In einer losen Folge behandeln im IT Reseller zwei Spezialisten den Themenkomplex Risikokapital. Im ITR Nr. 14 (23.8.) befassten wir uns in einer Einführung mit grundsätzlichen Voraussetzungen und definierten die wichtigsten Begriffe. In dieser Ausgabe gehen wir der Frage nach, welche Schritte einen kapitaldurstigen Betrieb zum Erfolg führen.
Beizug von Beratern
Unternehmen, die nicht über erfahrene Finanzierungsspezialisten in der Finanz- oder Rechtsabteilung verfügen, sollten die Suche und Annahme von Risikokapital nicht ohne fremde Hilfe an die Hand nehmen. Ideal ist es, wenn ein einziges Unternehmen als «Generalunternehmer» die Kapitalstrukturierung, Vermittlung der Eigenmittel sowie die rechtliche und organisatorische Begleitung der Transaktion an die Hand nimmt. Denkbar ist aber auch, dafür verschiedene Spezialisten beizuziehen. Allgemeinberater wie Treuhänder und kleinere Unternehmensberatungsfirmen haben in der Regel nicht das nötige Spezialwissen.
Die falsche Wahl eines Berates kann verheerende Folgen haben. Man verliert Zeit, Geld und – das ist der schlimmste Effekt – Image im Markt. Fragen Sie also einen potentiellen Berater nach seinem CV und bisherhigen Projekten. Oft findet man bei institutionellen Risikokapitalgebern Analysten, die zwar das finanztechnische Handwerk beherrschen, danaben aber noch keinen weiteren Business-, Sales-, oder unternehmerischen Background aufweisen können. Die folgende Checkliste führt die wichtigsten Kriterien auf, nach denen ein Berater oder ein Beratungsunternehmen beurteilt werden kann.
Umgang mit Beratern
Auch der richtige Umgang mit dem Berater will gelernt sein. Entscheidend sind gegenseitige Offenheit, Transparenz und Vertrauen. Da es um ein grösseres Risiko geht, ist jegliches Verschweigen (oder schlimmer noch: Verdrängen) von Informationen oder Tatsachen Gift für den Erfolg. Pflichtbewusstsein und Termintreue sollten selbstverständlich sein. Man unterschreibt eine gegenseitige Vertraulichkeitserklärung.
Checkliste Berater
- Ausbildung: Mindestens ein Betriebswirtschafter und ein Jurist, beide spezialisiert im Bereich Kapitalstrukturierung und -Beschaffung
- Erfahrung: Hohe Professionalität, erlernt in Kaderpositionen von Grossfirmen
- Grosses Beziehungsnetz in der Venture- Capital-Branche und die Fähigkeit, rasch fallspezifische Beziehungsnetze zu entwickeln (namentlich Vertrautheit mit der Branche, internationale Erfahrung).
- Möglichkeit, ein Team zu bilden, das alle nötigen Spezialisten enthält
- Zeitliche Verfügbarkeit der Spezialisten (keine «Delegation» an weniger professionelle Untergebene)
- Faire Entlöhnung, keine Honorare ohne entsprechende Leistung
Fitness-Kur
Die Fitnesskur schafft erst die Voraussetzungen für die Aufnahme von Kapital und das angestrebte Wachstum. Die sorgfältig ausgewählten Berater sollten so früh wie möglich beigezogen werden und den gesamten Prozess begleiten.
Ziel der Fitnesskur ist es, einen schlüssigen und konsistenten Überblick über das Vorhaben (Lösung/Ziele, Mittel, Verfahren/Wege) aufzuzeigen. Allfällige gedankliche Wirrheit sollten spätestens jetzt beseitigt werden. Die Fitnesskur schafft erst die Voraussetzungen für die Aufnahme von Kapital und das angestrebte Wachstum.
Checkliste «Fitness-Kur»
- Klare Formulierung von Vision, Strategie und USP
- Zweckmässige, auf die Kapitalaufnahme und das Wachstum vorbereitete Organisation
- Bereitstellung der nötigen zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Das operative Geschäft muss weiterlaufen, und das Unternehmen darf auch im Falle eines Abbruchs oder Misslingens der Eigenmittelbeschaffung nicht gefährdet sein.
