Wer der Macintosh-Plattform einen Gefallen tun will, muss heutzutage aufpassen, ihm könnte postwendend eine Klage von
Apple ins Haus flattern.
So geschehen letzten Mai, als die Werbeagentur Springer und Jacoby eine Anzeige in der Hamburger Tageszeitung «Die Welt» schaltete, die mit der Aussage «Liebe Windows-User – We love you!» schadenfreudig darauf hinweisen sollte, dass der Macintosh immun gegen den I-Love-You-Virus ist.
Dass Springer und Jacoby das Apple-Logo ohne Erlaubnis und erst noch in einer falschen Farbe benutzt hatten, rief Apples Anwälte auf den Plan.
Dieser Vorfall steht nicht alleine da. Anfang August reichte Apple in Kalifornien Klage gegen Unbekannt ein, weil technische Daten und Bilder neuer Produkte vor dem offiziellen Vorstellungstermin ins Internet gelangten.
Als Übeltäter wurde ein Apple-Mitarbeiter identifiziert. Aus dem gleichen Grund kam Grafikkartenlieferant
ATI in Teufels Küche. Eine Pressemitteilung erschien zwei Tage zu früh und kostete ATI die Gelegenheit, ihre Produkte an der Eröffnungsrede zur Macworld Expo in New York vorzustellen.
«Kein Verhandlungsspielraum» für Apple-Händler
Obwohl verständlich ist, dass
Apple versucht ihre Geschäftsgeheimnisse zu wahren, hat die harsche Vorgehensweise in der jüngeren Vergangenheit dazu geführt, dass Stimmen laut wurden, die von einer Wiederkehr der früher typischen Apple-Arroganz sprechen.
Von IT Reseller darauf angesprochen, ob es auch in der Schweiz Anzeichen eines arroganten Verhaltens von Apple gebe, reagierte Urs Thomas Strebel vom Apple-Händler Ingeno Computer, die das Hardwaregeschäft kürzlich in die Tochter Netto Computer ausgelagert hat, ausserordentlich vielsagend: «Da Apple alle Äusserungen über «interne» Informationen in den falschen Hals bekommt, ziehen wir es vor, ihre Fragen nicht zu beantworten».
René Schneider, Mitglied der Geschäftsleitung bei DataQuest, scheint diesbezüglich weniger Hemmungen zu haben. «Eigentlich hat sich Apple gar nie gross geändert», sagt Schneider, «man sieht es vor allem am problematischen Vertragswesen. Die Händlerverträge zum Beispiel werden von Apple weltweit vorgegeben, und wer Macintosh-Computer verkaufen will, muss sie unterschreiben, da existiert kein Verhandlungsspielraum».
Es habe zwar noch keine Schwierigkeiten gegeben, weil Apple Schweiz bisher fair mit der DataQuest umgegangen sei, relativiert Schneider, im Falle eines Rechtsstreits sehe er für sich aber düster, da er sich zu Dingen habe verpflichten müssen, die sehr fraglich seien.
Channelbetreuung verbesserungsfähig
Dass Apples Verhalten weniger mit Arroganz, dafür mehr mit der Persönlichkeit von Steve Jobs zu tun hat, vermutet Thomas Morf, Geschäftsleitungsmitglied bei der Letec: «Steve ist einfach ein Showman, er liebt grosse Produkteankündigungen, mit Arroganz hat das nichts zu tun». Er kritisiert aber, dass es mit der Betreuung des Fachhandels in der Schweiz nicht zum besten stehe. «Der Fachhandel wird auf jeden Fall weniger denn je unterstützt», sagt Morf.
Gute Noten stellt er dagegen den Mitarbeitern von
Apple Deutschland aus, mit denen er mehr und mehr zu tun hat, da das Ordermanagement über Deutschland abgewickelt wird. Braucht es seiner Meinung nach Apple Schweiz überhaupt noch? «Ich denke, wir würden ohne genau gleich gut weiterarbeiten können», sagt Morf.
