Channel Insight: HP und der Channel - das erfolgreichste Business-Modell in der IT-Industrie

Daniel Jäggli

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2012/01

     

Die Überschrift sagt eigentlich schon alles – und dieser (zugegebenermassen subjektive) Bericht könnte damit zu Ende sein. Oder gibt es da noch mehr? Lassen sich auch kritische Zwischentöne finden? Schliesslich ist nicht immer alles Gold, was glänzt. Listen wir mal die Tatsachen auf: HP wurde mit seinem Channel zum weltweit grössten Technologie-Anbieter – in einigen Bereichen sogar mit ziemlichem Abstand zu den Mitbewerbern. Die beiden letzten CEOs haben wir glücklich überlebt! Heute ist die HP-Geschäftsstrategie wieder absolut klar und wird von den Business Partnern auch verstanden und goutiert: HP hat wieder Freude an Hardware und zeigt dies auch stolz! Das Unternehmen investiert viel Geld in Innovation und spart nicht jeden Dollar.


HP versteht den Channel und ist somit das IT-Unternehmen mit dem mit Abstand grössten Channel. In der Schweiz geht ein bedeutender Teil des HP-Absatzes über diesen Channel. Das Channel-Programm für HP Preferred Partner und Gold Partner ist seit Jahren konstant und wird sinnvoll weiterentwickelt. HP hört auf seine Partner. Auf HP kann sich der Partner verlassen, und HP kann sich auf seine Partner verlassen. Neue Produkte werden gemeinsam erfolgreich im Markt positioniert. Mit HP-Produkten lässt sich Geld verdienen und der Partner kann um HP Produkte herum schöne Zusatzgeschäfte generieren. Also eigentlich rundum eine heile Welt.
Doch es gibt aus Sicht des Partners auch eine Kehrseite dieser Medaille. Das Partnerprogramm wird in seinen Details und Anforderungen immer komplexer. Die Zertifizierungshürden, welche auch Ausschlusskriterien genannt werden können, steigen. Die Kosten, seine Mitarbeiter ausgebildet zu halten, somit auch. Leider sind sinnvolle Lerninhalt und der Return pro Spezialisierung nicht immer gegeben. Die HP-Produktestrategie und Innovationen, vor allem im Software-, Storage- und Server-Geschäft, gehen immer mehr ins Grosskundengeschäft - das sind in der Schweiz einige hundert Kunden. In Produkte für das Schweizer Hauptmarktsegment wird leider erst später investiert.


HP wird gerade im Service-Umfeld oftmals zum Konkurrenten und zwingt mittels zweifelhaften, vergleichenden Gesamtmarkt-Benchmarks (PRI/TOP) den Partner, auf eigene Services zu verzichten und HP Services zu verkaufen. Nicht immer ist aber sichergestellt, dass dies HP auch besser macht und vor allem: Schiere Grösse ist nicht immer mit höherer Professionalität gleichzusetzen. Von der Kundennähe ganz zu schweigen. Das Cloud-Computing-Modell ist in der Entstehung, noch ist nicht alles klar. Immerhin hat HP erkannt, dass nur ein Schweizer Cloud-Modell mit Einbezug der Business Partner auch wirklich Chancen bietet. Die Unsicherheit hier ist aber Gift für das Business. Zudem ist HP ein global ausgerichtetes Unternehmen – die lokalen Gegebenheiten können nicht immer genügend berücksichtigt werden. Die Schweiz wird programmatisch anderen Ländern gleichgestellt, Maturität, Loyalität, gutschweizerisches Geschäftsgebaren und Marktpotentiale schlagen sich so nicht immer genügend im Channel-Programm Schweiz nieder. Hier sollte HP Schweiz Gegensteuer geben.

Hinzu kommt die unbarmherzige Konkurrenz innerhalb des Channels. In jedem Deal trifft man auf mehrere andere HP-Partner, was naturgemäss zu einer gewissen Erosion der Margen führt. Nicht zufällig werden immer höhere Anteile der Marge in Backend-Modellen ausbezahlt – aber nur, wenn die vorgegebenen sportlichen Ziele auch erreicht werden. Auch dies führt auf das Ende der jeweiligen Bemessungszeitpunkte immer wieder zu ganz speziellen Margen-Situationen, wenn es dann heisst: alles oder nichts!


Natürlich hat die Medaille auch aus HP-Sicht eine Kehrseite: Loyalität heisst hier das Reizwort. Diese zeigt sich in verschiedenen Bereichen. Nicht alle Partner setzen auf eine One-Vendor- Strategie. Wie soll HP mit einem Partner in den Deal-Kampf ziehen, wenn der Partner noch ein anderes Pferd gesattelt hat? Loyalität in der Produkteadaption heisst, auch für neue Produkte, welche noch kein Toprating haben, ins Feld zu ziehen. Evangelisieren heisst hier das Stichwort. Dazu braucht es loyale und kompetente Partner: Wie kann ein Partner für Produkte und Qualität stehen, wenn er sie nicht selbst getestet hat und sein Wissen auf wenigen White Papers beruht. Ein weiteres Thema sind auch Investments – immer erwarten die Partner, alles auf dem Tablett präsentiert zu erhalten. Und am liebsten bedienen sie sich nur da, wo es gerade in die jeweilige Geschäftsstrategie passt. Und was meint jetzt der neutrale Betrachter nach Abhören der jeweiligen Argumente dazu? Hey - ihr habt ja gar kein Problem miteinander! Nur eines ohne einander! Also besinnt euch auf eure Stärken, sprecht miteinander, habt gegenseitig wieder etwas mehr Geduld und hört auf den anderen, versucht einander nicht nur zu verstehen, sondern nehmt auch etwas auf die Spezialitäten der Einzelnen Rücksicht und lasst dem Verstehen auch Taten folgen ! Vor allem aber, hört nicht auf die Schalmeienklänge der Anderen! Zu einer guten Partnerschaft gehören Reibungsflächen und gelegentlich auch Auseinandersetzungen – so bleibt die Partnerschaft lebendig und entwickelt sich. Schliesslich gilt es festzuhalten: Das HP-Channel-Modell ist das Beste und nicht vergebens ist dies das erfolgreichste Geschäftsmodell der Branche!

Daniel Jäggli

Daniel Jäggli, seit 1985 CEO von Leuchter Informatik mit den Bereichen IT-Infrastrukturen im HP-Umfeld, Dokumentenerstellung und Office-Automation mit einem eigenen Channel, Software Engineering im .NET-Umfeld, Sharepoint, sowie ERP-Lösungen im Sage-Office-Line-Umfeld, ist mit mehr als 35 Jahren Branchenerfahrung ein Urgestein. Seit der Übernahme von Compaq durch HP sitzt er im HP Channel Advisory Board. Er war Mitgründer und ist im Vorstand der International Association von Microsoft Channel Partners IAMCP, des IT Netzwerkvereins GRID, sowie Präsident der KMU IT Partner Schweiz KIPS, einer Genossenschaft von ähnlich gesinnten IT Resellern, welche ihre Kräfte bündeln.


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