- Erstellen eines realistischen (!) Businessplans mit Unternehmensbewertung
- Genaue Definition des benötigten Kapitals, betragsmässig und zeitlich.
- Grobe Planung der erwünschten/tolerierbaren Finanzierungsstruktur, Stimmrechtsverhältnisse, Fremdkapitalkosten etc.
Investorensuche
Nachdem das Unternehmen auf diese Weise vorbereitet ist, kann mit der Suche nach Investoren begonnen werden. Um die vorhandenen Möglichkeiten optimal zu nutzen, müssen (insbesondere bei kleineren Kapitalbeschaffungen) die verschiedenen Investorenkategorien (siehe IT Reseller Nr. 14, S. 29) fallbezogen ausgelotet und angegangen werden. Dabei sind ein möglichst grosses Beziehungsnetz und ein guter Name des Beratungsunternehmens von grosser Bedeutung. Bezüglich der Art und Weise, wie die möglichen Investoren kontaktiert werden, sind verschiedene Abwägungen vorzunehmen:
– Was will man aus der Hand geben, was behalten (Stimmrechte, Kapitalbeteiligung, VR-Sitze, Managementposten, ...)
– Wie optimistisch oder wie vorsichtig sollen Businessplan und Unternehmensbewertung gestaltet werden ?
– Wieviel Information soll gleich zu Beginn herausgegeben werden, wieviel nach Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung, und was will das Unternehmen erst einem konkret interessierten Investor verraten?
– Wie genau sollen die Bedingungen (namentliche Aktienpreis, allfällige Verzinsung verbundener Darlehen etc.) bestimmt werden?
– Welche Exit-Szenarien werden ins Auge gefasst und dem Investor mitgeteilt?
– Werden ein oder wenige grosse Investoren bevorzugt oder eine breite Streuung?
Das weitere Vorgehen hängt weitgehend von den Vorstellungen des Investors ab. Nach einer Sichtung der Unterlagen erfolgt normalerweise ein erster Besuch der Firma und des Managements. In der Regel dauert es mindestens einen, häufiger drei oder mehr Monate, bis ein konkret interessierter Investor gefunden wurde und sich mit dem Unternehmen vertraut gemacht hat.
Knochenarbeit: Due Diligence
Danach folgen in der jeweils zweckmässigen Reihenfolge, oft auch parallel, die Due Diligence, d.h. die Prüfung des Vorhabens durch den Investor und die rechtliche Gestaltung und Dokumentierung. Während die rechtlichen und organisatorischen Aufgaben weitgehend vom Beraterteam erledigt werden können, beansprucht die Due Diligence Prüfung auch viel Zeit und «Knochenarbeit» des Managements selbst.
Gute Vorarbeit beim Schreiben des Businessplans oder unmittelbar vor der Due Diligence kann sich auszahlen: Je besser der Investor über das Unternehmen informiert ist, desto höher wird tendenziell der Preis, den er für seine Beteiligung zahlt. Bei offenen Fragen und schwer abschätzbaren Risiken sinkt der Preis, oder es werden Garantiezusagen oder andere Sicherheiten verlangt.
In der Unternehmensbewertung besteht immer ein sehr grosser Spielraum, und ausser nackten Zahlen spielen insbesondere bei kleineren Finanzierungen andere Faktoren wie persönliches Interesse am Produkt, zwischenmenschliche Harmonie, Kompromissbereitschaft etc. eine grosse Rolle. Systematisches Vorgehen und die Erfahrung des Beraterteams helfen, den «richtigen» Investor zu finden.
Autoren
Dr. Jürg Martin, Rechtsanwalt, MSM Fininco AG , Winterthur. E-Mail: martin@sbm.ch
Roland Köcher, lic.oec.HSG, Goldwyn Partners Group AG, Baar. E-Mail: rkoecher@goldwynpartners.com