als Stammsitz zu wählen, sondern Basel bevorzugten, ist symptomatisch für das Problem.
Und da der Vertrag der Gründer der Messe mit dem Palais de Beaulieu 2003 zu Ende geht, ist auch ein Wechsel des Ausstellungsortes nicht auszuschliessen. Das Tabu über diesem Thema wurde
jedenfalls gebrochen.
Patrick Lehner verrät eine Idee, die er im Hinterkopf trägt: «Weshalb nicht ein B2B-Salon in Genf und ein B2C-Salon (für das breite Publikum) in Lausanne?», schlägt er vor. Dies umso mehr, als die Verhandlungen mit möglichen anderen Messeorten gut voranschreiten.
Ein utopisches Projekt in Anbetracht dessen, dass die Messe Orbit Home, die in Zürich hätte stattfinden sollen, mangels Ausstellern um ein Jahr verschoben werden musste! «Die Organisatoren der Messen haben noch nicht verstanden, dass die traditionell aufgereihten, gedeckten Stände nicht den aktuellen Wünschen der Leute entsprechen», erklärt Patrick Lehner. Ereignisse müssen im Vordergrund stehen, Animationen müssen Aufmerksamkeit wecken. Der Einzug der Informatik in die Supermärkte, wo Arsenale von Geräten verschiedenster Modellreihen miteinander verglichen werden können, haben diese Entwicklung unvermeidbar gemacht.

Zu überzeugen wissen

Wenn sich nun Patrick Lehner selbst vollkommen der Veränderungen bewusst ist, die der Salon für seine Entwicklung braucht, so muss er eben auch das Mitgliederkomitee des GRI davon überzeugen, dass Anpassungen an den immer stärker globalisierten Markt für Schweizer Messen unerlässlich und dringend sind. Über die Teilnahme einer multinationalen Firma wird nicht mehr auf nationaler, sondern auf internationaler Ebene entschieden.
Wie verkauft man also einem Konzern Quadratmeter auf einer Schweizer Messe, wenn das Land nicht einmal 5% seines Umsatzes ausmacht? Hinzu kommt, dass die Romandie nur einen kleinen Teil des Schweizer Marktes ausmacht. Für Lehner ist es keine Option, alles in Basel neu aufzuziehen, wie das einige Deutschschweizer gern sähen. Auch Emil Jucker hat sich immer dafür stark gemacht, dass die Unternehmen nach Lausanne kommen, um spezifische Lösungen für französisch sprechende Kunden vorzustellen.
Mit der Globalisierung der Märkte und dem Senkrechtstart des Internet ist dieses Bedürfnis sogar noch stark gewachsen. Die Benutzer suchen vermehrt nach persönlichen Kontakten, und der Beratungs- und Dienstleistungssektor wird immer stärker. Dies ist ein weiterer Grund, diesen wichtigen Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmungen nicht aus der Hand zu geben und den Verlockungsrufen zu widerstehen.
Diese Nähe erlaubt den welschen Interessenten, billiger und einfacher zu Know-how und Kenntnissen zu kommen, als wenn sie den Röstigraben überqueren müssten. Hinzu kommt, dass man bei Messen in anderen Sprachregionen immer zweifeln muss, ob sich eine Länderanpassung wegen Sprachproblemen und Wirtschaftlichkeit bei den präsentierten Lösungen vornehmen lässt.
Pierre-Henri Badel


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