Martin Hagger, GM von Apple Schweiz, zeigt sich erstaunt über diese Aussage: «Unsere direkten Partner haben vermehrt mit den Mitarbeitern in Deutschland zu tun, aber dass man deswegen gleich sagt, es brauche Apple Schweiz nicht mehr, erstaunt mich», und spielt gleich des Teufels Advokaten:
«Falls sich der Fachhandelskanal bereit erklärt, die gleichen Wachstumsstrategien zu fahren wie wir, und diese dann auch noch umsetzt, lasse ich mit mir über eine solche Option diskutieren.» Hagger scheint allerdings nicht daran zu glauben, dass dies passieren wird.
«Einige unserer Fachhändler warten nach wie vor darauf, bis sie ein Kunde kontaktiert und die Absicht äussert, ein Apple-Produkt zu kaufen, anstatt wie wir auf potentielle Kunden zuzugehen.» Durch den grossen Erfolg von Apple hierzulande, die Schweiz ist der fünftstärkste Apple-Markt in Europa, sei es bereits gelungen, mehr Werbebudget für den lokalen Auftritt zu erhalten, es gebe aber noch Verbesserungspotential bei der Händlerbetreuung. «Wir hoffen im Fiskaljahr 2001 zusätzliche Ressourcen für die Channelbetreuung zur Verfügung zu haben», sagt Hagger.
Unerwünschte Nebenwirkungen der Zentralisierung
René Schneider von Dataquest sieht die Probleme weniger bei Apple Schweiz, sondern bei der zunehmenden Zentralisierung von
Apple. Ordermanagement, Personalwesen und Rechtswesen werden zum Beispiel länderübergreifend von Deutschland aus organisiert. «Steve Jobs gibt die Richtung vor und dann wird global durchgesetzt.
Apple Schweiz wehrt sich, wo sie kann für den Sonderfall Schweiz», sagt Schneider. In Hochschulkreisen, die sich von Apple Schweiz allgemein gut betreut fühlen, lautet der Tenor ähnlich. Als arrogant wird Apple Schweiz in den IT-Abteilungen der Universitäten nicht wahrgenommen, Schwierigkeiten würden erst dann auftreten, wenn es um Lizenzverhandlungen gehe, die von höchster Stelle am Apple-Hauptsitz in Kalifornien abgesegnet werden müssten.
Immerhin spielt Apple Schweiz innerhalb Europas mittlerweile in einer wesentlich höheren Klasse als früher, als die Schweiz noch Deutschland unterstellt war. «Seit Anfang dieses Jahres rapportiert Apple Schweiz direkt an Apple Europa und hat Einsitz in das European Leadership Team», sagt Hagger.
Apple hört zu
Die Vehemenz, mit der Steve Jobs Non-Disclosure-Agreements durchsetzt, vermag in der Öffentlichkeit wohl nur zu leicht als arrogant angesehen werden. Bescheidenheit war sicher noch nie eine Tugend des Apple-Mitgründers, aber solange ihm der Erfolg Recht gibt, besteht für ihn auch kein Grund, sich Asche aufs Haupt zu streuen.
Dass
Apple wieder in die gleiche, arrogante Besserwisserei zurückfällt, welche die Firma vor Jahren auszeichnete, lässt sich trotzdem nicht behaupten. Denn eines ist heute anders als früher: Apple hat gelernt, ihren Kunden zuzuhören. Das zeigt sich einerseits an der Entwicklung von Mac OS X, in die viel Feedback von Softwareentwicklern, und mit der Betaversion auch von Endkunden, einfliesst, und andererseits an der Tatsache, dass die unsägliche Hockey-Puck-Maus endlich verschwunden ist.
Letzteres dauerte zwar eindeutig zu lange, aber wenigstens etwas Verbesserungsspielraum darf man Apple ja noch lassen.
Cuno Schneeberger, Palo Alto